Guagua Pichincha
19.-27.10.2015
Zurück in Quito kümmern wir uns zunächst um die Motorräder. Seit Mexiko schleppen wir nun schon die schweren Ersatzketten und Zahnräder mit uns herum. Wir hatten sie damals schon mit den Stoßdämpfern kommen lassen, denn wir dachten das Ritzel wäre bald am Ende. Doch so schnell ging es dann doch nicht und wir wollten nicht das Material verschwenden und zu zeitig wechseln. Jetzt, wo wir wissen, dass wir mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns haben und das Ritzel wirklich nicht mehr gut aussieht, entschließen wir uns für den Wechsel.
Dafür brauchen wir nur noch einen Arbeitsplatz und fragen bei dem KTM Händler GAS MOTO nach. Die Jungs dort hatten uns vor einiger Zeit mit dem abgebrochenen Spiegel geholfen und damals schon gesagt, dass wir jederzeit wiederkommen könnten wenn wir Hilfe brauchen. Da sie circa eine Stunde Fahrzeit außerhalb der Stadt liegen, rufe ich zunächst dort an, um in Spanisch zu erklären wer wir sind und was wir wollen. Sie haben mich sogar verstanden… alles klar, wir dürfen vorbeikommen. Am nächsten Tag packen wir alle Ersatzteile zusammen und fahren zu GAS MOTO nach Cumbaya. Sie haben dort Platz für uns in einer Ecke im Hinterhof unter einem Pavillon. Einer der Mechaniker heißt Christian, ein Deutscher. Er hilft uns aus, als zum Beispiel bei unserem Kettenietgerät gleich bei der ersten Anwendung der Dorn abbricht. Ärgerlich wenn ein 50€ teures Werkzeug nicht einmal seinen ersten Job macht. Schließlich war es auch für eine Notfallreparatur gedacht, falls uns in einer abgelegenen Region mal die Kette reißt. Immerhin haben wir nun eine weitere Gewichtseinsparung zu verbuchen. Des Weiteren erneuern wir die Bremsflüssigkeit und führen kleinere Wartungsarbeiten durch.
Mit der neuen Kette und den Zahnrädern sollten wir nun bis nach Patagonien und darüber hinaus kommen. Endlich sind wir auch die schweren Ersatzteile los und haben wieder mehr Luft in unseren Koffern.
Eines muss man noch getan haben, wenn man in Quito ist: mit dem Teleferico (Seilbahn) am Stadtrand hinauf fahren. Von dort oben ergibt sich ein atemberaubender Blick über die im Tal gelegene Stadt. In der Ferne erheben sich die Vulkane Cotopaxi, Cayamba und Antisana aus den Wolken. Hinter uns können wir den Guagua Pichincha erahnen, jener Vulkankrater, den wir mit Ingo und Mauro hinaufgefahren sind. Daniel und Joey wollten dort auch noch unbedingt hin und so ergibt es sich, dass wir in Kürze erneut nach Lloa aufbrechen.
Diesmal sollte der Besuch des Kraters eine Tagestour von Quito aus werden. Nach schneller Fahrt durch die Stadt geht es weiter bergauf bis wir wieder Lloa passieren. Das letzte Stück ist dieses Mal deutlich weniger sandig, da es in den letzten Tagen geregnet hat. Wieder erreichen wir die 4550 Meter hoch gelegene Schutzhütte, von der an es eigentlich nur zu Fuß weiter geht. Nicht für Daniel. Er ist fest davon überzeugt, dass wir die Bikes auch das letzte Stück, bis hin zum Kraterrand hinaufbekommen. Nach einigen Wegerkundungen und Diskussionen fangen wir an. Daniels 1200 GS zuerst. Wenn es mit dem schwersten Bike klappt, dann klappte es mit den anderen auch. Die schwierigste Stelle ist ein circa 15-20 Meter langer Pfad mit hoher Steigung, viel Sand, Geröll und einigen Felsbrocken an denen wir vorbei müssen. Für eine 250er Motocross Maschine sicherlich ein Kinderspiel. Für unsere 200kg-Geräte nicht ganz so einfach.
Wir erinnern uns, dass auf 4550 Metern Höhe die Luft sehr dünn ist und jeder Schritt, bereits ohne etwas tragen oder ziehen zu müssen sehr anstrengend ist. Hier haben wir nun vier Bekloppte, die ihre schweren Motorräder dort hinauf manövrieren, nur um dort oben vielleicht ein schönes Foto machen zu können, falls die Wolken es erlauben. Daniel hält das Motorrad und versucht mit etwas Gas zu unterstützen, wir anderen ziehen das Bike mit Spanngurten oder versuchen zu schieben. Das ganze vier mal. Im Nachhinein fragen wir uns, wie wir das überhaupt geschafft haben. In einer Gruppe gibt es wohl so etwas wie gegenseitige Motivation. Keiner will zuerst aufgeben, also zieht jeder durch.
Das restliche Stück können wir wieder fahren. Auf 4650 Metern angekommen, müssen wir uns alle zunächst eine Weile ausruhen. Doch lange kann man nicht herumliegen, denn der Wind hier oben ist unangenehm kalt. Leider will sich der Wolkennebel nicht verziehen, sodass wir nun zwar hier oben sind, aber keine Sicht haben. Die Anreise hat eine ganze Weile gedauert und so ist es nun schon nach dem Mittag, jener Zeit in der die Wolken kommen. War das nun alles umsonst? Die nächste verrückte Idee steht im Raum: Lassen wir doch die Motorräder über Nacht hier oben. Da es zu kalt wird und wir weder Schlafsäcke noch ausreichend Wasser und Essen dabei haben, müssten wir selbst zurück in die Stadt. Wir treffen auf zwei einheimische Wanderer und kommen mit ihnen ins Gespräch. Sie sind mit ihrem Pickup bis zur Schutzhütte gekommen und hätten Platz auf der Ladefläche für uns. Hm, sollen wir wirklich die Motorräder hier oben stehen lassen? Dass jemand hier heute noch hinaufkommt und vier Motorräder klaut ist äußerst unwahrscheinlich. Gleich in der Früh würden wir wieder herkommen und könnten die klaren Morgenstunden nutzen. Gesagt getan, so machen wir es. Wir finden für alle Bikes einen Platz an den Felsen oder am Hang, wo sie sicher stehen können. Mit etwas merkwürdigem Gefühl setzten wir uns in voller Motorradmontur auf die Ladefläche des Pickups und zuckeln zurück nach Quito. Da wir nicht angeschnallt sind und der Fahrtwind sehr kalt ist, schadet es auch nicht, dabei den Helm anzuhaben. Für die anderen Verkehrsteilnehmer ist es sicherlich ein lustiger Anblick. Was in Deutschland unmöglich wäre, regt jedoch hier in Ecuador kein besonders großes Aufsehen. Unsere beiden Fahrer laden wir anschließend in Quito zu einem Abendessen beim Inder ein.
Am nächsten Morgen starten wir um 4:30 Uhr und nehmen ein Taxi bis nach Lloa, weiter kommt man mit einem Zweiradantrieb nicht. Die Unsicherheit an dem ganzen Unternehmen bestand darin, dass wir nicht wussten ob wir morgens um sechs in einer kleinen Stadt wie Lloa jemanden finden würden, der uns die restlichen 16 Kilometer bis zur Schutzhütte hinaufbringt. Nach einer Viertelstunde finden wir einen Bauern mit einem 4×4 Fahrzeug. Oben ist es wieder zugezogen, sodass wir uns erstmal in der Schutzhütte verkriechen. So früh am Morgen ist es hier so richtig schön kalt. Auch in der Hütte sehen wir unseren eigenen Atem.
Nach circa 2 Stunden ziehen die Wolken auf und wir laufen nach oben. Jeder Schritt fällt schwer, wie haben wir gestern nochmal die Bikes hier hinaufbekommen?
Auf der Rim eröffnet sich uns nun Stück für Stück die Fernsicht. Zum ersten Mal können wir in den erloschenen Krater hineinschauen, die Mühe hat sich gelohnt. Wir rangieren die Bikes umher, machen einige Fotos und brechen dann für den Rückweg auf. Diesmal sitzen wir wieder wie gewohnt auf dem Motorradsitz.
Zurück in Quito beginnen wir an diesem Tag noch mit Packen, damit wir am nächsten Morgen weiter ziehen können.
Posted in Ecuador by Ulli