Powerfrau und Teufelsberg

Nach fast zwei Wochen bei Roger und Janet auf der Ranch, satteln wir wieder unsere Bikes. Gerne wären wir noch länger geblieben, aber die Zeit und auch der Winter sitzen uns im Nacken. Zum einen läuft Anfang Dezember unser Visa aus, und zum anderen rückt das kalte Wetter aus dem Norden immer weiter nach Süden. Unser Zielort heute ist Buffalo in Wyoming. Diese kleine historische Westernstadt liegt etwas mehr als 200 Meilen südöstlich unserer derzeitigen Position. Zu den rund 4.000 Einwohnern zählen auch Lou und Brent Braten, unsere nächsten Gastgeber.

Mehrere Routen führen uns zu unserem Ziel, aber da wir eine Schlechtwetterfront erwarten, entscheiden wir uns den Weg über den Bighorn National Forrest zu meiden und fahren nahezu die gesamte Strecke auf den vielbefahrenen Highways. Für etwas Abwechslung in dieser eintönigen Fahrt sorgt der Besuch beim Little Bighorn Battlefield National Monument. An diesem historischen Ort wurde am 25. Juni 1876 George Armstrong Custer und sein Kavallerieregiment von Indianern der Arapaho, Cheyenne und Lakota-Sioux unter der Führung von Sitting Bull, Crazy Horse und Gall besiegt. Die war einer größten Siege der Indianer gegen die U.S. Army. Die Grabsteine stehen heute an den Orten, an denen die Soldaten und Custer gefallen sind.
Ein kurzer Film im Informationscenter zeigt uns anschaulich den Hergang der Schlacht, aber beleuchtet ebenso wie es dazu gekommen ist. Sicherlich hatten wir in der Vergangenheit schon davon gehört, aber hier zu stehen und die Geschichte so detailliert und anschaulich erzählt zubekommen ist schon etwas anderes. Generell erkennen wir zunehmend, wie elend den Indianern in dieser Zeit mitgespielt wurde und sind erstaunt, dass dies in der Geschichte der USA nur noch so wenig Beachtung findet.

19.30 Uhr erreichen wir endlich Buffalo und werden von Lou und Brent herzlichst willkommen geheißen. Lou ist die Mutter von Gail und ist mit ihren 90 Jahren noch extrem fit, was sie uns am nächsten Morgen (Dienstag, 9. September) bei einem Besuch im örtlichen Schwimmbad eindrucksvoll beweist. Gemeinsam mit ihr machen wir einige Übungen, die auch unseren Körpern sehr gut tun. Im Schwimmbad werden wir von Ed für Mittwoch zum Mittagessen mit seiner Frau eingeladen. Brent ist einer der jüngeren Brüder von Gail und verköstigt uns mit seinen leckeren selbstgemachten Bagels, die durch das Gewürz Tumerick einen besonderen Geschmack erhalten. Gemeinsam mit ihm gehen wir zur örtlichen Post, da wir endlich mal ein Paket in die Heimat schicken wollen. Einige Erinnerungsstücke und selten gebrauchte Kleidung, wie das Thermo-Futter der Motorradkleidung sollen endlich aus unserem Gepäck verschwinden, um mehr Platz für wichtigere Dinge zu haben. Aber ein Paket nach Deutschland zu schicken ist gar nicht so einfach wie gedacht. Die Zollbestimmungen haben es echt in sich, ganz zu schweigen von den horrenden Versandkosten. Wenn man nicht richtig aufpasst, kann man schnell mal 180 Dollar für ein circa 2,5kg schweres Päckchen loswerden. Der lokale Postbeamte ist alles andere als hilfreich. Im Gegensatz zu unseren bisher gemachten Erfahrungen in den USA ist hier der Servicegedanke ein absolutes Fremdwort.

Am Mittwochmorgen steigern wir gemeinsam Lou abermals unsere Fitness und lassen es uns im Schwimmbad gutgehen. Es tut mal wieder richtig gut den gesamten Körper etwas zu fordern. Richtiger Sport kommt auf der Reise viel zu kurz, aber das liegt meistens an uns selbst. So vergeht der Vormittag wieder viel zu schnell. Mittags fahren wir zu Ed und Brenda zu ihrem Haus am See und lassen uns mit einem europäischen Mittagessen verwöhnen. Leckere Pizza und ein schmackhafter Salat füllen unseren Energiehaushalt, ebenso wie die selbstgebackenen Kekse nach extra deutschem Rezept. Am Abend schauen wir uns gemeinsam mit Lou und Brent einen weiteren Teil der Dokumentarserie „How the West was lost“ an und erweitern unseren Einblick in die amerikanische Geschichte.
Sprichwörtlich über Nacht ereilte uns eine „weiße Überraschung“ – 28cm Schnee warten draußen auf uns. Zum Glück stehen unsere Motorräder in der großen und geräumigen Garage. Und zum Glück müssen wir bei dem Wetter nicht auf der Straße sein. Dafür heißt es aber den Schnee von den Bäumen zu klopfen, da unter dem Gewicht die Äste reihenweise abbrechen. Auch die Feuerwehr geht dieser Betätigung nach, da scheinbar einige Äste auf die Stromleitung gefallen sind. Dies ist dann wohl auch der Grund, warum wir ohne Strom sind. Nachdem wir die Bäume von ihrer unerwarteten Last befreit haben, konnten wir uns eine Schneeballschlacht im Garten nicht verkneifen. Doch plötzlich bricht unter lautem Krach ein dicker Ast von einem Baum, der direkt am Haus steht, ab und fällt in den Garten, unweit von uns. Das war ein guter Schreck, aber nichts ist passiert, weder Haus noch uns. Lou lädt uns später zu einem Besuch ins Jim Gatchell Memorial Museum ein. Die kurze Geschichte Amerikas zieht uns besonders mit ihren Cowboy-, Abenteurer- und Pioniergeschichten in ihren Bann. Natürlich haben wir auch zu Hause schon mal den einen oder anderen Western gesehen, aber nun wo wir hier sind, wirkt das alles viel intensiver auf uns. Das Museum ist recht klein, aber dennoch interessant. Klar ist unsere Reise nicht mit den Abenteurern und Pionieren der damaligen Zeit zu vergleichen, aber gewisse Parallelen gibt es manchmal. Auch wir wissen oftmals nicht, was uns am kommenden Tag erwarten wird und haben gelegentlich Strecken zu meistern die es in sich haben. Im Anschluss zeigt uns Lou ihre ehemalige Arbeitsstelle im örtlichen Krankenhaus. In diesem modernen Gebäude kennt sie nahezu jeder und begrüßt uns sehr freundlich. In so einem eher kleinen Ort, hätten wir eine solch gut ausgestattete Einrichtung nicht erwartet. Hier hat man uns gegenüber (in Deutschland) echt etwas voraus. Nach einem kurzen Besuch im historischen Occidental Saloon lassen wir den Abend mit dem amerikanischen Western Tombstone aus dem Jahr 1993 ausklingen. Mittendrin meint Lou, dass wir für den morgigen Tag zwei Möglichkeiten haben. Entweder wir machen nichts und entspannen oder wir machen uns auf den Weg nach Mount Rushmore. Wow – Die Frage haut uns fast um. Ungläubig schauen wir uns an, denn zum einen haben wir ja Mount Rushmore zu Gunsten einiger Tage mehr bei Roger und Janet von unseren Zeitplan gestrichen und zum anderen reden wir hier von einem Eintagestrip mit circa 860km Fahrerei, den uns die 90igjährige Lou vorschlägt.

Lange überlegen müssen wir nicht, so starten wir zeitig am Freitagmorgen mit Lou und Brent zu diesem Ausflug. Unterwegs schauen wir uns auch noch den Devils Tower an. Dieser 265m hohe Fels hebt sich stark von seiner Umgebung ab, denn quasi senkrecht gehen die Felswände empor und um ihn herum befinden sich nur ebene Flächen. Keine weitere Erhöhung ist weit und breit um diesen mysteriösen Felsen zu sehen, sodass selbst Forscher nur ungefähr vermuten können, wie die Entstehung dieses Gebildes abgelaufen ist. Nach der Umrundung des Felsens geht es weiter zu einem der Wahrzeichen der USA schlecht hin – Mount Rushmore. Es wird kein Eintritt für den Besuch dieses Wahrzeichens verlangt, doch werden uns erst mal 11 Dollar Parkgebühren abgenommen. Ich weiß nicht wie oft wir diese Gesichter in Filmen und auf Fotos gesehen haben, aber umso größer sind auch unsere Erwartungen an diese gewaltigen Porträtköpfe. Aber wie es manchmal so ist, können die vier Herren nicht mit unseren Erwartungen mithalten. Die Filmmacher und Fotografen haben gute Arbeit geleistet und haben uns ein deutlich imposanteres Bild dieser Köpfe vermittelt. Nun wo wir es live sehen kommt uns dieses Kunstwerk deutlich kleiner vor. Eindrucksvoll ist diese Arbeit aber dennoch. Dargestellt sind von links nach rechts die Präsidenten George Washington (1. US-Präsident), Thomas Jefferson (3.), Theodore Roosevelt (26.) und Abraham Lincoln (16.). Auf dem Rückweg machen wir noch mal einen kurzen Stopp und schauen uns die Milchstraße an, da wir hier fernab großer Städte sind und es hier nur wenig Lichtverschmutzung gibt. Dann geht es aber schnell weiter nach Buffalo.

Am nächsten Tag kommt Roger (der Sohn von Lou) zu Besuch und bringt „etwas“ Beef vorbei. Auf der Ladefläche seines Trucks liegen mehrere große Säcke mit den „Beef-Portionen“. Es ist etwa die Hälfte einer der Kühe von Katie, die für den Eigenbedarf geschlachtet wurde. So viel Beef haben wir noch nie in einer Kühltruhe gesehen, nicht einmal im Supermarkt. Wir freuen uns, dass wir noch ein wenig mit Roger sprechen können und lassen einige Erinnerungen von den Tagen bei ihm wieder aufleben.
Sonntag machen wir uns mit Lou auf einen besonderen Ausflug – es geht zum Crazy Woman Canyon. Durch den Schnee ist die ohnehin schon anspruchsvolle Strecke durch den Canyon matschig und noch schwieriger zu befahren, aber Lou meistert diese Strecke, als ob sie dies jeden Tag machen würde. Dies ist dann auch unsere letzte Unternehmung in Buffalo, denn am Montagmorgen fahren wir weiter, um den immer näher rückenden Winter zu entgehen.

 


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