Schade, der letzte Braten
10. -14.10.2014
Mit Utah sind wir immer noch nicht ganz fertig. Es verbleibt uns noch St. George zu besuchen, die Stadt im Südwesten des Bundesstaates, in welcher Ben, ein Neffe von Gail wohnt. Bereits bei seiner Oma in Buffalo Wyoming hatten wir mit ihm telefoniert und ein Wochenendbesuch bei ihm ausgemacht. Es ist nun Freitag und mit dem $15 Prepaid Handy, welches wir uns extra für die USA für solche Situationen besorgt hatten, rufen wir ihn 45min vor unserer Ankunft in St. George an. Er ist gerade auf Arbeit, nimmt sich jedoch extra Zeit nach Hause zu kommen, um uns in sein Apartment zu lassen.
Er flitzt durch das Haus, zeigt uns unser Zimmer, gibt uns eine neue Decke, die er eben noch schnell gekauft hat, erklärt uns wo wir was finden und das wir in der Küche alles benutzen und essen können was wir mögen. Zunächst kehrt er auf Arbeit zurück, sodass wir Zeit haben, uns nach 25 Tagen Camping wieder an ein Dach über dem Kopf zu gewöhnen und mit richtig warmem Wasser zu duschen. Auch unsere Socken können wir endlich richtig waschen, obwohl wir sie auch zu Selbstverteidigungszwecken weiter hätten nutzen können.
Ben ist Anfang 30, topfit, immer in Bewegung und hat immer etwas zu tun. Er gehört zu den Menschen die alles geben. Am Dixie State College ist er als Tutor für die Studienfächer Foto- und Film tätig und ist selbst am Wochenende für seine Studenten da. In den nächsten Tagen möchte uns Ben die Umgebung der Stadt zeigen, die mit viel schöner Wüstennatur auf uns wartet.
Am Samstag fahren wir früh morgens los zu unserer ersten Wanderung zu den Petrified Sanddunes (versteinerte Sanddünen). Wir müssen schauen, dass wir Bens schnellem Schritt folgen können. So springen und klettern wir also über Steine und Felsen, deren Kulisse sich hervorragend für Fotos eignet. Optimal für uns, denn Ben ist ein sehr versierter Fotograf und somit entstehen einige schöne Bilder, auf denen wir beide gemeinsam zu sehen sind. Auf dem Rückweg passieren wir die Stadt Kayenta, eine Community mit millionenschweren Wohnhäusern, die alle mit ähnlicher Architektur unscheinbar in die Wüstenlandschaft integriert sind.
Zum Frühstück halten wir in der Umgebung an einer kleinen Pie Bakery. Schon beim Betrachten der Kuchen im Schaufenster läuft uns das Wasser im Mund zusammen. Um möglichst viele Geschmacksrichtungen auszuprobieren, teilen wir uns fünf Kuchen – Pekanuss, Rhabarber-Erdbeer, Pfirsich, Pumpkin (Kürbis) und Cocos, die so gut schmecken, dass wir alles an Ort und Stelle vernichten. Nach einer halben Stunde Schlaraffenland rollen wir weiter zum Snow Canyon State Park. Sandsteinklippen und versteinerte Lavaströme formen hier die Landschaft und lassen uns wieder einmal über die Vielfältigkeit Utahs staunen. Später zeigt uns Ben noch die Cougar Cliffs: Sandsteinklippen auf denen wir herumklettern können und eine schöne Aussicht auf die Stadt in der Ferne haben. Am Abend schauen wir uns den Westernklassiker „The Searchers“ mit John Wayne an, was nun noch mehr Spaß macht, da wir einige Filmkulissen des Wilden Westens, wie das Monument Valley, bereits selbst gesehen haben.
In dem Fotostudio am College, in dem Ben arbeitet, haben wir ein Bild von einem Fotoshooting bei einem kleinen Wasserfall in einem Canyon gesehen. Auf unsere Nachfrage hin wo das sei, schlägt uns Ben vor, dort hin zu wandern. Allerdings müssten wir lange Zeit durch einen Fluss waten, was ohne Neoprenschuhe recht kalt ist. In den USA haben die großen Geschäfte auch sonntags offen, sodass wir in einem Sportladen nach billigen Neoprensocken suchen. Doch billig gibt es diese nicht, so versuchen wir es mit Merino-Wollsocken. Das hört sich erstmal komisch an, doch sie sollen zumindest etwas Isolation geben. Am Ausgangspunkt unserer Wanderung durch den Kanarra Creek ist es durch den Wind recht frisch, sodass wir schon überlegen ob es so sinnvoll ist, länger durch einen kalten Fluss zu wandern. So schlimm wie kaltes Gletscherwasser wird es schon nicht sein, also auf geht es. Mit unseren Sandalen und Merino-Socken an den Füßen, suchen wir uns immer den möglichst schnellsten Weg von Stein zu Stein durch das kühle Nass, während Ben mit seinen Neoprensocken fast ständig im Wasser steht um Fotos zu machen. Durch das bunt leuchtende Herbstlaub ist die Atmosphäre im Canyon besonders schön. Nach einer halben Stunde erreichen wir den Wasserfall mit der kleinen Leiter nebenan, jenes Motiv welches wir auf dem Foto gesehen hatten. Wir klettern die kleine Stahlleiter hinauf weiter in den Canyon und kommen zu einer kleinen Plattform, auf der wir Rast machen. Die Füße schmerzen schon etwas, sodass wir sie im Sonnenlicht aufwärmen. Schließlich müssen wir noch den ganzen Weg durch das Wasser zurück laufen. Am Ende hat Ben sogar mit seinen Neoprensocken ordentlich zu tun und spürt seine Zehen kaum noch, da er deutlich länger im Wasser stand als wir. Die Merinosocken sind zwar durchnässt, doch sobald man aus dem Wasser raus ist, halten sie die Füße etwas warm.
Zum späten Mittagessen bereiten wir unseren „Spezial-Feta-Grill-Käse“ zu, denn meistens kochen wir zumindest einmal Essen für unsere Gastgeber. Zusammen mit dem gegrillten Lachsburgern ist es ein wahres Festessen. Gut gestärkt brechen wir auf zur zweiten Wanderung des Tages, zu einer weiteren Sand- und Steinwüste. Man könnte nun denken, schon wieder Sand und Stein, wird das nicht langweilig? Nein ganz und gar nicht und uns überrascht es mittlerweile auch nicht mehr, dass wir hier in Utah wieder auf eine andersartige Umgebung stoßen, die sich von dem unterscheidet, was wir bisher gesehen haben.
Am Montag legen wir einen „Home Office“ Tag in Bens Wohnung ein, während er arbeiten ist. Zum Abend hin fahren wir gemeinsam zur Mojave Desert, wobei uns allein die Anfahrt durch einen großen Canyon, untermalt durch Filmmusik im Auto, besonders Freude macht. Die Mojave Desert erstreckt sich mit 35.000 qkm über Teile Utahs, Arizonas, Nevadas und Kaliforniens und umfasst dabei auch Las Vegas, das Death Valley und den Joshua Tree Nationalpark bei San Diego. Hier in der Nähe von Sankt George, gibt es einen Abschnitt mit überdurchschnittlich vielen Joshua Trees. Genau das möchte uns Ben zeigen und so genießen wir unseren letzten Abend mit Ben beim Sonnenuntergang zwischen den skurrilen Formen dieser Agavengewächse, welche nur im Gebiet der Mojave Desert zu finden sind.
Damit ist unsere Zeit mit Ben zu Ende. Wir haben uns bei ihm sehr wohl gefühlt und konnten uns mit ihm über viele Themen wie Fotografie, Familie, Religion, das Leben in St. George und Weiteres austauschen. Für unseren nächsten Besuch sollen wir klettern lernen, damit wir noch spannendere Wanderungen unternehmen können.
Ben ist der Letzte der Familie Braten (der Familie von Gail aus Anchorage) den wir besuchen. Seine Eltern haben ihm den zweiten Vornamen „Schade“ gegeben, da sie aufgrund der Herkunft des Urgroßvaters einen deutschen Namen integrieren wollten und sich dieses Wort in englischer Aussprache gut anhörte. Doch als Ben nachforschte, was es eigentlich in deutscher Sprache bedeutet, war er nicht sonderlich begeistert. Wir sagen jedoch in dem Fall für uns: Schade, der letzte Braten.
Posted in USA by Ulli