Tsáchilas
28.10.-04.11.2015
Wir reisen nach Santo Domingo de los Colorados, westlich von Quito. „Colorados“ bedeutet „Gefärbte“ und bezieht sich auf den dort ansässigen indigenen Stamm der Tsáchilas. Es ist ein Stamm der bereits in der Zeit vor den Inkas existierte. Traditionell färben sich die Männer mit den Samen der Achiotefrucht die Haare knallrot und bringen sie in eine feststehende Form. Damit wollten sie sich früher gegen Gelbfieber und andere Krankheiten schützen, welche die spanischen Eroberer ins Land gebracht haben.
Als wir vor einiger Zeit in Mindo waren, hatten wir Andrés kennengelernt, einen Motorradfahrer und Fotografen aus Santo Domingo. Er hatte uns dazu eingeladen ihn besuchen zu kommen und er könne uns mit den Tsáchilas bekannt machen. Da sich Joey für indigene Volksgruppen interessiert, nehmen wir auch sie und Daniel mit. Zunächst treffen wir uns bei Andrés, er stellt uns seiner Familie vor und zeigt uns sein Fotostudio. Dann geleitet er uns gemeinsam mit seinem ebenfalls zweiradfahrendem Kumpel „El Gringo Loco“ zur Indianer Community. Wir sind etwas besorgt, dass es sich vielleicht doch um eine Touristenfalle handeln könnte, da Andrés meinte, eine Gruppe von Argentiniern sei auch schon dort.
Santo Domingo ist keine besonders schöne Stadt, besonders wenn einem klar wird, dass bis vor wenigen Jahren noch Regenwald stand, wo sich nun Betonklötze aneinanderreihen. Warum erschafft sich der Mensch eine so hässliche Umgebung, wo die Grundlage doch so genial schön war?
Die Community der Tsáchilas befindet sich am äußersten Rand der Stadt. Nicht alle Indigenen wollen sich der westlichen Zivilisation anpassen und wie ein „moderner“ Mensch ein Stadtleben führen. Die Tsáchilas hatten zwar in der Vergangenheit mal ein Gebiet für sich zugesichert bekommen. Die Stadt hat sich dennoch auf ihr Gebiet ausgebreitet und verdrängt die Indigenen rücksichtslos immer mehr aus ihrem ursprünglichen Lebensraum. Sie befinden sich in einem ständigen Kampf um ihren jahrhundertelangen Lebensraum und ihre Kultur, drohen sie doch komplett verdrängt zu werden.
In der Community werden wir von Budy, dem Sohn eines Schamanen begrüßt. Die Community besteht aus mehreren Hütten in denen momentan sechs Argentinier wohnen. Wir dürfen unsere Zelte unter einem Pavillon mit Strohdach aufstellen und machen uns zunächst mit der Umgebung vertraut. Es wird schnell dunkel und Budy lädt uns zu einer Reinigungszeremonie in der Schamanenhütte ein.
In Kerzenlicht und Rauch wedelt er den Körper jeden einzelnen von uns mit Blättern ab. Ich kann nicht sagen, dass ich mich danach anders gefühlt hätte. Aber es gibt einem zu denken, denn offensichtlich geht es den Indigenen dabei anders. Was ist ihr Geheimnis und stimmt vielleicht mit uns irgendwas nicht?
Am nächsten Morgen führt uns Budy über das Gelände, zeigt uns die Pflanzen in der Umgebung und die angrenzende Kakaoplantage. An einer nahegelegenen Wasserstelle soll einmal eine kleine Fischzucht entstehen. Es gibt eine Aufenthaltshütte, die zwar überdacht, aber nach allen Seiten hin offen ist. Sie hat eine Feuerstelle, einen großen langen Tisch und eine „Küche“ mit Gasherd. Es ist der zentrale Treffpunkt, für alle, die in einer Community leben. Einige Hühner laufen frei herum. Der natürliche Boden wird auch im Außengelände regelmäßig sehr reinlich gefegt. Nur wenn es regnet verwandelt sich der Untergrund in eine matschige Angelegenheit.
Das Projekt dieses Tages ist der Bau des Grundgerüsts für eine „Cabana“, eine Hütte. Sie ist für die Vollmondzeremonie zur Einnahme von Ayahuasca gedacht. Gemeinsam mit den Tsachilas und den Argentiniern befreien wir zunächst die Baumstämme von ihrer Rinde. Dann erfolgt das Aufstellen der Stämme als Eckpfeiler und die Querverbindungen mit dicken Bambusrohren. Zur Pause gibt es frische Papaya.
Nachdem das Gerüst steht ist Zeit für eine Dusche. Die Tsáchilas waschen sich normalerweise im Fluss. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, sich in einem kleinen Badezimmer vom Nachbarn mit dem Wasser aus einem Eimer selbst zu übergießen.
Später bekommen wir indianische Bemalung. Als Farbe dient das helle Fleisch einer Frucht namens Huito, welches beim Kontakt auf der Haut durch Oxidation dunkelblau bis schwarz wird. Die typische Bemalung sind Streifen die horizontal um Beine, Oberkörper oder Arme, aber auch im Gesicht gezogen werden. Jeder Streifen hat eine andere Bedeutung. Die Bemalung ist permanent, dringt jedoch nur durch die obere Hautschicht, welche sich innerhalb weniger Tage bzw. Wochen erneuert, womit die Farbe wieder verschwindet. Nach Ansicht der Indianer verbleibt die Farbe bei Menschen, die eine hohe innere Energie haben besonders lange. Stephan und Daniel weigern sich und bekommen nur wenige Striche auf die Arme. Joey hat schneller Streifen im Gesicht als sie protestieren kann und so lasse auch ich mich anmalen, damit sie damit nicht alleine ist.
Am Abend finden die Vorbereitungen für die Ayahuasca Zeremonie der Argentinier statt.
Ayahuasca ist ein Pflanzensud, bei dessen Einnahme psychedelische Wirkungen entstehen. Es ist also eine Droge, die als hauptsächlichen Bestandteil eine bestimme Liane und weitere pflanzliche Zutaten hat. Bereits bei unserer Kanutour durch den ecuadorianischen Regenwald hatten wir diese Liane gezeigt bekommen. Verholzt und völlig unscheinbar schwang sie sich um einen Baum. Wie die Urvölker wohl die Wirkung des gekochten Pflanzensaftes in Kombination mit anderen Stoffen herausgefunden haben?
Mehrere Amazonasvölker in Brasilien, Kolumbien, Venezuela, Peru und Ecuador nutzen diese Droge, um sich für Zeremonien in Trance versetzen zu lassen. Ein seit geraumer Zeit einsetzender Drogentourismus führte zu Massenveranstaltungen oder Ein-Tages Erlebnissen, welche die Beteiligten westlicher Zivilisationen, zumeist ohne jegliche Vorerfahrung, völlig unzureichend auf den Trip vorbereiteten. Im schlimmsten Fall können bei der Einnahme irreparable Psychosen hervorgerufen werden oder bei einer Überdosis der Tod eintreten. Bei den Tsáchilas hat man noch die Möglichkeit, lange darauf vorbereitet zu werden und an einer natürlichen Zeremonie in familiärem Umfeld teilzunehmen. Wir hatten unsere Teilnahme schon ausgeschlossen, allein schon weil wir nicht diese Vorbereitungszeit hatten, die auch eine spezielle Diät mit sich bringt. Es wäre sicher ein interessantes Erlebnis gewesen, aber ohne längere Auseinandersetzung mit dem Thema wollten wir nichts überstürzen. An einem Teil der Zeremonien, die sich über mehrere Tage erstrecken dürfen wir dennoch beiwohnen.
Mehrere Bananenblätter werden auf dem Boden ausgebreitet, auf denen wir dann im Kerzenschein in einer Runde Platz nehmen. Für einige Zeit sollen wir im Schneidersitz mit den Händen über den Knien ruhend ruhig dasitzen und meditieren. Das ruhige, gerade Sitzen wird erstaunlich schnell anstrengend. Anschließend bereiten wir Lianenteile vor. Sie werden gereinigt und dann auf einem Baumstamm, von uns allen abwechselnd, nebst Singsang von Budy mit einem Stößel zerquetscht. Die Extrakte werden dann später viele Stunden lang gekocht.
Wir hatten das Mittagessen mehr oder weniger ausfallen lassen, da es hieß, am frühen Abend wird gemeinsam Pizza gemacht. Unter den Argentiniern ist ein Koch, der seine Kunst hervorragend versteht, nur leider dauert es fast bis Mitternacht, bis wir endlich die Pizza genießen können. Am Lagerfeuer lassen wir den Abend mit etwas Gitarrenmusik ausklingen.
Im Taschenlampenlicht entdecken wir eine Straße von Blattschneiderameisen. Tausende Ameisen mit verhältnismäßig großen Blattstücken wandern durch die Community. Wir verfolgen sie um zu schauen wo sie ihre Beute hinbringen. Zig Meter weiter weg werden wir fündig. Weitere Straßen kommen aus anderen Richtungen hinzu. Wir finden keinen „Ameisenhaufen“ sondern sehen viele kleine Löcher, in denen sie reihenweise verschwinden. Unter uns muss sich ein riesiges System aus kleinen Gängen und Höhlen befinden. Blattschneiderameisen züchten in einem komplexen Ablauf Pilze, um sich davon zu ernähren. Dafür benötigen sie die Blätter, aus denen sie ein Substrat herstellen, auf dem sich der Pilz ausbreiten kann.
Wir fragten Budy ob er uns zu anderen Communities führen kann, in denen Tsáchilas leben.
Budy zieht sich also zu unserer Überraschung einen Helm über sein rotes Haar. Wir hätten vermutet, dass er ohne Helm fahren will, um seine Frisur nicht zu zerstören. Dann hätten wir ihn nicht auf dem Motorrad mitgenommen. Am nächsten Tag ist jedoch ein Tsáchila-Fest und da müsse er sowieso die Haare neu machen. So schwingt er sich mit Helm auf Stephans Rücksitz und es geht los. Der Weg führt uns durch die Stadt, zu einem anderen Randgebiet. Der letzte Abschnitt ist nicht asphaltiert und steinig. Wie auch in anderen Gebieten Lateinamerikas kommen uns hier Menschen auf dem Motorrad ohne Helm und in Flipflops mit relativ hoher Geschwindigkeit entgegengebraust.
Wir besuchen einen Häuptling und Medizinmann. Wir haben keine Fotos gemacht, da uns das irgendwie komisch vorkam. Wir haben uns in Spanisch, so gut wie wir es konnten, mit ihm über den Konflikt von traditioneller und moderner Medizin unterhalten. Dabei unterstützte uns Joey auch beim Übersetzen. Viele vor allem ältere Tsáchilas, lehnen moderne Behandlung ab und wollen ausschließlich auf natürliche, traditionelle Weise geheilt werden. Was den Tsáchilas Sorgen bereitet, ist das langsame Aussterben ihrer Kultur. Die Jugend möchte nicht ausschließlich, oder sogar gar nicht mehr die Sprache der Tsáchilas sprechen. Heute beherrschen nur noch 30% der Indigenen die Sprache ihrer Vorahnen. Die Jungen wollen sich die Haare nicht mehr rot färben, es gilt als lästig oder „uncool“. Der Häuptling erzählt uns, dass bereits einige junge Leute die Community verlassen haben und in die Stadt gezogen sind. Sie wollen die „Dinge des Westens“ haben, so leben wie „sie“. So wie die Tsáchilas von außen verdrängt werden, scheinen sie auch innerlich zu zerfallen.
Viele Touristen aus anderen Ländern, dem Westen, haben auch seine Community besucht. Daniel fragt den Häuptling, was er für einen Eindruck von den Menschen aus „dem Westen“ hat. Er musste etwas nachdenken und versuchte seine Antwort nett zu formulieren: Er hat das Gefühl, dass die Menschen „disconnectado“ sind, also nicht mehr wissen wo sie herkommen, keine Verbindung mehr zu ihrem Ursprung, zur Natur haben. Sie rennen und rennen ständig hinter irgendwas hinterher, wüssten gar nicht hinter was eigentlich.
Wir müssen zugeben, das er damit nicht Unrecht hat.
Budy führt uns anschließend zu einem deutschen Freund von ihm, der vor einigen Jahren nach Santo Domingo ausgewandert ist, da seine Frau aus Ecuador kommt. Er ist natürlich froh, mal wieder mit ein paar Deutschen zu sprechen, doch wir wollten eigentlich noch mehr vom Leben der Indianer erfahren, als hier mit einem Landsmann Lebensgeschichten auszutauschen. Auch wenn er sehr freundlich war, sind wir doch froh, als wir uns mit Budy wieder auf den Weg machen und zu einer weiteren Community fahren.
Wir finden uns vor dem Haus des „Gouverneurs“ wieder. Prompt werden wir von einem stark angetrunkenen Indigenen begrüßt. Es drängt sich der Gedanke auf, dass Alkohol auch hier ein Problem sein könnte, so wie bei vielen Urvölkern, die den Stoff selbst in kleinen Mengen nicht gut vertragen.
Wir laufen einen Weg an einer Plantage entlang. Wir denken zunächst es sind Bananenstauden, doch ist es eine artverwandte Pflanze, deren Namen wir nicht kennen, aus denen sich Textilfasern gewinnen lassen. Wir erreichen einen Hof, auf dem uns genau dieser Prozess mit scheinbar uralten Maschinen gezeigt wird. Extra für uns werfen sie die Maschinerie an, um uns zu demonstrieren wie aus den noch saftigen Strängen der Blätter trockener, reißfester Faden gewonnen wird.
Im Anschluss zeigt uns Budy noch den Platz, an dem Morgen das große Tsáchila-Fest stattfinden soll. Dort würden sich alle Tsáchilas der Umgebung treffen, traditionelle Tänze gezeigt und es würde traditionelles Essen geben. Wir sind herzlich dazu eingeladen und freuen uns darauf.
Zurück am Lager stellen wir fest, dass wir zum dritten Mal auf dieser Reise durch diebische Hunde um unser Brot gebracht wurden. Bis auf den letzten Krümel haben sie es verspeist, am Ende haben wahrscheinlich noch die Hühner geholfen. Nicht zu fassen, dass uns das schon wieder passiert ist. Das morgige Frühstück fällt entsprechend kleiner aus.
Die Vorbereitungen für das Fest laufen. Maro, der Bruder Budys hofft auf dem Fest eine Frau zu finden. Er ist 26 Jahre alt und seine Familie ist besorgt, da er bereits „spät dran“ ist. Sein Problem ist, dass er nur eine Tsáchila zur Frau nehmen will bzw. kann und davon gibt es in seinem Alter nicht viele. Das Fest ist seine große Hoffnung. Er bastelt gekonnt an einer schmuckvollen Halskette, die er aus Samen verschiedener Farben auffädelt. Wir helfen ihm beim Durchstechen der Samen.
Heute ist Vollmond, die Nacht der finalen Ayahuasca Zermonie. Die Stimmung unter den Argentiniern ist eine Mischung aus Vorfreude und Angst vor dem Ungewissen. Heute dürfen wir nicht dabei sein, ist es doch ein sehr, sehr persönliches Erlebnis jedes Einzelnen. Wer möchte schon gerne von außen beobachtet werden, während er die „Kontrolle“ über sich verliert und in fremde Welten abtaucht? Nach und nach stolpern die Argentinier an unseren Zelten vorbei. Wir hören wie sie sich irgendwo im Wald übergeben, eine typische Reaktion nach der Einnahme. Dann bekommen wir nicht mehr viel mit. Am nächsten Morgen erfahren wir, das alles gut gegangen ist und sich alle gut fühlen. Genauer fragen wir nicht nach, denn was für eine Antwort können wir schon bekommen? Es wird sicher keiner seine tiefsten Ängste oder Freuden dieses Trips mit uns teilen, ist es doch zu persönlich. Alles in allem scheint es ihnen jedoch gut getan zu haben. Besonders eine der Mädels sticht heraus, war sie uns gegenüber vor der Einnahme eher etwas abgeneigt aufgetreten. Nun umarmte sie uns plötzlich und war voller Begeisterung über unsere Reise. Vielleicht war sie vorher nur angespannt, oder dieses Zeug hat es wirklich in sich…
Am Vormittag des Festtages zeigt uns Budy die Herstellung von Kakao. Den Prozess kennen wir ja bereits aus Mompiche, doch sind wir gerne wieder mit dabei. Bohnen rösten, schälen und mit Gewürzen vermengt malen…. Am Ende wird die Masse in Blockfrom gebracht und in Bananenblätter eingewickelt, welche mit Naturfasern zu kleinen Päckchen geschnürt werden. Die fertige Schokolade ist wieder recht herb und bitter. Am besten genießt man sie gemeinsam mit etwas Süßem.
Dann laufen die Vorbereitungen für das Fest. Budy und Maro müssen sich ihre Haare färben. Die Achiotefrucht wächst an mehreren Sträuchern direkt auf dem Gelände. Sie wird aufgebrochen und im Inneren finden sich viele kleine rot-orangene Perlen. Aus unzähligen Früchten werden diese gesammelt und zu einem Haufen zusammengetragen. Dann wird alles mit den Händen zu einer farbigen Masse zermatscht. Diesen Brei streichen sich die Tsáchila immer und immer wieder durch die Haare, bis diese völlig durchtränkt sind. Anschließend werden die Haare mit Händen und einem Kamm in Form gebracht, bis eine perfekte Haube entsteht, die wie aus einem Stück gemacht scheint. Die traditionelle Kleidung besteht für die Männer aus einem horizontal blau-weiß gestreiften Rock. Der Oberkörper ist frei und mit den schwarzen Strichen und weiteren Formen bemalt. Die Halskette aus Naturmaterialien vervollständigt die Tracht.
Am frühen Abend brechen wir auf zur Festwiese. Als wir ankommen sind wir enttäuscht. Die Wiese ist menschenleer. Lediglich auf der Bühne findet eine kleine Vorführung statt, mit jedoch sehr wenigen Zuschauern. Wir erblicken kaum einen Tsáchila. Alles scheint umsonst. Es sollte das größte Fest der Einheimischen sein, doch die Realität zeigt etwas anderes. Wir schauen uns noch den Rest der Vorführungen an, die leider auch schon fast vorbei sind. Sind wir nun zu spät oder zu früh? Hat vor uns bereits die große Party stattgefunden oder kommen erst am Abend alle hinzu? Wir sind betrübt, denn dies zeigt wie ernst es um die Kultur der Tsáchila steht, wenn bei einem Volksfest schon die eigenen Leute nicht da sind. Wir bleiben noch etwas und brechen dann nach Einbruch der Dunkelheit auf. Nette Leute nehmen uns auf der Ladefläche eines Pickup mit, sodass wir nicht die ganze Strecke laufen müssen. Später am Abend brechen die Argentinier zum Fest auf, doch auch sie berichten am Folgetag von nur wenigen Gästen.
Joey und Daniel brechen auf, wir werden später wieder auf die beiden treffen, vielleicht in Peru.
Wir bleiben noch zwei Tage, da wir noch Reparatur- und Wartungsaufgaben an Ausrüstung und Motorrädern zu erledigen haben und außerdem Andrés den Fotografen aus Santo Domingo nochmal treffen wollen. In der Werkstatt von „El Gringo Loco“, einem Freund von Andrés, den wir bei der Anreise schon kennengelernt hatten, hilft uns der Vater bei der Reparatur des Kofferschlosses. Dieses ist uns nämlich einige Tage zuvor in seine Einzelteile zerfallen. Er schafft es durch geschickte Platzierung zweier kleiner Schrauben den Mechanismus wieder herzustellen. Auch das Lenkerklappern an Stephans Motorrad können wir vorerst abstellen. In der Werkstatt kleben einige Aufkleber anderer Motorradreisender. Da wir auch Reisende sind, lehnt der Vater das Geld, welches wir ihm geben wollen ab. Wir können ihm gar nicht genug danken. Im Anschluss treffen wir uns bei Andrés. In einer Wäscherei im Stadtviertel können wir unsere Wäsche abgeben, aber leider erst am nächsten tag wieder abholen. Wir müssen also nochmal durch die Stadt fahren, aber was bleibt uns anderes übrig: uns gehen die Sachen aus und was einmal im Dreckwäschebeutel war, holt man nur im äußersten Notfall wieder raus.
Im Indianerlager nähen wir mal wieder einige Stellen am Zelt und führen kleinere Reparaturen an verschiedenen Ausrüstungsgegenständen durch. Dann bereiten wir alles für die Abreise am nächsten Tag vor. Zu unserem Entsetzen fehlt eine der vier Kofferstangen, mit denen die Koffer jeweils am Halter am Motorrad befestigt werden. Ohne das Ding ist keine Abfahrt möglich. Wir durchsuchen mehrmals unseren Kram, fragen in der Community herum und verdächtigen schon die Hühner des Diebstahls. Der letzte Ort, der uns noch in den Sinn kommt ist Andrés‘ Grundstück. Bei ihm hatten wir am Morgen den Koffer mit dem reparierten Schloss stehen lassen als wir in der Wäscherei waren. Wir hatten allerdings zwei der Stangen dabei gehabt, aber zur Rückfahrt nur eine Stange für den einen Koffer gebraucht. Es war uns nicht aufgefallen, dass sein Neffe mit einem dieser Stangen gespielt und nicht wieder zurückgelegt hatte.
Wieder bei Andrés in der Stadt, finden wir erleichtert die Stange. Dummerweise hat der Bengel sie auch noch kaputt gemacht, da er scheinbar das physikalische Gesetz der Hebelwirkung damit testen wollte. Naja, wer kann schon einem unwissenden Kind böse sein, etwas ärgerlich war es trotzdem. Wieder hilft uns „Gringo Loco“, der jemanden kennt, der uns das schweißen konnte. Den Nachmittag verbringen wir mit Andrés in einer originellen Cocktailbar und fahren noch eine kleine gemeinsame Ausfahrt auf einen Aussichtspunkt am Rande der Stadt. Es ist bereits dunkel und die Stadt leuchtet zu unseren Füßen.
Wieder zurück in der Community finden wir Budy und Maro betrunken vor. Sie streiten zwar ab, dass sie betrunken sind, aus unserer Sicht sind sie jedoch hackedicht. Es wird trotzdem noch ein schöner Abend, denn Andrés und Gringo Loco hatten uns noch begleitet, sodass wir unseren letzten Abend hier mit allen gemeinsam verbringen.
Auch wenn der Aufenthalt bei den Indianern nicht ganz so ursprünglich war, wie wir uns das zunächst vorgestellt hatten, war es eine sehr interessante Zeit, mit einigen Einblicken in die Kultur dieses kleinen Volkes, von dem wir vorher noch nie gehört hatten.
Budy war dabei einer der besonderen Menschen, die wir auf unserer Reise kennengelernt haben. Er erschien uns wie ein Mensch, der das Wort Vorurteil nicht kennt und jeden brüderlich bei sich aufnimmt. Er war nie achtlos oder gar ungehalten. Er war immer ruhig und besonnen, kümmerte sich um das Wohl aller, versuchte jeden mit einzubeziehen. Ist er vielleicht einer von jenen, die ihre innere Ruhe gefunden haben? Wir hoffen für ihn dass er noch lange weiter so in der Community leben kann, denn wir spüren, dass ihn ein Leben in der Stadt unglücklich machen würde.
Maro und Budy schenkten uns zum Abschied die beiden Halsketten, die er und sein Bruder für das Fest gefertigt hatten. Für das nächste Jahr müssten sie ohnehin neue machen. Mit zwei Schokoladenpäckchen im Gepäck, als Stärkung für die weitere Reise, ließen wir Budy und seine Community schweren Herzens hinter uns.
Posted in Ecuador by Ulli