Fairbanks – interessante Begegnungen

27.06. – 02.07.2014

Von oben bis unten mit Matsch dekoriert kommen wir in Fairbanks an. Wir wissen noch nicht wo wir einen Schlafplatz finden, doch die erste Priorität lautet Motorrad waschen damit sich der Dreck nicht festsetzt. Ein Tankstellenwart zeichnet mir kurzerhand eine Skizze, um mir meine Frage nach der nächstgelegenen Waschgelegenheit für Fahrzeuge zu beantworten. Nachdem wir die Maschinen mit dem Hochdruckreiniger vorsichtig gereinigt haben, überlegen wir, was wir als nächstes machen.  Das sind manchmal die „schwierigen Momente“ auf der Reise. Eigentlich haben wir Hunger, doch in ein Restaurant gehen ist zu teuer. Selbst ein Hot Dog für $5 erscheint uns im Vergleich zum selbst kochen zu teuer. Mitten in der Stadt den Kocher auspacken ist jedoch unpraktisch und vielleicht nicht so gern gesehen. Was sollen wir eigentlich kochen – ach ja richtig – wir müssen ja noch einkaufen. Lebensmittel einkaufen mit leerem Magen ist aber auch keine gute Idee. Außerdem sind die Klamotten noch nass und der nächste Regenschauer bahnt sich schon an. Also entweder lassen wir die nassen Regenkombis an und geht damit in den Supermarkt, wo einem dann so richtig schön heiß wird. Oder wir ziehen die Regenkombis draußen  aus, wobei dann die darunter liegenden Klamotten wieder nass werden, während wir die Regensachen verstauen. Wo sollen wir dann später eigentlich kochen, wenn es regnet? Die Halsschmerzen seit dem frühen Morgen lassen noch eine aufkommende Erkältung vermuten. Wo nochmal schlafen wir heute eigentlich? Mit diesen Gedanken steht man dann da und weiß nicht so recht was man jetzt eigentlich machen soll. Die komfortable Lösung kostet zu viel Geld, die Reisekasse schonende Lösung nervt.

Wir beschließen erstmal zu unserem heiligen Ort in Fairbanks zu fahren: einer Bankfiliale mit offenem WiFi, jippie. Mal schauen ob sich zufällig die eine Frau von SERVAS, der internationalen Host Organisation, gemeldet hat, welche wir bei unserer erstmaligen Ankunft in Fairbanks vor ein paar Tagen angeschrieben hatten. Tatsächlich, eine Antwort per Email. Per SMS können wir sie erreichen und sie schreibt in einer sehr kryptischen Antwort: „mail frm. wrk. B4 i lv. This eve @530p w/diections 2 my plc. 4 a visit late tmrw. Aftern. ok?”. Das heißt soviel wie: „Bevor ich heute Abend um 5:30 Uhr die Arbeit verlasse, maile ich Euch von dort die Wegbeschreibung zu meinem zu Hause für ein Treffen morgen am späten Nachmittag, ok?“ Mittlerweile sitzen wir im Trockenen bei Mc Donalds und warten auf die Mail. Tatsächlich, sie schreibt uns ihre Adresse und den Ort wo sie arbeitet: in Ann’s Greenhouse auf der Sheep Creek Road. Über Google Maps finden wir dies und da wir keinen besseren Plan haben, machen wir uns auf den Weg dorthin. Es regnet in nun in Strömen. Pitschenass stehen wir eine halbe Stunde später  im Gewächshaus und erkundigen uns nach Sally. Nach einer Weile taucht sie auf und macht uns erstmal zwei große Tassen Tee. Sie selbst hat nur eine kleine Cabin (so nennt man hier kleinere Holzhäuser, oftmals ohne Wasser und Strom) und das Grundstück ist durch den Regen zu nass um ein Zelt aufzubauen. So können wir bei ihr leider nicht unterkommen. Wir haben es nicht erwartet, doch sie beginnt herum zu telefonieren, um uns einen günstigen, trockenen Übernachtungsplatz zu suchen. Ein Freund hier, ein Bekannter da, doch leider nur Absagen und das Hostel kostet $70 pro Nacht pro Person (sowas sollte sich eigentlich nicht Hostel nennen dürfen). Bald hat sie Feierabend und muss noch einige Besorgungen in der Stadt machen. Wir finden uns bereits damit ab, dass wir gleich wieder raus in den Regen müssen.

Doch Sally hat noch eine weitere Idee und ist erfolgreich. So landen wir bei Anne & Will, welche in einem dunklen Holzhaus am Tanana River  in Fairbanks wohnen. Anne war lange Zeit Krankenschwester und Will ist ein Gletscherforscher, welcher auch noch im Ruhestand fast täglich zur University of Fairbanks fährt, um seinen Forschungen nachzugehen. Schnell haben wir auch deren  Hunde Sam und Rosie in unser Herz geschlossen.

Anne erwartet uns mit einem warmen Essen, welches uns richtig gut tut. Die beiden hatten sich vorgenommen seit langem mal wieder einen Film zu schauen. Wir schließen uns gerne dem gemütlichen Filmabend mit „The Goodfellas“ an. Der Mafiosi Film war stellenweise etwas kaltblütig, doch gut, um Englisch zu lernen, sieht man mal davon ab, das jedes fünfte Word f*ck lautete.

Zum Frühstück waren mehrere Gäste eingeladen. So lernten wir unter anderem noch die deutsche Gletscherforscherin Regine kennen. Sie hat Gefallen an dem Leben in Alaska gefunden und lebt schon seit  7 Jahren hier. Die Natur hier ist großartig und sie wurde von den Einheimischen sehr schnell integriert. Später besorgen wir noch eine Glühbirne für das defekte Frontlicht von Stephans Tenere. Die alte Birne war auf dem Dalton Highway durchgebrannt. Damit er nicht ohne Licht fahren muss, hatten wir zwischenzeitlich die Birne des Fernlichtes umgesteckt. Die Städte hier sind sehr weitläufig, man darf es sich nicht wie in Deutschland vorstellen, dass man mal schnell zum Bäcker geht und danach kurz zur Post. Jeder Einkauf bedeutet eine mehrere Kilometer lange Fahrt in das Stadtzentrum und selbst innerhalb der Stadt kommt man ohne fahrbaren Untersatz nicht weit. Die Einheimischen planen daher oftmals ihre Fahrten so, dass sie mehrere Besorgungen kombinieren können.

Am Nachmittag wollten wir ja noch Sally in ihrer Cabin besuchen. Sie wohnt mit ihrer Katze etwas außerhalb von Fairbanks. Die Hütte besteht aus zwei Räumen: eine untere Etage von ca. 18m² mit integrierter Küche und darüber ein Dachgeschoss als Schlafraum. Das Badezimmer verteilt sich auf dem Grundstück: Das Plumpsklo ist in einem kleinen Häuschen außerhalb untergebracht. Die Dusche im Garten hat wiederum ihre eigene freistehende Konstruktion aus Holz, Plastik und einem Vorhang und bietet über ein ausgeklügeltes Schlauchsystem sogar warmes Wasser. Auf dem Grundstück stehen viele Blumen und viel Krimskram, welcher weitere Projekte vermuten lässt. Wer so lebt muss einfach speziell sein und Sally ist eine sehr spezielle und liebenswerte Frau. Wir verbringen gemeinsam einen schönen Nachmittag und tauschen viele Geschichten aus. Am Abend fahren wir wieder zurück zu Anne & Will. Sie haben uns angeboten, dass wir länger bei ihnen bleiben dürfen, ohne dass wir gefragt haben.

Eine gute Adresse, um kostenfrei etwas über die Geschichte von Alaska und deren Einwohner zu erfahren, ist der Pioneer Park im Stadzentrum. Dort kann man einige alte Reliquien aus der Pionier und Gold Rush Zeit bestaunen. Unter anderem kann man dort die S.S. Nenana, einen alten Heckraddampfer (stern wheeler) besichtigen, mit dem die Orte entlang des Yukon Rivers versorgt wurden. Das Pioneer Museum gibt Einblicke in das Leben in Alaska im 19. und 20. Jahrhundert. In den Park wurden außerdem ganze Cabins und alte Häuser mit kompletter Inneneinrichtung versetzt, wie zum Beispiel das Haus von John Wickersham, einer bedeutenden Persönlichkeit für die Entwicklung von Fairbanks und Alaska. Wir haben mal wieder den Fehler gemacht nicht genügend zu Essen mitzunehmen und da der Hunger immer größer wurde wollten wir uns ausnahmsweise doch was kaufen. Stephan will sein Portemonnaie herauskramen doch er findet es nicht. Schon gleich hat er eine dunkle Vorahnung, denn nun dämmert es ihm: er hat es zuletzt auf dem Motorrad auf dem Parkplatz liegen sehen. Schnellen Schrittes machen wir uns auf den Weg dorthin. 2 Stunden lang lag es dort auf dem Präsentierteller mit Reisepass, Kreditkarte…  . Es lag immer noch da.

Am nächsten Tag machen wir uns auf die Suche nach Bremsbelägen für die Hinterradbremse. Der Staub und Matsch auf dem Dalton Highway hat diesen bei beiden Maschinen ganz schön zugesetzt. Uns wurde mehrfach gesagt diese Dinger gibt es überall, deswegen hatten wir nur ein Ersatzset mitgenommen, um auch Gewicht zu sparen. Pustekuchen – wir waren in 3 Läden, doch die Teile sind zu speziell, da unser Modell nicht in den USA verkauft wird. Die früheste Lieferung wäre in 4 Tagen. Wir beschließen uns selbst welche zu bestellen und per „General Delivery“ an das Postamt von Tok zu schicken, einer kleinen Stadt durch die wir durch müssen, um später Alaska zu verlassen. Ob das klappen wird?

Am nächsten Tag besorgen wir noch Zutaten für das Abendessen, welches wir Anne & Will zum Dank bereiten wollen. Anschließend fahren wir mit Anne gemeinsam Elke besuchen, einer deutschen Schlittenhunde- Halterin (Grönland Huskies), die seit Jahren die großen Weiten von „Alaska Interior“ mit ihren 16 Hunden genießt. Jeder Hund hat seinen eigenen Charakter und Elke muss sie gut im Griff haben, damit das Team funktioniert. In der Wildnis sind sie aufeinander angewiesen. Früher hat sie auch Touren für Touristen angeboten. Diese sind jedoch oftmals mit falschen Vorstellungen angereist. Die Prospekte der vermittelnden Reiseagenturen werben mit Fotos im Sonnenschein und lachendem Dog Sled Musher. Doch die schneereiche Jahreszeit in Alaska ist dunkel mit Temperaturen weit unter minus 20 Grad Celsius. Die Handhabung der Ausrüstung bei diesen Temperaturen ist schwere Arbeit und die Kälte führt bei ungeübten Laien mit meist unzureichender Kleidung zum Teil zu Handlungsunfähigkeit. Dies hatte sich der eine oder andere dann doch anders vorgestellt und so kam es häufig zu Frustration auf beiden Seiten. Zudem kamen oftmals gesundheitlich angeschlagene Gäste für die Elke verständlicherweise keine Verantwortung bei einer mehrtägigen Reise durch Eiseskälte mehr übernehmen konnte.

Im Anschluss an diese interessante Begegnung nimmt uns Anne mit zur University of Fairbanks, wo Will und Regine schon auf uns warten. Heute findet dort eine Präsentation von Highschool Schülerinen statt, welche eine Woche auf einem Gletscher unterwegs waren und nun von ihren Erlebnissen und Gelerntem berichten. Gespannt verfolgen wir die Vorträge und lernen so auch noch etwas über Gletscher und Lawinen.

Als wir nach Hause kommen, wollen wir gerade beginnen Abendessen zu Kochen, als wir feststellen, dass irgendetwas fehlt. Das Brot ist weg. Unter dem Tisch liegt eine leere Tüte, feinsäuberlich bis auf den letzten Krümel geleert. Wir müssen lachen und stellen uns vor, wie die beiden Hunde und Katzen sich über das gefundene Fressen hergemacht haben. Die Tüten mit der Salami und dem Schinken hingegen lagen unangetastet auf dem Tisch. Später am Abend genießen wir dann gemeinsam mit unseren Gastgebern am Kamin unsere Soljanka und das Bauernfrühstück.

Noch eine weitere interessante Person lernen wir am nächsten Tag kennen. Anne wollte uns die „Undergroundhouses“ zeigen. Wir fahren zu Rob, welcher uns gemeinsam mit seinem Enkel über sein Grundstück führt. Nach einem kurzen Fußmarsch finden wir uns plötzlich im „Auenland“ wieder. Rob hat in einen Hügel zwei Häuschen integriert. Neben und über den runden Eingangsbögen wächst saftiges Gras, so wie man es von den Hobbit Behausungen kennt. Wir dürfen mal hineinschauen und wieder fühlen wir uns wie im Film. Der unterirdische, gewölbeartige Innenraum ist erstaunlich hell, da auf der anderen Seite des Hügels große Fenster mit Blick auf ein Tal integriert sind. Wir waren an dieser Stelle schon beeindruckt, doch die Tour ist noch nicht zu Ende. Weiter unten im Tal hat Rob noch zwei weitere sehr individuelle Häuschen ins Erdreich integriert. Eine weitere Hütte hat er ausschließlich aus recyceltem Holz und anderen Materialien an anderer Stelle im Wald gebaut. Sie steht da wie gemacht als Filmkulisse für das russische Wintermärchen Hexe Babajaga. Rob beherrscht die Kunst natürliche Materialien gleichzeitig funktionell und harmonisch zu integrieren. So dienen Teile von Elchgeweihen als Türgriff oder bearbeitete Baumstümpfe als Möbel. Unten am See hat er noch eine Saunablockhütte gebaut. Selbst das große Wohnhaus der Familie ist sein eigenes Werk. Er ist kein Architekt oder Baukonstrukteur, sondern hat irgendwann einfach damit angefangen. Auf unsere erstaunten Blicke meinte er „der Unterschied zwischen einem Profi und einem Laien ist manchmal nur der, dass der Laie länger braucht.“

Zum Abschied lässt uns seine Frau noch eine Spezialität aus Alaska zukommen: geräucherten Lachs. Wir genießen ihn in den nächsten Tagen als Highlight zum Camping Dinner.

Aus einer Übernachtung wurden sechs und so haben wir einige schöne Tage in Fairbanks verbracht und die gemeinsame Zeit mit Anne und Will sehr geschätzt. Umso schwerer fällt der Abschied.

Vielen Dank Anne, Will und Sally für Eure Unterstützung und herzliche Aufnahme.


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