Ecuador – Mitad del Mundo – Bis zur Mitte der Welt

25.09.-12.10.2015
 
Nach zwei Wochen Fahrpause sind wir nun wieder auf der Straße unterwegs. Das Schöne beim Fahren von weiten Strecken ohne viel Verkehr und durch wenig besiedelte Gegenden ist, dass man seine Gedanken schweifen lassen kann. Man fühlt sich einig mit sich und der Umgebung, gleichzeitig als Beobachter und Erlebender. Man kann einfach nur den Moment genießen oder verarbeitet Dinge, die in der letzten Zeit passiert sind. Oftmals schießen uns auch neue Ideen in den Kopf. Besonders unter dem Einfluss von neuen Eindrücken bei gleichzeitiger Gedankenfreiheit scheint das menschliche Gehirn kreativ zu sein und ist offen dafür inspiriert zu werden.
 
Von unserem Freund Jorge aus Cali (Kolumbien), haben wir den Tipp bekommen nach Mindo zu fahren. Dort könnten wir auf einer Lodge als Gegenleistung für eine Unterkunft arbeiten. Im Vorfeld haben wir also die „Pura Vida Climb Lodge“ kontaktiert und man hat uns gesagt wir können gerne vorbeikommen. Auf der Fahrt von Mompiche nach Mindo kommen wir in Regen und so dichten Nebel, dass wir mit Warnblinker fahren. Leider kommen viele Einheimische nicht einmal auf die Idee, das normale Licht anzumachen, vom Nebelscheinwerfer ganz zu schweigen. So können wir nur hoffen, dass wir von den anderen gesehen werden. Man weiß bei solchem Nebel auch nie so recht ob man mit Visier offen oder geschlossen fahren soll. Lässt man es oben, wird es kalt im Gesicht und man muss die Augen ständig zukneifen. Lässt man es geschlossen bildet sich eine undurchsichtige Tröpfchenschicht die man durch Wegwischen nur verschmiert.
 
Endlich in Mindo angekommen, treffen wir zunächst auf unseren Reisefreund Ingo, der schon in einem Hostel eingecheckt hat. Wir machen uns zunächst auf die Suche nach der „Pura Vida Climb Lodge“. Camilo ist der Inhaber der Lodge und selbst begeisterter Motorradfahrer. Er nimmt uns herzlich auf und stellt uns mehrere Optionen zur Auswahl, wie wir die Arbeitstage und Unterkunft gestalten. Wir entscheiden uns für die kleine Gartenhütte als Unterkunft und werden dafür halbtags unsere Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Da wir noch auf Joey und Daniel warten, die noch in Kolumbien sind und mit denen wir eine Tour durch den Amazonas machen wollen, haben wir noch circa eine Woche Zeit.
 
Der nächste Tag ist ein Samstag und wir werden sofort in die Geschehnisse eingebunden. Die Lodge ist ein größeres Gelände mit Garten, Kletterturm, Lagerfeuerstellen sowie vereinzelten Unterkünften und Möglichkeiten zum Zelten. Camilo, der Inhaber hat sich darauf spezialisiert, Gruppen zu empfangen, die hier Erlebnistage verbringen. Es gibt Angebote sowohl für Kinder als auch für Erwachsene im Rahmen von Team Building-Seminaren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Kletteraktivitäten. An diesem Wochenende findet ein Vater-Sohn-Event statt. Circa 18 Väter aus der Hauptstadt Quito kommen gemeinsam mit ihren Söhnen und wollen beschäftigt und verköstigt werden. Wir kamen scheinbar zur rechten Zeit an, denn Camilo fehlten tatsächlich zwei Leute, um das alles zu bewerkstelligen. Startzeit ist um 9:30 Uhr angegeben. Um 11 Uhr sind dann endlich alle Gäste da. Selbst der Verlust von wertvoller Zeit, für die sie im Rahmen des Events bezahlt haben, scheint die Ecuadorianer nicht zum pünktlich sein zu motivieren. Damit es alle rechtzeitig zum Mittagessen zurück schaffen, geht es auch schon sofort los zum ersten Programmpunkt: Eine Wanderung durch den tropischen Wald mit Kletterpassagen über Felsen und Baumstämme. Wir sind die Teambetreuer und sollen die Gruppe zusammenhalten. Wir merken sofort dass wir es mit Stadtkindern zu tun haben. Einige sind mehr besorgt um ihre Schuhe und Kleidung als dass sie Spaß am Klettern hätten. Auch ist es interessant zu sehen, wie die Jungs, deren Väter nicht sofort helfend eingreifen, deutlich besser vorankommen, als diejenigen, denen jeder Schritt versucht wird möglichst leicht zu machen. Am Ende kommt ein langer steiler und glitschiger Felsen, den alle hinauf und wieder hinunter müssen. Während einige Jungs ohne großes Zögern zu klettern beginnen, stehen anderen vor Angst schon fast die Tränen in den Augen. Das waren die mit den coolsten Schuhen, es ist also überall gleich auf der Welt ;-) Beim Aufbau der Zelte sind einige Väter dankbar über unsere Mithilfe. Einige haben zum ersten Mal in ihrem Leben ein Zelt aufbauen müssen und waren in dem Gewirr aus Schnüren und Stangen entsprechend verzweifelt.
 
Zum Mittagessen helfen wir beim Catering, bevor es nachmittags zum Watertubing in einem nahegelegenen Wildwasserfluss geht. Sechs Schläuche sind dabei um einen weiteren Schlauch in der Mitte zu einem Ring zusammengebunden. Bis zu sechs Leute können in den Zwischenräumen Platz nehmen. Ein Guide manövriert uns so den Fluss hinunter. Bei der wilden Abfahrt werden wir von oben bis unten durchnässt. Mehrmals donnern wir gegen größere Felsen und quetschen uns durch strömungsstarke Engpässe. Die Schläuche fangen alles ab und verformen sich gegeneinander so, dass wir durch jedes Hindernis auf das wir zurasen durchkommen, auch wenn es zunächst nicht danach aussieht. Unter vollem Körpereinsatz zerrt der Guide halb im Wasser stehend an den vollbesetzten Gummiringen, wenn wir doch mal irgendwo festhängen. Die Guides tragen weder Helme noch Schwimmwesten, haben Jeans an und tragen dünne Schuhe. Sie sind äußerst geschickt, doch einen Fehler dürfen sie sich nicht erlauben, wenn sie sich dabei nicht verletzen wollen. Solange alle „im Boot“ bleiben, ist es jedenfalls ein Riesenspaß.
 
Nach dieser Aktion sind alle Beteiligten müde und wir werden alle auf der Ladefläche von Pickups zurück zur Lodge gebracht. Wieder eine Sache die in Deutschland ohne Strafanzeige nicht möglich wäre. Zurück bei der Lodge helfen wir beim Catering für das Abendessen und fallen nach dem Lagerfeuer gegen 22 Uhr todmüde ins Bett. Am nächsten Morgen geht es weiter mit Klettern am Kletterturm. Da in der Küche eine Person fehlt, lass ich mich dazu breit schlagen dort auszuhelfen, während Stephan am Kletterturm hilft. Nach dem Mittagessen warten Berge von Abwasch auf uns. Am Nachmittag reisen die Eventteilnehmer ab und wir sind noch etwas mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Wir sind froh dass wir Camilo und seinem kleinen Team helfen konnten.
In der Woche werden keine weiteren Gäste erwartet und so widmen wir uns in den nächsten Tagen typischen Gartenarbeiten mit der Machete, wie zum Beispiel Hecken schneiden und Bananenbäume von vergammelten Blättern befreien. Das Arbeiten mit der Machete macht irgendwie Spaß, besonders wenn sie frisch geschärft ist. Damit lässt sich die Hecke gut bearbeiten und durch die Bananenblätter geht sie wie Butter.
 
Zum Mittagessen fahren wir mit den Motorrädern in die Stadt und probieren einen Quinoa-Burger. Quinoa ist eine Körnerfrucht, die besonders von den Inka in der Andenregion als Grundnahrungsmittel genutzt wird. Die hirsegroßen Samen mit brauner bis weißer Färbung haben einen hohem Eiweiß- und Mineralstoffgehalt. Der Restaurantbetreiber experimentiert gerade mit Rezepten und bittet uns um unsere Meinung nachdem er uns zwei Varianten seiner Burger Bratlinge zum Verkosten gibt. Es schmeckt nicht schlecht, Stephan bevorzugt jedoch weiterhin ein saftiges Stück Fleisch im Brötchen. Für mich wäre es eine gelungene Alternative, wenn man auch noch an die positive gesundheitliche Wirkung von Quinoa glaubt. Viel lieber ist mir allerdings, dass er uns zum Probieren seiner selbst kreierten Eissorten einlädt. Die sind unglaublich gut, besonders die Ingwer-Maracuja-Chili-Variante und wir müssen in den nächsten Tagen noch einige Male hier vorbeikommen. Im Gegensatz zu den meisten Essensangeboten im Land, macht sich hier jemand mal Gedanken, die über die typischen einfallslosen Reis-mit-Hühnchen Gerichte hinausgehen.
 
Nach einem weiteren Tag im Garten gehen wir Ingo besuchen, der sich zwei Kilometer weiter ein Hostel genommen hat. Dort verbringen wir den Abend im Jacuzzi, eine wahre Wohltat nachdem wir den ganzen Tag die Machete geschwungen haben.
 
Bei Mindo gibt es ein Mariposario (Mariposa ist das spanische Wort für Schmetterling). Hier in den tropischen Regionen haben wir schon öfter mal die großen blauen Schmetterlinge gesehen, die aber schon wieder verschwunden sind, sobald man sie erblickt hat. Vielleicht treffen wir sie hier aus der Nähe an. Vor dem Betreten des Hauses halten uns zunächst die vielen Kolibiris auf, die um eine Nektarstation schwirren und ganz aus der Nähe zu betrachten sind, während sie den süßen Stoff aufsaugen.
 
Das Schmetterlingshaus versteht sich nicht nur als Besucherattraktion sondern auch als Aufzucht- und Forschungseinrichtung für die beliebten Insekten. In mehreren Stationen können wir die vier Stadien des Lebenszyklus eines Schmetterlings live betrachten: Ei, Raupe, Puppe und Falter. Die Eier haben skurrile Formen und Farben, zum Teil glänzen sie golden.
Besonders spannend ist jedoch die „Geburt“ eines Falters, wenn er sich aus der Puppe herauswindet und sich seine Flügel entfalten. Die Metamorphose von der Raupe zum Falter ist sehr komplex und grenzt an ein kleines Wunder.
 
In dem großen Raum fliegen hauptsächlich große Bananenfalter umher. Wenn man sich etwas süßen Bananensaft auf die Finger streicht, kann man sie aufnehmen oder sie kommen von sich aus angeflogen und lassen sich auf Kleidung und Rucksäcken nieder. Auch dem blauen Schmetterling begegnen wir hier, der es uns aber immer noch schwer macht, ihn auf Fotos abzulichten.
 
In Mindo lernen wir noch den Motorradreisenden Mauro kennen. Ingo hat ihn in Kolumbien kennengelernt und nun ist er zufällig in der Nähe. Mauro ist halb Italiener, halb Äthiopier und nutzt seinen Überschussurlaub um mit seiner KTM 990 Adventure Südamerika zu bereisen. Er arbeitet als Logistikmanager beim Internationalen Roten Kreuz (IRC). Die Hauptaufgabe des IRC ist, die Einhaltung von Menschenrechten in Kriegsgebieten zu kontrollieren. Die Institution hilft bei der Freilassung von Geiseln und unterstützt bei humanitären Katastrophen, Flüchtlingskrisen und überwacht die Einhaltung von Bedingungen für Kriegsgefangene. Mauro hat daher viele interessante Geschichten zu erzählen. Mit ihm und Ingo verbringen wir die nächsten Tage. Gemeinsam brechen wir auf nach Lloa, einer Kleinstadt nahe Quito. Unser Ziel ist ein nahegelegener Vulkankrater zu dem man hinauffahren kann. Ingo war vor einigen Tagen schon mal dort und will uns diesen Ort zeigen. Während wir uns in einem „Comedor“ (Straßenrestaurant) mal wieder Reis und Huhn zuführen, können wir aus der Ferne beobachten wie sich eine kleine Menschentraube um die Motorräder bildet. Eltern setzen ihre Kinder auf den Sitz um Fotos zu machen. Als wir später unten ankommen müssen auch wir als Fotomotiv herhalten. Die meisten fragen freundlich und dann machen wir gerne Fotos mit ihnen. Doch es gibt immer wieder Leute die denken, dass wir dazu verpflichtet sind, neben den Motorrädern zu posieren und in die Kamera zu schauen. Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass Leute versucht haben, uns mit Handzeichen zu verstehen zu geben, wir sollen uns doch dort oder da hinstellen, ohne sonst ein Wort mit uns zu wechseln. Auf solche Begegnungen haben wir wenig Lust. Genauso wenig wie darauf, wenn uns Leute mit „wieviel kostet das Motorrad?“ ansprechen, ohne vorher wenigstens „Hallo“ zu sagen.
 
Wir schlagen unser Lager auf der Wiese im Hinterhof einer Hacienda auf und machen uns am nächsten Morgen ohne Gepäck auf den Weg zum Krater. 16 Kilometer geht es eine sandige Dreckstraße hinauf. Fahren im Sand ist nicht gerade unsere Lieblingsbeschäftigung. Aber im Endeffekt ist es ein gutes Training, um unser fahrerisches Können zu verbessern. Besonders die letzten Kilometer haben es in sich, da es zum Teil sehr steil in engen Kurven bergauf geht. Circa 100 Meter vor Erreichen des Zieles erwischt es mich dann doch. Ich bleibe im tiefen Sandloch stecken und das Motorrad fällt auf die Seite während ich abspringe. Dabei bricht leider der rechte Rückspiegel ab. So ein Mist. Fast sturzfrei geschafft und dann so etwas. Auf 4550 Metern angekommen kann ich mich nicht lange ärgern, denn hier oben bleibt einem fast die Luft weg. Die letzten 200 Meter bis zum Krater müssen wir zu Fuss weiter. Bei dem Anstieg in der Höhe ist jeder Schritt wohlüberlegt und der Weg erscheint mir ewig lang. Endlich sind wir auf 4650 Metern Höhe angekommen und mein Körper hat keine Lust mehr auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Leider ist hier oben alles voller Nebel und wir können nicht in den Krater hineinschauen. Für uns hat es sich dennoch gelohnt, denn ab und an haben wir durch die Wolkendecke einen schönen Blick auf Quito und das Umland. Außerdem ist es für uns ein neuer Höhenrekord, wir haben unsere Fahrtechnik deutlich verbessert und die Angst vor dem Sand etwas eingedämmt. Die Abfahrt wird mindestens genauso spannend, denn das Vorderrad lässt sich auf einer sandigen Bergab-Kurve nicht sonderlich gut manövrieren.
 
Zum frühen Nachmittag sind wir wieder im Dorf und finden am Marktplatz noch Gelegenheit zu einem Almuerzo (Mittagessen). Den Nachmittag verbringen wir mit kleineren Wartungsarbeiten und organisatorischen Dingen. Am Abend gehen wir zum Einkauf ins Dorf. Ein Kleinbus muss sich unbedingt noch schnell an uns vorbeiquetschen und erwischt dabei mit dem Seitenspiegel Mauros Schulter. Wie blöd kann man eigentlich sein, zum Glück ist nichts weiter passiert. Die Fahrweise nach dem Prinzip „vielleicht klappt es ja noch“, oder „wenn ich die Augen zumache komme ich vorbei“ ist hier leider weit verbreitet. Die Einkaufslädchen hier geben leider nicht mehr viele Zutaten zum Kochen für 4 Personen her und im Straßenverkauf gibt es auch nichts mehr. Zu allem Überfluss ist heute Sonntag und es darf kein Alkohol, also auch kein Bier verkauft werden. Eine Verkäuferin erbarmt sich und verkauft uns vier Flaschen, mit der Auflage, dass wir sie gut im Rucksack verstecken und das Leergut wieder zurückbringen. Wir finden noch eine alte Paprika und etwas Schinken und können uns so aus unseren restlichen Beständen noch ein Gericht mit Reis kochen, was uns alle einigermaßen satt macht. Nach einem Lagerfeuer verbringen wir eine recht kalte Nacht im Zelt. Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege, da Mauro mit einem strafferen Zeitplan gen Süden fahren muss. Es ist mal wieder ein schwieriger Abschied, haben wir doch einige schöne und interessante Tage miteinander verbracht.
 
Zum Glück haben wir ja noch Ingo, mit dem wir nun nach Papallacta zu den Thermalquellen fahren. Auf dem Weg dort hin müssen wir Quito durchqueren und nutzen die Gelegenheit schon mal nach Ersatz oder Reparatur für den abgebrochenen Spiegel zu schauen. Ingo hatte, als wir noch in Mindo die Machete geschwungen haben, bei dem Händler „Gasmoto“ nahe Quito seine Tenere wieder fit gemacht. Wir fahren dort vorbei, um zu schauen ob man uns dort auch in diesem Fall weiterhelfen kann, sie haben schließlich auch Teneres in ihrem Bestand. Zunächst prüfen wir im Onlinesystem, ob es Original Ersatzspiegel in Ecuador gibt, eine Überprüfung mit vorhersehbarem unbrauchbarem Ergebnis: Es sind zwar Teile im Land verfügbar, aber bei einem Preis von 60 USD keine Option für uns. Der freundliche Servicemitarbeiter hat andere Ideen. In der Nähe gibt es einen Ersatzteilshop, der vorwiegend chinesische Produkte verkauft. Kurzerhand nimmt er mich auf seiner KTM Adventure mit und wir düsen durch die Stadt. Bei besagtem Shop gibt es tatsächlich einen möglichen Ersatzspiegel aus China für circa 7 USD, der zumindest die Funktion erfüllen würde. Damit gibt sich der Gasmoto-Mitarbeiter aber noch nicht zufrieden. Er fährt mit mir weiter zu einem Mechaniker, der mit Fiberglas arbeitet und den Spiegel für 3 USD reparieren würde. Ich entscheide mich für diese Version. Wir fahren zurück zum Händler und gehen Mittagessen. Der Mitarbeiter holt danach den Spiegel wieder ab und sagt er will kein Geld dafür haben. Wir versuchen natürlich ihm trotzdem etwas dafür zu geben, doch er will es nicht annehmen. Unendlich dankbar für diese große Hilfe fahren wir weiter nach Papallacta.
 
Nach etwas Recherche vor Ort stellen wir fest, dass die Preise der Unterkünfte ganz schön happig sind und entscheiden uns dafür doch schon am nächsten Morgen weiter zu fahren. Der Plan war eigentlich am nächsten Tag mit Joey und Daniel hierhin zurück zu kommen, nachdem wir sie an der „Mitte der Erde“ einsammelt haben. Immerhin können wir einen Abend lang den unterkunftseigenen, vom Thermalwasser beheizten Pool nutzen und bringen unseren Kreislauf bis an die Belastungsgrenze. Nach 2 Stunden im Warmwasserbad sind wir jedenfalls wieder porentief rein und schlafen später wie Babys. Bei der „Mitad del Mundo“, also am Äquator, treffen wir wie verabredet Joey und Daniel wieder. Die Wiedersehensfreude ist groß und es gibt viel zu erzählen. Das letzte Mal, als wir uns alle fünf gesehen haben war in Guatemala. Am Äquatordenkmal „Mitad del Mundo“ (Mitte der Welt) machen wir einige Fotos und Daniel bringt gleich seine Drohne zum Einsatz, mit der er ein paar Aufnahmen mit uns und den Bikes auf der Äquatorlinie von oben macht. Da Papallacta zu teuer war, entscheiden wir uns nach einigen Überlegungen dazu, noch ein paar gemeinsame Tage in Mindo zu verbringen, bevor sich Ingo wieder auf den Rückweg nach Kolumbien macht. Er hat sich dazu entschieden seine Motorradreise nach mehr als vier Jahren zu beenden und doch nicht nach Ushuaia hinunter zu fahren. Wieder zurück in Mindo schlagen wir diesmal unsere Zelte auf der Nachbarwiese vom Jacuzzi auf. Mithilfe eines warmen Whirlpools lässt sich der traurige Abschied wenigstens gebührend feiern. Wir versuchen noch einige Male Ingo zur Weiterfahrt zu überreden, doch letztendlich hat er, wenn auch schweren Herzens, seine Entscheidung bereits getroffen. Er will sich erstmal auf berufliche Projekte konzentrieren und wird wahrscheinlich nach Südostasien gehen.
 
Wieder zurück in Mindo machen wir eine Großräumaktion unseres Ausrüstungsbestandes. Unsere Koffer sind eigentlich viel zu groß und wir haben zu viel Zeug dabei, was das Rangieren und Fahren im Gelände unnötig schwer macht. Mit der Hilfe von Daniel, der schon einige Motorradreisekilometer mehr als wir auf dem Buckel hat, sortieren wir nach dem Motto „was wir nicht brauchen, um aus der Wüste heraus und zurück in die Zivilisation zu kommen, brauchen wir nicht“, unser überflüssiges Gepäck aus. Als wir alles auf eine Plane legen, bemerken wir, dass wir zwei Zangen zu viel haben, den Wasserfilter brauchen wir hier in Amerika eigentlich auch nicht wirklich und anstelle der Ersatz-Zeltstangenhülsen kann man behelfsmäßig für ein paar Nächte auch etwas anderes nehmen. Im Prinzip geht es darum nur das mitzunehmen, was man täglich braucht oder um sich aus einer Notsituation zu retten. Das ist allerdings gar nicht so einfach abzugrenzen, denn man könnte theoretisch auch mit einem Messer und einem Feuerstein auskommen, um zumindest ein paar Tage zu überleben. Kamera und Laptop mit allen dazu nötigen Ladegeräten, Akkus und Speichermedien sind auch nicht überlebensnotwenig, aber weglassen wollen wir das natürlich nicht. Auch bei Werkzeugen ist es schwer abzuschätzen was man bei einer Reparatur benötigt, da es immer vom Schadensfall abhängt. Es ist auch besser 3 Paar Socken zu haben und vielleicht noch ein Paar extrawarme für kalte Nächte im Schlafsack, da wir nicht jeden zweiten Tag Wäsche waschen können. Etwaige Geschenke von Einheimischen können wir auch nicht entsorgen. Nach einigen Überlegungen haben wir dennoch 3-4 Kilo aussortieren können und wertvollere Dinge wie den Wasserfilter nach Hause geschickt oder brauchbare Gegenstände verschenkt. Dazu gehen wir nochmal Camilo in der Pura Vida Climb Lodge besuchen, um zu fragen ob er die Sachen gebrauchen kann. Dort findet gerade ein kleines Bikertreffen statt und wir lernen Andrés kennen, der uns dazu einlädt ihn in seiner Heimatstadt Santo Domingo zu besuchen, wo wir auch den dort noch lebenden Indianerstamm der Tsachilas besuchen könnten. Mehr dazu in einem späteren Beitrag.
 
Wir verabschieden uns schweren Herzens von Ingo, der nun wieder gen Norden fährt und machen uns gemeinsam mit Joey und Daniel auf den Weg nach Quito. Dort wollen wir eine Tour in das Amazonasbecken organisieren, da wir mit den Motorrädern nicht in den Wald beziehungsweise das Flusssystem hineinkommen. Wir finden mitten in der Hauptstadt durch einen Tipp anderer Reisender eine Möglichkeit zum Zelten im „Hostal Zentrum“, welches einem Deutschen gehört. Neben der vielbefahrenen Straße ist es zwar nicht der schönste Ort zum Zelten, aber dafür preisgünstig, praktisch und sauber. Übrigens bricht beim Aufbau eine der Zeltstangen, gerade einen Tag nachdem wir die Ersatzhülsen, 100km von hier, abgegeben haben. Es gibt manchmal komische Zufälle. Hier auf dem Hinterhof-Zeltplatz können wir unsere Bikes und das Zelt stehen lassen, während wir auf „Kurzurlaub“ in den Amazonas gehen. In einem örtlichen Reisebüro finden wir auch gleich das passende Angebot: eine 5-Tagestour mit 3 Tagen paddeln auf dem Rio Agua Rico. Zwei Tage später sitzen wir abends um 19:30Uhr mit Joey im Bus und fahren über Nacht bis hinter Nueva Loja (Lago Agrio) zum Cuyabeno Reservat.
 


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