Märchenland und Wüstenachterbahn
05. – 10.10.2014
Irgendwo hatten wir mal Leute sagen hören „Bryce Canyon“, den schafft ihr in einem halben Tag. Diese Leute wissen gar nicht was ihnen entgangen ist. Die Parkstraße abzufahren und an den Aussichtspunkten anhalten ist das eine. Doch mindestens genauso faszinierend wie der Anblick von oben, ist eine Wanderung im Inneren des Canyons. Wir nehmen uns also, nachdem wir am ersten Tag einige Aussichtspunkte abgefahren sind, noch einen zweiten Tag für den Bryce Canyon Zeit und wandern den 13km langen Fairyland Loop. Was wir hier sehen sucht seinesgleichen. Wir befinden uns wahrlich in einem Märchenland. Ganze Schlösser meint man zu sehen und es fehlen nur noch die Kobolde und Feen zwischen den bunten Felsen. Wir haben mal die verschiedenen Farben gezählt, die man hier von einer Stelle in den Steinwäldern um uns herum beobachten kann: rot, orange, rosa, lila, weiß, gelb, braun, grün und alle möglichen diversen Zwischentöne. Es ist ein Wunder, dass diese Landschaft noch nicht als Filmkulisse gedient hat. Wie vermutet sind die 13 km Rundweg den meisten Touristen zu lang und so sind wir mehrere Stunden unterwegs und treffen nur wenige Leute an. Der Bryce Canyon zählt definitiv zu unseren „USA-Highlights“.
In der Nähe hatten wir in einer „Forest Service Road“ des Red Canyon einen schönen Platz für unser Zelt gefunden. Tagsüber haben wir das Zelt und die Schlafsäcke dort zurückgelassen. Dabei hatte ich ein nicht ganz so gutes Gefühl, doch hierhin verirren sich nur wenige und dann sind dies meistens Naturliebhaber und keine Zelträuber. An zwei Abenden können wir Lagerfeuer machen und Marshmellows rösten. Im Schutz der Dunkelheit und bei ausreichender Wärme des Feuers, „Duschen“ wir uns mit unseren Wasservorräten unter freiem Himmel. Da wir uns auf 2500m Höhe befinden und es schon Anfang Oktober ist, sind die Nächte hier mit Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes sehr kalt. Da freuen wir uns morgens über die verbleibende Glut unter der Asche, die noch erstaunlich warm ist. Die Tage werden für uns zunehmend kürzer, denn es wird bereits kurz nach 6 Uhr dunkel und damit auch kalt. Wir spüren direkt den Temperaturabfall, nachdem die Sonne hinter dem Berg verschwunden ist. Morgens wird es gegen 7 Uhr hell, doch es dauert eine ganze Weile bis es wenigstens 10 Grad werden. Nachmittags ist es in der Sonne wiederum so heiß, dass wir es nur im T-Shirt und Kurzer Hose aushalten.
In einer Lokalzeitung hatten wir ein Foto von der „Wave“ gesehen. Die „Wave“ ist eine einzigartige wellenförmige Steinlandschaft, die man nur mit einer speziellen Erlaubnis (Permit) bewandern darf. Diese Permits werden aufgrund des hohen Andrangs jeden Morgen für den Folgetag in der Kleinstadt Kanab verlost. Es gibt pro Tag nur 10 Plätze, die vor Ort verlost werden und selbst in der Nebensaison stehen angeblich 50 Leute auf der Matte. Die Erfolgschancen sind also relativ gering, aber wir wollen es dennoch versuchen.
Damit wir morgens direkt um halb neun am Ort des Geschehens sein können, machen wir uns in der näheren Umgebung von Kanab auf die Suche nach einem Platz für unser Zelt. Der Coral Pink Sand Dunes Park scheint uns dafür geeignet. Nachdem wir uns ein paar Mal im Sand auf Seitenwegen festgefahren hatten, war die Stimmung im Keller. Schließlich finden wir eine große weite Fläche, die auf den ersten Augenblick nicht so gemütlich aussieht, doch wir sind zu fertig um weiter zu suchen.
Nachdem sich jeder für sich abreagiert hat, passieren zwei ATV Fahrer unser Zelt und grüßen. Bei Einbruch der Dunkelheit kommen sie zurück und halten bei uns an. Einer der beiden stellt sich als Dave vor und lädt uns dazu ein, später in ihr Camp zu kommen. Er interessiert sich für unsere Motorradreise und im Camp gäbe es Kuchen. Mit Essen kann man Reisende immer locken und da wir heute im Dunkeln eh nichts Besseres zu tun haben, gesellen wir uns später hinzu. Es ist eine größere Familie, die hier versteckt im Busch ihr Lager aufgeschlagen hat. Drei ATVs stehen hintereinander aufgereiht und dahinter sitzen alle um ein großes Lagerfeuer herum. Innerhalb von drei Minuten sitzen wir in Campingstühlen, in einer Hand eine Soda, in der anderen ein Smore (heißer Marshmellow mit Keks und Schokolade). Während wir das Kaltgetränk genießen, werden wir mit Fragen zu unserer Reise bombardiert. Die beantworten wir natürlich gerne und bald hat sich eine lebendige Gesprächsrunde entwickelt. Dave lädt uns für den nächsten Morgen auf eine 20-minütige ATV Fahrt ein und bringt damit unseren Plan nach Kanab zu fahren ins wanken. Wir haben auf Grund einer Verabredung in St. George nicht mehr viel Zeit und müssen uns daher entscheiden: einmalige Wave oder einmalige ATV Tour? Ja, auch wir haben Luxusprobleme.
Am nächsten Morgen steht unsere Entscheidung fest: wir nehmen Dave‘s Angebot an. Auf dem ATV ist ein Aufkleber angebracht mit den Hinweisen „niemals Passagiere mitnehmen“ und „nur mit Helm und Schutzkleidung fahren“. Ich nehme also bei Dave auf dem Rücksitz Platz und Stephan bei Brady. Dave’s Töchter nehmen auf dem dritten ATV Platz. Es folgen zwei adrenalinreiche Stunden auf den Sanddünen. Auf dem Rücksitz müssen wir uns gut festklammern, denn wir preschen in einem Affenzahn über die Dünen. Interessant wird es immer, wenn wir oben am Kamm ankommen und erst dann sehen, wie steil die Düne dahinter abfällt. Da fahren wir doch jetzt nicht geradeaus runter? Doch. Aaaahhhh, es ist ein Gefühl wie in einer Achterbahn, nur das unsere Fahrer den Pfad selbst bestimmen können und immer wieder neue verrückte Wege, Höhen, Tiefen und Kurven finden. Die Dünenwüste scheint unendlich, es ist kein Mensch hier und wir haben das ganze Areal für uns. Bald haben wir das Gefühl zu fliegen und es stellt sich ein unglaubliches Freiheitsgefühl ein. Wir düsen hinauf und hinunter, schlagen Haken, springen und am Ende machen unsere Fahrer ein paar Wheelies. Wir haben das Gefühl eine Lotterie mit einem viel besseren Preis gewonnen zu haben. Das breite Grinsen in unseren Gesichtern ist unvermeidlich und löst sich erst einige Zeit nach der Fahrt.
Vielen Dank nochmals an dieser Stelle an Dave und seine Familie, für dieses berauschende Erlebnis!
Den restlichen Tag verbringen wir mit Dave, seiner Frau Char, den fünf Kindern und den Großeltern im Camp mit Spielen, Essen, Ausruhen und Feuerholz sammeln. Die Familie gehört der Glaubensrichtung der Mormonen an, die besonders hier in Utah weit verbreitet ist.
Dave ist ein Adrenalin-Junkie und hat in seinem Leben schon einige verrückte Sachen gemacht, gewollt oder ungewollt. Am Lagerfeuer kommen wir in den Genuss seiner abenteuerlichen Geschichten, die auf wahren Begebenheiten seines Lebens beruhen. Seine Kinder nennen diese scherzhaft „I-should-not-be-alive“ Stories. Mittlerweile haben die Geschichten eigene Titel wie Snakepit, Cougar bite, Hobo time, Bumper rides … . Dave ist wahrlich ein Erzählmeister und bringt uns alle zum Lachen.
Der Zion National Park hat sicherlich mehr verdient als nur einen Tag Aufmerksamkeit und ein paar Zeilen Text, doch da wir eine Verabredung in St. George haben, bleibt uns nicht viel mehr Zeit. So entscheiden wir uns für eine Fahrt mit dem kostenlosen Shuttlebus in den Zion Canyon und zwei kürzere Wanderungen innerhalb von einem Tag. Der Park ist auf den Hauptpfaden gut besucht, bietet jedoch auf den abgelegeneren Pfaden sehr schöne Wanderwege. Auf dem Rückweg von den Emerald Pools, die uns als größere Schlammpfützen enttäuscht haben, machen wir unsere erste Begegnung mit einer wild lebenden Tarantel. Sie wandert langsam über den Pfad, sodass wir in Ruhe ein paar Fotos machen können.
Ein Park Ranger hatte uns den Tipp gegeben, dass man am Rande eines anderen Teiles des Parkes frei campen kann. Wir machen uns also auf den Weg zum Kolob Reservoir und fahren eine sehr schöne Bergstraße hinauf auf ein Plateau. Dort sehen wir den Zion Park von einer weiteren schönen Seite. Wir schrauben uns immer höher und höher und bald wird es uns frisch um die Ohren. Kurz vor dem Ziel durchfahren wir leuchtend gelbe Aspenwälder. Durch die dunkleren Holzhütten, die wir ab und an zwischen dem Laub entdecken, haben wir plötzlich das Gefühl in Russland zu sein und bald die Hexe Babjaga in ihrem Sommerhaus anzutreffen. Das Kolob Reservoir ist ein mittelgroßer Stausee, der vielen Wasservögeln ein zu Hause bietet. Wir verbringen noch eine letzte kalte Nacht im Freien, bevor wir am nächsten Tag nach 25 Übernachtungen im Zelt zu Ben nach St. George fahren.
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Slot Canyons
30.09. – 04.10.2014
„Hm, ganz schön teuer“ – „Da kommen wir aber so schnell nicht wieder hin und es ist eine einzigartige Fotolocation“… nach einigem Überlegen entscheiden wir uns dann trotz des für uns relativ teuren Eintritts (28€ pro Person) dafür, den beliebten Antelope Canyon zu besuchen. Es ist ein sogenannter Slot Canyon, also eine sehr schmale Schlucht, die durch Wasser und Wind über Jahrtausende in den porösen Gestein geformt wurde. Im Colorado Plateau gibt es viele solcher Slot Canyons, doch der Antelope Canyon ist auf Grund seines vergleichsweise einfachen Zustiegs und der schönen Formen und Farben besonders beliebt geworden. Er liegt nahe der Stadt Page und dem Lake Powell in Arizona in Sichtweite eines größeren Kraftwerkes. Außerdem befindet er sich im Navajo Reservat und darf nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigt werden. Durch die zusätzliche Gebühr, die für das Betreten des Reservates erhoben wird und das Monopol der wenigen indianischen Touranbieter, entsteht der hohe Eintrittspreis. Der Besucherandrang ist dennoch so groß, dass im Viertelstundentakt Gruppen von 10-15 Personen durch den Canyon geschleust werden.
Es gibt zwei verschiedene Zugänge zum Canyon, die nicht weit voneinander entfernt liegen: den Upper und den Lower Antelope Canyon. Die beiden Abschnitte unterscheiden sich in ihrer Form: Der Upper Canyon hat einen breiten Grund und oben eine schmale Öffnung, der Lower Canyon hat einen schmalen Grund und oben ein breite Öffnung. Das führt zu verschiedenen Lichtspielen zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Reto und Andrea, die beiden Schweizer, die wir im Canyonlands NP getroffen hatten, waren schon dort. Sie haben uns den Tipp gegeben, dass der Lower Canyon trotz des niedrigeren Eintrittspreises aus ihrer Sicht etwas sehenswerter ist. Wir entscheiden uns also für den Lower Canyon.
Von oben betrachtet ist der Slot Canyon eine völlig unscheinbare Felsspalte in einer kargen Umgebung, doch sobald wir die Stahlleitern hinabgestiegen sind, befinden wir uns in einer anderen Welt. Die Sandsteinformationen, die sowohl bizarre Kanten, aber meist harmonisch geschwungene Wellen hervorbringen, beeindrucken uns sehr. Die schmale Schlucht ist zum Teil mehr als 30m tief und die Öffnungen am Canyonrand lassen nur wenig oder zum Teil nur sehr punktuell das Sonnenlicht hinein scheinen. Doch genau das macht den Reiz aus, denn die Farbkompositionen der Steinwände aus Rot-, Orange- und Brauntönen, kommen so erst richtig zur Geltung. Circa 1,5 Stunden dauert die Tour durch dieses bemerkenswerte Naturschauspiel. Leider dürfen wir kein Stativ mit hinunter nehmen, sodass wir uns bei der gegebenen Lichtsituation mit hohen ISO Werten und kleiner Blende zufrieden geben müssen. Es gibt auch spezielle Fototouren, bei denen dann das Mitnehmen eines Statives erlaubt ist, doch dafür bezahlt man dann entsprechend mehr.
Slot Canons sind prinzipiell immer mit Vorsicht zu genießen. Nach starken Regenfällen kann es hier zu Flash Floods kommen. Auch wenn es beim Canyon selbst nicht regnet und über ihm strahlend blauer Himmel ist, kann Wasser von kilometerweit entfernten Regenfällen plötzlich in einer meterhohen Flutwelle den schmalen Canyon durchströmen. Was sonst zur Herausbildung dieser wunderschönen Slot Canyons führt, kostete so im Jahre 1997 elf Touristen im Lower Antelope Canyon das Leben. Egal welchen Slot Canyon man begeht, man sollte sich vorher im Wetterbericht über Niederschläge in der weiteren Umgebung informieren.
Den Antelope Canyon zu durchwandern ist definitiv ein schönes Erlebnis. Doch in Utah befinden sich noch zahlreiche andere Slot Canyons, die auch sehr farben- sowie formenreich und dabei kostenfrei und nicht so überlaufen sind. Allerdings sind diese meist schwieriger zu erreichen und erfordern zum Teil fortgeschrittene Kletterkünste oder manchmal sogar Neoprenanzüge, um Wasserstellen zu durchqueren. Tatjana und Michi hatten uns ja schon damals auf die Slot Canyons aufmerksam gemacht und so entscheiden wir uns dafür, im Grand Staircase Escalante National Monument (GSENM) einige dieser Slot Canons zu besuchen. Wir verabreden uns mit den beiden zu einem erneuten Treffen in einer Pizzeria in Escalante. Es ist schön, sich mal wieder ausführlich in deutscher Sprache mit anderen Reisenden auszutauschen. Auch im übertragenen Sinne sprechen wir die gleiche Sprache und verstehen uns sehr gut, da wir ähnliche Interessen und Ansichten haben. Die beiden geben uns Tipps für Slot Canyons in der Nähe und so machen wir uns in den nächsten beiden Tagen auf, die Dry Fork Canyons und den Big Horn Canyon zu erkunden.
Die Anfahrt zu den Dryfork Canyons über die Schotterpiste „Hole-In-The-Rock-Road“ dauert circa eine Stunde. Das letzte Stück ist mit den Bikes etwas kniffelig, da der Pfad sehr uneben ist und seitlich stark abfällt. Nachdem wir durchgeschwitzt das Ziel erreicht haben, beginnt unsere Wanderung. Drei Slot Canyons liegen hier nah beieinander und münden alle in einen größeren Canyon. Der Eingang zum Peek-a-boo Slot ist nur durch Klettern an einer circa vier Meter hohen Wand zu erreichen. Der Sandstein ist rutschig und es gibt kaum Möglichkeiten zum Greifen mit den Händen oder zum Stemmen mit den Füßen. Auf halber Höhe merke ich, dass ich hier vielleicht irgendwie hochkommen würde, doch dass das Herunterklettern schon schwieriger wird. Vier Meter Fall auf Steinboden würde wohl doch wehtun und so brechen wir das erstmal ab.
Wir erkunden zunächst den Spooky Canyon, der seinem Namen alle Ehre macht. Die Felswände bestehen aus dunklem Gestein und es wird immer enger und enger. Bald müssen wir die Tankrucksäcke zurücklassen und seitwärts weitergehen. Doch auch in diese schmale Felsspalte dringt etwas Sonnenlicht und beleuchtet die zum Teil wie glatt geschliffenen Steinwände. Nach diesem spannendem Ort treffen wir auf dem Rückweg andere Wanderer, die den Peek-a-boo durchquert haben. Sie erzählen uns von einem Hinterausgang, auf dessen Suche wir uns dann direkt begeben. Auf dem Weg kommen uns zwei Leute entgegen und sie beschreiben uns in etwa wo der Eingang liegt. Nach etwas Suche finden wir es schließlich und können nun ohne halsbrecherische Aktionen in das Innere des Canyons vordringen. Auch hier treffen wir auf sehr schöne Form- und Farbgebungen und halten uns dort eine Weile auf. Auf dem Rückweg verlaufen wir uns fast, da wir den falschen Sandspuren folgen und machen einen halbstündigen Umweg. Zum Schluss bleibt uns noch, den Dryfork Canyon entlang zu wandern. Dieser ist nicht ganz so eng wie die anderen, aber auf Grund seiner lila-rosanen Farbgebung und Größe dennoch eindrucksvoll. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder am Zelt, kochen uns unser Abendbrot und in fallen ins „Bett“.
Am Morgen wartet die nächste Tour auf uns: der Bighorn Trail. Dank der guten Beschreibung von Michi finden wir den nicht ausgeschilderten Ausgangspunkt in dieser einsamen Gegend. Mit Sonnencreme, Sonnenhut, Wasser und ein paar Snacks bewaffnet, machen wir uns auf den Weg. Wir folgen den Spuren im Sand und bald können wir den Canyon erkennen. Die Steinlandschaft hier unterscheidet sich wieder von dem, was wir bisher in Utah gesehen haben. Diesmal dominieren die Farben Gelb, Lila, Weiß und Orange. Nach einiger Zeit zieht sich der bisweilen geräumige Canyon immer weiter zu, bis wir auf eine Engstelle stoßen.
Hier muss es in den Slot Canyon hineingehen, denken wir uns. Doch nach ein paar Metern wartet die erste Hürde: ein Wasserloch. Eigentlich kein Problem, doch man sollte bei Slot Canyons, die man nicht kennt, stets an den Rückweg denken. Wir wissen noch nicht genau wie tief das Loch ist und man muss sich ein Stück den Sandstein hinunterrutschen lassen um hinein und hindurchzukommen. Steht oder schwimmt man sogar einmal im Wasser und kommt den Sandstein nicht mehr hoch, ist man gefangen. Hier draußen ist weit und breit keine Menschenseele und wir wollen natürlich nicht gefangen in der Steinwüste enden. Also prüfen wir erstmal mit einem langen dünnen Ast, wie tief das Becken ist. Der Befund: knietief und damit für uns machbar. Dann lasse ich mich hineingleiten, um zu prüfen ob ich aus eigener Kraft wieder zurückkommen würde. Es sieht einfach aus, doch die Sandsteinrutsche ist extrem glatt und ich finde keine Stelle, um mich mit den Händen irgendwo festzuhalten. Die nackten Füße rutschen ständig auf dem mittlerweile vom Wasser schmierigen Sandstein ab und nach einiger Zeit wird das Wasser ganz schön kalt.
Für diesen Fall sollte Stephan oben bleiben, um mir helfen zu können. Unser erster Plan: im Wasser eine kleine Treppe aus Steinen bauen. Eine blöde Idee, wie wir schnell feststellen, denn sämtliche Steine aus der Umgebung sind poröser Sandstein und zerspringen und zerbröseln im Wasser. Nach erneuten, mehrmaligen Versuchen schaffe ich es dann doch mich im Rückwärtsgang aus dem Loch hochzudrücken. Dabei hilft mir eine minikleine Auswölbung im Stein, die ich mit meinen Zehen umklammern kann. Es geht also doch und nachdem es Stephan auch noch mal versucht hat, packen wir unser Zeug und transferieren unser Tagesgepäck und die Schuhe auf die andere Seite des Wasserlochs. Frohen Mutes dringen wir in den interessanten Slot ein, doch bereits nach weniger als 50 Metern kommt die Enttäuschung: hier ist eine so schmale und tiefe Stelle, dass wir gar nicht erst an einen Versuch denken uns dort hineinzuwagen. Also müssen wir wieder zurück durchs Wasserloch. Spannend war es trotzdem und wir haben mal wieder etwas dazugelernt.
Wir versuchen nun oben am Canyonrand weiterzukommen und finden nach einer Weile tatsächlich einen Pfad, der uns immer weiter in den Bighorn Canyon hineinführt. Es wird wieder eng, doch diesmal können wir mit etwas Klettern alle Hindernisse überwinden. Rechts und links von uns ragen die Felswände steil empor und ab und an huscht eine kleine Echse an uns vorbei. Wir haben pro Person nur einen Liter Wasser dabei, was viel zu wenig ist. Wir hatten jedoch nicht damit gerechnet 6,5 Stunden unterwegs zu sein. Außerdem geraten wir langsam unter etwas Zeitdruck, denn die huckelige Zufahrtstraße wollen wir auf jeden Fall noch vor Sonnenuntergang zurück fahren. Mit riesigem Durst kommen wir wieder an den Motorrädern an, fahren die Schotterpiste zurück und freuen uns mal wieder auf ein selbstgemachtes Campingabendbrot aus der Tüte.
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Monument Valley, Betatakin und Grand Canyon
25.-29.09.2014
Es ist ein beliebtes Motiv für Bikerfotos: am Ende einer langen, schnurgeraden Straße erheben sich die legendären Felsformationen des Monument Valleys. Auch wir wollen dieses Erlebnis nicht missen und fiebern diesem Naturwunder entgegen. Das Tal befindet sich im Indianerreservat der Navajo. Die US-Regierung hat den Indianern für die Reservate die wertlosesten Landstriche zur Verfügung gestellt, die sie finden konnte. Doch mit dem beliebten Touristenziel Monument Valley, haben die Navajos eine gute Einnahmequelle. Die 20€ Eintritt die man für Gruppen von 1-4 Personen verlangt, teilen wir uns mit einem anderen Paar, dass wir kurz vor dem Kassenhäuschen „kennengelernt“ haben.
Im Valley gibt es eine ausgeschriebene Rundstrecke, die man mit Privatfahrzeugen befahren darf. Aufgrund der knappen Zeit und der großen Hitze wollen wir uns nicht mit den Bikes über die sandige Piste quälen und suchen nach einer Mitfahrgelegenheit. Wir sind mit unserem Versuch zu trampen erfolgreich und Bill und Eileen aus Texas nehmen uns in Ihrem Pickup mit. Wir verbringen zwei lustige Stunden mit den beiden und Eileen schenkt uns am Ende zwei kleine Traumfänger. Leider haben wir nie die SMS von den beiden erhalten und konnten später nicht mehr mit Ihnen in Kontakt treten.
Im Museum der Navajo haben wir erfahren, dass die Navajos im Pazifikkrieg gegen Japan von Seiten der USA als sogenannte Code-Talker eingesetzt wurden. Die Indianer übersetzten die militärischen Befehle in ihre Muttersprache und entsprechende Codes. Ihre Sprache ist so einzigartig und mit keiner europäischen oder asiatischen Sprache verwandt, dass der Gegner sie nicht zu entschlüsseln vermochte.
Auf dem Weg zum Grand Canyon machen wir einen Übernachtungsstopp im Navajo National Monument. Dort gibt es einen Campingplatz mit Bad und Wasser, den man mehrere Nächte kostenlos nutzen darf. Daher entscheiden wir uns am nächsten Morgen für eine kostenlose geführte Tour, hinunter zum alten Höhlendorf Betatakin. Da wir in der Nebensaison hier sind, bekommen wir auch morgens einen Platz für die begehrte Tour mit dem Parkranger. Der lange Abstieg in den Canyon lohnt sich. Das Dorf in der Sandsteinhöhle wurde im 13. Jahrhundert circa 50 Jahre lang von den Anasazi, einer alten Indianerkultur, bewohnt. Die Höhle misst 110m Höhe x 136 Breite x 46m Tiefe und bot mit ihren 135 Räumen circa 75 bis 100 Menschen ein zu Hause. Die Anasazi betrieben im Canyon und oben am Canyonrand Landwirtschaft. Wahrscheinlich aufgrund einer langanhaltenden Dürre wurde der Wohnort schlagartig verlassen. Im Canyon gab es noch weitere bewohnte Höhlen, doch Betatakin ist nach 700 Jahren eines der drei sehr gut erhaltenen Dörfer. Vor unserem inneren Auge stellen wir uns vor, wie es vor langer Zeit hier wohl zugegangen sein mag.
Die Fahrt zum Grand Canyon ist durch den langanhaltenden und starken Wind unangenehm. Am Horizont sieht der Himmel außerdem recht düster aus. Das Gebiet ist touristisch so erschlossen, dass wir unser Zelt nicht einfach irgendwo hinstellen können und uns für den Zeltplatz Desert View entscheiden. Von dort aus laufen wir zum Canyonrand und schauen zum ersten Mal mit eigenen Augen in diesen gewaltigen Canyon, den wir bisher nur von zahlreichen Fotos kennen. Das aufziehende Unwetter zwingt uns allerdings bald zum Rückzug. Zum Glück finden wir schnell Unterschlupf unter dem Vorbau eines Ladens. Die Verkäuferin schreit aufgeregt zu den Leuten herüber, die immer noch im Blitzlichtgewitter über das Plateau spazieren. Sie erklärt uns später, dass hier jedes Jahr Leute vom Blitz erschlagen werden. Auch wir bekommen die Auswirkung der Blitze hautnah zu spüren. Zeitgleich mit einem Blitzeinschlag in nicht all zu weiter Ferne, merken wir wie uns die Harre im wahrsten Sinne des Wortes zu Berge stehen und konnten die Spannung richtig fühlen.
Zurück am Zelt wartet dann schon eine Bescherung auf uns. Der Boden unterm Zelt ist ordentlich pampig und es hat schon Wasser von unten in den Zeltinnenraum gedrückt. Die Nächte hier sind empfindlich kalt und auch der kühle Morgen bietet keine idealen Voraussetzungen um Kleidung zu trocknen. Daher brechen wir erst am späten Vormittag zu den bekannteren Aussichtspunkten an der South Rim auf, die ca. 25km entfernt liegen. Aufgrund des Massenansturmes kann man viele der Aussichtspunkte nicht mit dem eigenen Fahrzeug anfahren, sondern muss sich in einen der überfüllten, aber kostenlosen Shuttlebusse quetschen. Die Aussichten sind grandios.
Eigenartigerweise zählt der Grand Canyon dennoch nicht zu den Höhepunkten unserer Reise. Er ist zu unnahbar, zu weit weg und berührt uns daher vielleicht nicht so sehr wie erwartet. Wahrscheinlich hätten wir in den Canyon hinabsteigen müssen. Innerhalb von einem Tag ist solch eine Wanderung bis zum Canyon-Boden jedoch nicht möglich. Die begehrten Übernachtungsplätze sind teuer und müssen lange im Voraus gebucht werden. Unser Zelt ist für eine Tour ins sogenannte Backcountry auch zu schwer und wir haben keine Rucksäcke um entsprechendes Equipment zu tragen. Also belassen wir es bei den Aussichtspunkten von der Rim und kehren vielleicht irgendwann mal zurück, um den Canyon aus seinem Inneren heraus richtig zu erleben und zu begreifen.
Posted in USA by Ulli
Utah – Canyonlands und Arches NP
19.-24.09.2014
Auf dem Highway werde ich immer müder, denn es ist so warm, dass selbst der Fahrtwind keine Kühlung mehr bringt. Beide ächzen wir inzwischen unter der prallen Sonne Utahs, die selbst im Schatten das Thermometer auf 35°C steigen lässt. Doch es gibt eine Entschädigung: zum ersten Mal sehen wir diese riesigen Steinwüsten mit ihren rot leuchtenden Felsen, die eine eigene bizarre Landschaft formen.
Hinter jeder Kurve eröffnet sich uns ein neuer atemberaubender Blick und wir müssen alle 500m anhalten, um die Landschaft auf uns wirken zu lassen und Fotos zu machen. In dieser Hitze zeigt sich jedoch besonders die Unverträglichkeit zwischen Motorradreisen und Fotografieren: es ist einfach zu heiß in der Sonne in der Motorradkleidung, um sich auch nur 10 Meter weiter zu Fuß zu bewegen oder sich auf die Kameraeinstellungen zu konzentrieren. Dennoch machen wir ständig Halt, sodass es schnell Abend wird und wir uns mit der Schlafplatzsuche ranhalten müssen. Auf einer Webseite mit Tipps für kostenlose Zeltplätze (www.freecampsites.net), haben wir Hinweise für gute Wildcampingplätze vor den Toren des Canyonlands Nationalparks gefunden. Tatsächlich finden wir nach längerem Hin und Her einen guten Platz im Hinterland am Rande einer Schotterstraße und verbringen am Ende fünf Nächte dort. Unser Lager befindet sich nämlich genau zwischen den beiden spektakulären Nationalparks (NP) Canyonlands und Arches NP in der Nähe von Moab. Von dort können wir Tagestouren in die Parks und zum Einkaufen in die Stadt machen, ohne jeden Tag einen neuen Zeltplatz suchen zu müssen. Glücklicherweise gibt es in den USA in den NPs immer Trinkwasserentnahmestellen, sodass wir immer frisches Wasser mit zum Zelt zurückbringen.
Bei der Einfahrt in den Arches NP bin ich von der Landschaft so überwältigt, dass sich ein richtiges Glücksgefühl einstellt, hier sein zu dürfen. Eine skurrile Felsformation jagt die nächste. Am Ende des Parks entscheiden wir uns für eine Wanderung im „Devilsgarden“. Wie so oft ziehen wir uns also auf der Straße im Sichtschutz von ein paar parkenden Autos für die Wanderung um. Wir wandern zum Landscape Arch, dem 2. längsten natürlichen Steinbogen der Welt (88m Spannweite) und bestaunen die anderen zahlreichen Steinbögen und „Fenster“.
Am nächsten Tag besuchen wir den Canyonlands NP. Eine circa 2km lange Wanderung entlang an der Rim, führt uns zum Grand View Point. Von dort haben wir einen Ausblick auf umliegende Canyons, weite Ebenen und Berge, der seinesgleichen sucht. Allerdings sehen wir auch eine große Unwetterfront auf uns zukommen. Das sieht gewaltig aus und da wir uns auf einem Plateau befinden, sollten wir uns besser vor dem Eintreffen des Gewitters aus dem Staub machen. Zurück am Bike fängt es auch schon an zu tröpfeln. Eigentlich wollten wir noch andere Teile des Parks besuchen, doch das fällt sprichwörtlich ins Wasser. Auf der Fahrt wird der Regen stärker und im Rückspiegel wird es immer dunkler – lieber schnell weg hier. Die vorher so schön kurvig zu fahrende Straße, die wir wieder zurück müssen, wird nun zur Geduldsprobe, denn dass Unwetter ist erstaunlich schnell. Bald hat sich der Himmel zu unseren Seiten auch schon zugezogen und wir geben so weit es geht Gas. Es gibt hier keine Unterstellmöglichkeiten also ist unser Zelt das Ziel.
Gerade noch bevor der Wolkenbruch einsetzt, schaffen wir es zum Zelt. Der Boden ist schon stark aufgeweicht und Wasser und Schlamm laufen unter den Zeltboden. Mit unserem Miniklappspaten versuchen wir einen kleinen Ablaufgraben um das Zelt herum zu buddeln. Dann liegen wir eine Stunde mit ohrenbetäubend lauter Geräuschkulisse im Zelt und warten ab. Plötzlich ist es ruhig. Nach einiger Zeit hören wir jedoch ein anderes Geräusch, das nicht so richtig hier hin passt. Ich ahne es schon und mache mich auf den Weg, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Circa 50 Meter weiter verläuft nun eine reißende Schlammflut. An dieser Stelle hätten wir vor zwei Tagen fast unser Zelt aufgebaut, doch da der Boden zu steinig war, sind wir eine Ebene weiter hoch gezogen. Wir wissen, dass man nicht in ausgetrockneten Flussbetten zeltet, doch das diese Stelle der Wasserlauf für sogenannte Flash Floods (plötzlich auftretende Überflutungen) ist, haben wir beim besten Willen nicht erkannt.
Der neue Fluss schneidet uns nun auch den Rückweg zurück zur Zivilisation ab. Das ist aber nicht so schlimm, denn diese Flash Floods verschwinden innerhalb einiger Stunden, eben dann wenn das ganze Regenwasser abgelaufen ist. Ohnehin sind wir nun erstmal damit beschäftigt uns dieses Naturspektakel anzusehen. Wir wandern den Schlammfluss entlang in Richtung Canyon. Am Rande des Canyons verschlägt es uns fast den Atem: die gewaltigen Schlammmassen stürzen circa 100 Meter in die Tiefe. Das ist mal wieder ein Erlebnis völlig neuer Natur für uns. Gleichzeitig haben wir immer im Hinterkopf, was passiert wäre, wenn wir unser Zelt ein paar Meter weiter vorne aufgebaut hätten.
Tag 4 verbringen wir wieder im Arches NP, denn wir wollen noch zum weltberühmten Delicate Arch wandern. Allerdings ist der andere, einfach zu erreichende Aussichtspunkt wegen einer Schlammüberflutung vom Vortag noch gesperrt, sodass sich leider sehr viele Leute auch für diese Wanderung entscheiden. Eine Wegbeschreibung brauchen wir nicht, die Menschenschlange zieht sich bis zum Horizont. Ganze Busladungen von Asiaten scheinen unterwegs zu sein. Weiße Haut gilt in China als Schönheitsideal, sodass viele von ihnen langärmelige Pullover, Gesichtstücher und sogar Handschuhe tragen, um der Bräunung ihrer Haut durch die sengende Sonne zu entgehen. Wir fragen uns wie sie das in dieser Hitze aushalten. Oben am Ziel tummeln sich wie erwartet etliche Leute, so dass es schwer wird Fotos zu machen, bei denen der Steinbogen das Hauptmotiv darstellt.
Das, was wir wegen dem Unwetter im Canyonlands verpasst haben, holen wir am letzten Tag nach. So lernen wir in der Nähe des Upheaval Domes, einem großen Krater, Tatjana und Michi kennen, die beiden Abenteurer und Slot Canyon Wanderer aus Bayern. Wir werden sie später in Escalante wieder treffen und sie haben uns auf die wunderbare Idee gebracht Slot Canyons zu bewandern. Später treffen wir auch noch Reto und Andrea aus der Schweiz, welche uns nach einem längeren angenehmen Gespräch je eine kühle Cola schenken. Was für ein Genuss! Mit dieser kleinen Sache haben sie uns eine sehr große Freude gemacht, denn wenn man, so wie wir, monatelang nur wohltemperiertes Wasser trinkt, ist so eine kühle Cola wie eine kleine Geschmacksexplosion für uns. Nach fünf erlebnisreichen Tagen brechen wir nun nach Arizona auf.
Das Monument Valley und der Grand Canyon warten schon auf uns.
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You have to think like a cow – Teil 2
Das Leben auf einer Ranch ist nicht einfach. Roger und Janet arbeiten meistens von früh morgens bis spät abends, ohne richtiges Wochenende und hatten seit elf Jahren keinen Urlaub mehr. Je nach Jahreszeit folgt die Arbeitsbelastung dem Rhythmus der Natur. Die körperliche Arbeit ist schwer, vom Eimer schleppen über Bewässerungsrohre ausrichten hin zu Einfangen von Kühen vom Pferd aus mit dem Lasso oder Kälber impfen und markieren. Selbst das Schwingen einer Peitsche erfordert viel Kraft, was wir selbst durch Ausprobieren erfahren durften. Alle Probleme die Auftreten, wie das Kaputtgehen eines Arbeitsgerätes, Verfallen von Zäunen, sture Jungbullen usw., müssen selbst gelöst werden. Roger erklärte uns, um eine Ranch zu betreiben und damit zu überleben, muss man alles sein: Cowboy, Farmer, Tierarzt, Mechaniker, Klempner, Wettervorhersager, Pferdeversteher, Hufschmied, Gärtner, Zimmermann, … . Es gibt in allen Bereichen immer etwas zu tun. So erleben wir es auch in den Tagen auf der Farm, jeden Tag gibt es neue Aufgaben, neue Probleme. Wir haben Respekt vor dem was die beiden leisten und können müssen. In Deutschland heißt es ja oft der „dumme Bauer…“, doch wir haben hier gegenteiliges gelernt.
So ging bei uns weiter:
Tag 6 – Di, 02.09.2014
Wir holen mit Hilfe einer hydraulischen Vorrichtung eine Fahrzeugachse vom Feld und fahren anschließend nach Billings, eine Stadt circa 1 Stunde Autofahrt entfernt, um zwei platte Traktorreifen reparieren zu lassen. Dort besuchen wir auch Roger und Janets Kinder Wilkie und Katie an ihren Colleges. Am Abend sind wir wieder mit Heuballen Transport beschäftigt, bevor wir für Roger und Janet ein Abendessen kochen.
Tag 7 – Mi, 03.09.2014
Wie fängt man auf dem Feld 14 Pferde mit einem einzigen Auto? Roger macht es uns vor. Ein Nachbar hatte ihm Bescheid gegeben, dass seine neun Pferde durch einen kaputten Zaun von ihrer Weide ausgebrochen sind. Weitere fünf Pferde von einem anderen Nachbarn haben sich auf der Nachbarweide dazu gesellt. Speziell diese fünf Pferde sind nicht leicht zu handhaben, da mit ihnen noch nicht gearbeitet wurde. Der erste Schritt ist also alle Pferde auf eine Weide zu bekommen und sie dann gemeinsam zum Verschlag zu bringen. Wir scheuchen also mit dem Truck die fünf Pferde des Nachbarn in Richtung Tor zur anderen Weide, wo bereits Stephan mit Rogers Pferden zum Tor gelaufen kommt. Leider entscheiden sich Rogers Pferde plötzlich dazu, in unsere Richtung zu stürmen und somit rennen die fünf ungebändigten Pferde wieder zurück aufs Feld. Nun können wir wieder von vorne anfangen. Durch geschicktes umherpreschen mit dem Truck auf dem Feld, schafft es Roger sie in die richtige Richtung zu lenken. Er weiß also nicht nur wie Kühe denken, sondern kann auch das Verhalten der Pferde gut vorhersagen. Letztendlich schaffen wir es alle Tiere ins Gehege zu treiben.
Tag 8 – Do, 04.09.2014
Wir sehen vertrauenswürdig genug aus, dass uns Roger einmal seine Gewehre und Revolver ausprobieren lässt. Wir üben also Zielschießen auf Dosen, Flaschen und eine Pappschachtel. Anfangs der Reise dachte ich noch es wird wohl kaum einen amerikanischen Haushalt geben, der nicht eine Schusswaffe hat. Mittlerweile glaube ich, dass es kaum einen amerikanischen Haushalt gibt, der nur eine Schusswaffe hat. Jedenfalls starten wir mit dem halbautomatischen Kurzdistanz-Gewehr. Danach folgt ein kleiner Revolver mit 22er Kaliber, ein Spielzeug im Vergleich zur 44er Magnum. Diese muss man schon gut festhalten, damit sie nach dem Abschuss nicht nach hinten wegfliegt, der Rückstoß ist ordentlich und geht durch den ganzen Körper. Auch die Winchester sollte man gut festhalten und an die Schulter pressen. Eine weitere Steigerung ist dann das Langdistanz-Gewehr mit Standfuss und Zielrohr . Zum anvisieren und schießen liegen wir auf dem Boden. Diese fünf Gewehre und Revolver sind nur ein Teil des Bestandes an Schusswaffen auf der Ranch. Für uns Deutsche erscheint dies seltsam, ebenso wie der Sachverhalt, dass man Gewehre im Supermarkt kaufen kann. Für den Großteil der Menschen hier sind Schusswaffen ein Jagd- oder Sportgerät. Es ist hier nicht unüblich, selbst für das Fleisch auf dem Teller zu sorgen. Solange man dies für den eigenen Fleischbedarf macht und nicht für die Zierde an der Wand, erscheint es mir ebenso legitim, wie in den Supermarkt zu gehen, und sich dort das Fleisch von dem Tier zu kaufen, was Andere für einen getötet haben. Viele Leute hier lernen von klein auf, mit Waffen umzugehen. Es ist für sie wie ein Arbeitsgerät – ein Werkzeug, sie kennen die sichere Handhabung. Mit einem Küchenmesser kann man Zwiebeln schneiden oder auf jemanden einstechen. Mit einem Auto kann man von A nach B fahren, oder rücksichtslos umherrasen und Unfälle provozieren. Dennoch finde ich es sehr fraglich, dass hier viele Leute zur „Selbstverteidigung“ versteckt eine Waffe bei sich tragen, wenn sie auf der Straße unterwegs sind. Senkt es wirklich die Kriminalitätsrate, wenn jeder eine Waffe hat und sich somit die „Bösen“ aus Angst vor Gegenwehr nicht trauen Leute auszurauben? Hier also im Umkehrschluss der Vorschlag an unsere Bundesregierung: Schusswaffen legalisieren, das senkt die Kriminalitätsrate… .
Tag 9 – Fr, 05.09.2014
Am Vormittag müssen wir erneut die Pferde einfangen. Diesmal sind sie soweit in den Hügeln, dass wir hier mit dem Truck nicht weiter kommen. Roger macht sich mit einem Eimer Futtergetreide auf den Weg und gewinnt so das Vertrauen einiger Tiere. Einige Tiere folgen ihm und der Herdentrieb sorgt dafür, dass noch weitere nachkommen. Kein Pferd steht gerne alleine auf der Weide. Während Roger also die Pferde einsammelt, kümmern wir uns mit einem Nachbarn darum den Stacheldrahtzaun zu reparieren. Der Mann hat bei einem Arbeitsunfall eine Hand verloren, an deren Stelle sitzt nun ein Metallgreifer. Geschickt wickelt er damit den Stacheldraht und es ist wie immer in solchen Situationen: schaut man hin, kommt man sich vor als würde man gaffen, schaut man weg sieht es eben nach Wegschauen aus. Im Hinterkopf denkt man darüber nach, wie jemand so den Arbeitsalltag auf einer Ranch meistert. Nach der ersten halben Stunde sind vier Pferde am Truckende angeleint, nach einer weiteren halben Stunde alle neun. Während Stephan den Truck zurück zum Verschlag fährt, führen Roger und ich die Pferde an der Leine zurück zu ihrem Stall. Eine dreiviertel Stunde Fußmarsch über Feld und Hügel mit drei freundlichen Pferden an der Leine zählt dann für mich doch zu den besonderen Erlebnissen. Stephan konnte derweil neue Erfahrungen im Off-Road-Fahren machen, denn die Weiden auf denen wir uns befinden, sind alles Andere als eben. So durfte er den Pickup entlang steiler Böschungen herunter und herauf fahren, um dann wieder auf die Straße zu gelangen.
Am Nachmittag sammeln wir mit Hilfe des Traktors die schweren Rohre des Bewässerungssystems vom Feld und ziehen die Wasserpumpe aus dem Creek. Zur Belohnung gibt es Janets Spezial-Marshmellow-Schokoladen-Crisp-Kuchen. Da wir bisher nur Stacheln von Stachelschweinen gesehen haben, wir aber noch keines haben rumlaufen sehen, fährt Roger in der Nacht mit uns aufs Feld um im Scheinwerferlicht welche zu suchen. Tatsächlich, da wackeln sie mit ihrem riesigen Stachelhintern übers Feld. An einem der letzten Tage hatte auch der Hund Tom nochmal das Vergnügen gehabt, seine Schnauze in ein Nadelkissen zu verwandeln. Gleiche Prozedur, gleiche Quälerei.
Tag 10 – Sa, 06.09.2014
Heute ist mal Wochenende. Wir machen unseren zweiten Ausritt. Diesmal geht es richtig ins Gelände über Stock und Stein. Wir klettern mit den Pferden felsige Pfade hoch und runter und müssen uns unter Bäumen ducken. Zunächst war ich etwas skeptisch ob wir das schaffen, doch dann macht es richtig Spaß. Später fahren wir mit Roger und seiner Tochter Katie zur „Truck Pull Championship“ in Red Lodge. Aufgepimpte Pickup Trucks ziehen auf sandigem Boden in verschiedenen Gewichtsklassen einen speziellen Schlitten hinter sich her. Wer die meiste Strecke macht gewinnt. So werden wir Zeugen eines etwas außergewöhnlicheren US-Sport. Anschließend fahren wir auf die Weide, auf die wir vor einigen Tagen die Kühe gebracht haben und prüfen, ob alles in Ordnung ist.
Tag 11 – So, 07.09.2014
Es ist unser letzter Tag und so reiten wir noch ein letztes Mal ins Gelände (Roger mit Turbo, Stephan mit Showdown, Ulli mit Scarlet) Wir reiten zunächst über das Feld hinter die Ranch auf einen Hügel. Das durch die Abendsonne goldfarben leuchtende Grass biegt sich sanft im Wind und der Sagebrush verbreitet seinen angenehmen Duft. Circa 500m entfernt steht ein Hirsch der uns argwöhnisch beobachtet und dann im Busch verschwindet. Zwischen knorrigen Nadelbäumen geht es wieder steinige Anstiege hinauf und hinunter. Diesmal reiten wir ohne Führungsleine, wir führen unsere Pferde selbst durch die für uns Anfänger etwas schwieriger zu bereitende Landschaft. Die Hunde Tom und Jerry begleiten uns dabei. Hoffentlich werden die Pferde von keiner Klapperschlange aufgeschreckt. Vom Hügel aus haben wir einen wunderschönen Blick in die Ferne, auf die hügeligen gelbfarbenen Weiden Montanas, in deren Hintergrund die Prior Mountains und die Bergkette aufragen, die wir von Yellowstone aus mit dem Beartooth Pass überquert hatten. Das Wasser des Cooney Damn glitzert in der Sonne. Es ist einer dieser Momente und Anblicke, die sich hoffentlich für ewig ins Gedächtnis brennen. Zurück in der Ranch reiten wir noch etwas auf dem Platz. Nachdem wir die Pferde abgesattelt haben, gehen wir über den Creek zurück zum Farm Haus. Es ist inzwischen schon dunkel und fast Vollmond.
Am Morgen war das Hühnerhaus umgezogen. Die Hühner sind nun verwirrt und kehren zur Nachtruhe nicht in ihr Haus zurück. Stattdessen glucken sie irgendwo zwischen den Landmaschinen. Wir sammeln alle ein um sie zu ihrem Haus zu bringen. Mit je zwei Hühnchen unterm Arm, spazieren wir so im Mondlicht mehrmals über den Hof. Das war unsere letzte erinnerungswürdige Aktion auf dem Hof, denn am nächsten Tag reisen wir ab. Der kommende Winter und das begrenzte Aufenthaltsvisum zwingen uns weiter zu fahren, auch wenn wir eigentlich gar nicht mehr weg wollen. Wir hatten ja sogar den geplanten Umweg zu Mt. Rushmore und Devils Tower gekippt, um noch zwei Tage länger bleiben zu können. Was sind schon ein paar Felsbrocken gegen solch eine Erfahrung? Wir haben eine großartige Zeit auf der Ranch mit Roger und Janet gehabt und es ist definitiv ein Highlight auf unserer Reise. Wir haben viel von den beiden gelernt, waren viel draußen, haben mit Tieren gearbeitet und wurden von Janets ausgezeichneten Back- und Kochkünsten verwöhnt. Jeder Tag war anders und bot uns neue Überraschungen. Wir haben gelernt wie man Traktor fährt, Zäune repariert, Kühe verlädt, Pferde sattelt, Peitschen schwingt, Stacheln aus Hundeschnauzen zieht, Heuballen lagert usw. Wir haben Roger und Janet sehr zu schätzen gelernt und uns bei Ihnen sehr wohl gefühlt. Wir haben viel gemeinsam gelacht, aber auch interessante Themen diskutiert.
Roger und Janet, Danke Euch vielmals für diese erlebnisreiche und tolle Zeit!
Posted in USA by Ulli