Südmexiko – Mayadorf und Umlenkhebel

13.-21.03. 2015
 
Am Abend möchte uns Vera noch etwas zeigen. Zum einen die Ruinen von Aké und ein Mayadorf. Viel interessanter als die Ruinen war jedoch eine Spinnfabrik direkt daneben. Leider konnten wir ohne eine circa 10€ teure „Fotoerlaubnis“ keine Fotos machen, doch einen Blick durften wir riskieren. Ich fühlte mich wie ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Auf der einen Seite im Gebäude liegt der Rohstoff: Fasern der Sisal-Agave, die hier in der Gegend auf Feldern angebaut wird (aus Agaven wird auch Tequila hergestellt). Am anderen Ende wird das Endprodukt, ein mitteldicker Strick auf große Rollen gewickelt. Dazwischen befinden sich zahlreiche Maschinen, welche Fasern und Fäden in einer Geschwindigkeit verarbeiten, dass man kaum erkennen kann was da genau passiert. Die ganze Anlage sieht jedenfalls aus wie ein Museumsstück, welches aus den alten Zeiten der Industrialisierung in Europa stammt. Nur, das es hier noch läuft, rotiert und klappert. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, dass wir nicht einfach die Erlaubnis gekauft haben. Es wären sicherlich einige sehr interessante Fotos und Filmchen dabei herausgekommen.
 
Zum Schluss bleibt noch das Maya-Dorf San José Oriente, welches uns Vera zeigen will. Es ist früher Abend und scheinbar alle Dorfbewohner sind auf der Straße. Die Frauen tragen alle traditionelle Kleidung. Einige schauen uns skeptisch an, andere lächeln freundlich. Am Hauptplatz sitzen und stehen sowohl alte als auch junge Männer gesellig beisammen. Als wir mit unseren drei Bikes dort ankommen, sind wir natürlich das Zentrum der Aufmerksamkeit. Das heißt nicht, dass alle gleich auf uns zustürmen, aber aus sicherer Entfernung wird geschaut und getuschelt. So, was machen wir nun hier? Wir fühlen uns etwas unbeholfen und wissen nicht so richtig wie wir auf sie zugehen sollen, erscheint es uns doch komisch einfach zu fragen, „na, wie geht’s so?“. Vera kennt einige der Leute, da er auch hier regelmäßig seine Backwaren vertreibt. Auf seinen Vorschlag hin fahren wir eine kleine Runde durchs Dorf. Da es schon halb dunkel ist lohnt es sich nicht mehr die Kamera auszupacken und wir überlegen uns, am nächsten Tag wiederzukommen. So tauchen wir am Folgetag nochmals in San José Oriente auf, diesmal ohne unseren „Guide“, was uns die Kontaktaufnahme nicht gerade erleichtert. Wir wollten gerne ein paar indigene Mayas fotografieren. Vielleicht ist das auch ein fragwürdiges Anliegen, wenn man es aus der Perspektive der Dorfbewohner betrachtet. Sie wohnen dort ihr Leben lang und plötzlich kommen Fremde mit ihren Kameras. Wie würde sich ein Deutscher fühlen, wenn ein Fremder über die Gartenhecke schaut und fragt ob er ein Foto machen dürfe? So kommen wir uns auch etwas komisch vor und wissen nicht so recht ob wir nun jemanden fragen sollen oder nicht. Die Mayas sind zudem sehr schüchtern, besonders was Fotos angeht.
 
Die typischen Häuser hier sind einfache Lehmbauten mit ovalem Grundriss und einer Öffnung jeweils auf den langen Seiten. Man kann also quer hindurchschauen und in der Mitte sehen wir häufig jemanden in der Hängematte liegen. Die Dächer sind aus Wellblech oder getrockneten Blättern errichtet, der Boden ist einfache Erde. Ab und an gibt es aber auch Massivhäuser aus Stein. Auf den Straßen laufen Schweine, Hunde, Truthähne und Hühner umher. Kinder erspähen uns und verstecken sich kichernd wieder, manche winken. Ein paar Kinder spielen auf der Straße und als sie uns erblicken werden sie neugierig. Ein kleiner Junge fragt uns ob wir ein Foto von ihm machen wollen, er hat uns wohl unser Anliegen von den Augen gelesen. Erfreut über das Angebot machen wir einige Fotos von ihm und seinem kleinen Cousin und bald sind auch die anderen Kinder dabei. So kommen wir etwas ins Gespräch und bekommen auch noch eine tropische Frucht angeboten, welche die Kinder gerade vom Baum geschlagen haben.
 
Eigentlich sollte die weitere Route nach Tulum, zu den Maya Ruinen am Meer gehen, denn zur Touristenhochburg Cancun wollten wir gar nicht erst in den Norden fahren. Allerdings sind die beiden anderen Motorradreisenden Joey (Josephine) und Daniel gerade in Cancun. Die beiden wollten wir gerne wiedertreffen und da unser Kontakt in Tulum auch noch abgesagt hatte, haben wir die Route kurzerhand umgelegt. Es gibt natürlich viel zu erzählen, haben wir doch während unseren Reisen jeweils viel erlebt. Uns gefällt jedenfalls die neue Gesellschaft und es ist schön sich mit Gleichgesinnten auf Deutsch zu unterhalten. Zudem haben wir einen ähnlichen Humor und daher gibt es immer etwas zu lachen.
 
Das Lachen vergeht uns jedoch kurzzeitig, als wir feststellen, dass beim tiefergelegten Bike der Ausgleichsbehälter des neuen Öhlins Federbein offensichtlich auf die Schwinge durchgeschlagen ist. Was nun? So darf es nicht bleiben, ist doch die Gefahr zu groß, dass der Ausgleichgehälter, in dem sich das Gas unter Hochdruck befindet, beschädigt wird. Sch…ße, denken wir uns, gerade 6 Wochen festgehangen und nun schon wieder so ein Problem mit der Federung. Eine Möglichkeit wäre massiv Gepäck loszuwerden. Ein bis zwei Kilo sind vielleicht drin, doch für wesentlich mehr Gewichtseinsparung müssten wir Campingausrüstung und Werkzeuge abwerfen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Federbeine der beiden Motorräder zu tauschen, da in dem anderen das Original Federbein sitzt und der Behälter etwas kleiner ausfällt. Die langwierige Prozedur haben wir ja erst durch… . Eine andere Idee ist, das Bike wieder auf seine ursprüngliche Höhe zu legen, nur fehlen uns dazu die Originalen Umlenkhebel, die natürlich zu Hause in einer Kiste liegen. Die rettende Idee ist nun, die Umlenkhebel der beiden Maschinen temporär zu tauschen, bis wir die Originalteile haben. Gesagt getan, auf dem Zeltplatz errichten wir mithilfe von Holz- und Steinblöcken unsere eigenen Motorradheber, da wir bei beiden Maschinen gleichzeitig die Hebel für den Kreuztausch ausbauen müssen und dummerweise der Hauptständer zur Entnahme der Bolzen im Weg ist. Ab und an kommt uns ein Leguan besuchen und schaut uns neugierig bei der Arbeit zu. Nun muss sich Stephan mit einer tiefergelegten Maschine vergnügen, während ich feststelle, dass es sich mit der Originalhöhe eigentlich viel besser fährt, abgesehen von den Situationen, in denen ich mit den Füßen den Boden berühren muss, um zu rangieren. Parallel dazu sind zu Hause die originalen Umlenkhebel schnell gefunden und werden im Paket nach Guatemala vorausgeschickt.
 
Von Cancun selbst haben wir gar nicht so viel gesehen, worüber wir aber auch nicht böse sind. Naja Stephan vielleicht ein wenig, da wir gar nichts von den Spring Break Ritualen mitbekommen haben, welche hier gerade von den US-Teenies gefeiert werden.
An den Höhlen von Loltun hatten wir auch die beiden jungen Deutschen Patrick und Matthias kennengelernt, welche eine dreiwöchige Rundreise über die Halbinsel gemacht haben. Wir haben uns recht gut verstanden, es gab viel zu besprechen und so kommt es, dass wir uns mit den beiden nochmal in Cancun wiedertreffen. Sie erklären sich auch bereit mein Objektiv mit nach Deutschland zurück zunehmen, welches kürzlich seinen Geist aufgegeben hat. Das 70-200mm Teleobjektiv macht nur noch matschige und detaillose Fotos, womit es nur noch unnötiger Ballast geworden ist. Wahrscheinlich hat sich während der ganzen Motorradfahrten etwas losgerappelt, obwohl wir es extra gepolstert hatten. Schade, es war mein Lieblingsobjektiv und nun muss ich erstmal auf lange Brennweiten verzichten.
 
Beim Playa de Akumal sind Joey und Daniel zu einer Party eingeladen, zu der wir auch mitkommen dürfen und es stellt sich heraus, dass es die Abschiedsfeier von einem mexikanischen Pärchen ist, welches sich auch mit dem Motorrad auf eine lange Reise begibt. So treffen wir viele andere Motorradreisende, darunter auch Simon und Lisa, die beiden Engländer, die seit 11 Jahren mit ihren beiden BMWs durch die Welt fahren. Sie haben ihre Reise schon halb zum Beruf gemacht und verdienen mit Texten, Präsentationen und dem Verkauf von Fotos und Merchandise-Produkten Geld für ihre Reisekasse. Das hört sich vielleicht erstmal interessant an, doch muss man auch dafür bereit sein, seine eigene Reise entsprechend zu vermarkten. Dementsprechend wäre man wohl immer auf der Suche nach „den“ Stories, die sich meistens aber nicht ergeben indem man sie gezielt sucht.
 
Bevor wir uns nach 3,5 Monaten endgültig von Mexiko verabschieden, vertreiben wir uns noch ein wenig die Zeit an der Laguna de Bacalar mit Paddelborad fahren und entsprechenden Wasserschlachten.
Unsere Zeit in Mexiko war sehr erlebnisreich und wir haben viele Menschen hier sehr lieb gewonnen. Wie oft haben wir in den USA gehört „isn’t it dangerous down there?“. Mexiko hat uns gelehrt, dass die ganze Angstmacherei unsinnig ist, vor allem wenn sie von Leuten betrieben wird, die noch nie dort gewesen sind oder von Regierungen, die wirtschaftliches Interesse daran haben, andere Länder in Armut zu halten. Leider mussten wir in den USA auch von schießgeilen texanischen Rentnern erfahren, welche private „Grenzpatrouillen“ fahren und denken, sie dürfen über Leben und Tod illegaler mexikanischer Einwanderer entscheiden. Solche Dinge machen uns nun noch trauriger, da wir die andere Seite nun kennen. Läge nicht das Mittelmeer als natürliche Grenze zwischen Europa und Afrika, hätte die EU sicherlich auch mehr Stacheldrahtzäune und Munition bereit liegen.
Ja, es gibt den Drogenkrieg, Korruption und viel Armut in Mexiko und man darf dies keinesfalls herunterspielen. Doch das heißt andererseits auch nicht, dass an jeder Straßenecke jemand lauert und einen umbringen will. Das alltägliche Leben findet hier ganz normal statt. Ich spaziere auch nicht gerne nachts allein in Frankfurt am Hauptbahnhof, in der Münchener U-Bahn, in Köln-Chorweiler oder in Berlin-Neukölln herum. So gibt es auch in Mexiko Gebiete die man meiden sollte. Viele Geschichten von ausgeraubten Touristen enttarnen sich bei näherem Hinsehen als Geschichten von Leuten die nachts allein oder betrunken zum Hotel zurück laufen und damit leichte Opfer sind. Wenn man sich vorher informiert wo die Brennpunkte sind und ansonsten gesunden Menschenverstand walten lässt, kann man Mexiko sehr gut bereisen und wird von seiner Vielfalt und den herzlichen Menschen begeistert sein. Wir hatten geplant das Land in 2 Wochen zu durchfahren, geworden sind es 16.
 
Wir wurden doch tatsächlich von einer Mexikanerin gefragt, ob es in Deutschland nicht gefährlich sei, sich als Ausländer aufzuhalten. Sie hatte ernsthafte Bedenken bezüglich ihrer zukünftigen Reise in unser Heimatland. In einer Dokumentation hatte sie gesehen, welche Verbrechen Rechtsradikale in unserem Land an Ausländern verüben. Als Deutsche können wir uns dafür nur schämen und sind betrübt über dieses Bild, welches in der Außenwelt kursiert. Genauso betrübt sind die Mexikaner, wenn sie erfahren, wie sie von der westlichen Welt gesehen werden. Liest man die Sicherheitsinformationen zu Mexiko auf der Seite des ausländischen Amtes, würde man wahrscheinlich ebenso von einer Reise in das Land absehen. Woher sollte man es auch besser wissen? Wir sind angewiesen auf die Informationen, die uns andere bereitstellen. Doch es gibt scheinbar immer mehrere Wahrheiten und die Negativberichte der Medien sind vielleicht eine davon. Ein weiterer Grund für diese Reise: es gibt uns die Gelegenheit das, was uns die Medien weismachen wollen, mit dem zu vergleichen was in der Realität passiert.
 


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Südmexiko – Öl, Ruinen, Cenoten und Brot

01.-13.03. 2015
 
In Puebla haben wir über die Dauer von 6 Wochen das Alltagsleben in einer mexikanischen Großstadt kennengelernt und verschiedenste kulturelle Ereignisse miterlebt. Auch wenn wir uns bei Rosy und Tony sehr wohl gefühlt haben, kam nach einiger Zeit der Wunsch auf, weiter zu reisen, wenngleich wir uns kaum mehr vorstellen können, wie es ist, wieder jeden Tag unterwegs zu sein. Der Abschied viel dann doch schwer, vor allem da wir nicht wissen, ob es ein Wiedersehen geben wird. Als sich dann die Familie links und rechts vor der Ausfahrt aufreiht und jeder mit einem weißen Tuch winkt, als wir hinausfahren, wird es nicht leichter. Im Rückspiegel sehen wir sie zum letzten Mal.
 
Der Süden Mexikos bietet uns genau die Abwechslung, die wir uns nach so langem Aufenthalt in ein und derselben Stadt gewünscht haben. In einem Tagesritt düsen wir nach Coatzacoalcaos, einer Stadt an der Ostküste im Bundesstaat Veracruz, in der uns Tonys Schwester einen Kontakt vermittelt hat. Nachdem wir am Pico de Orizaba vorbeigerauscht sind und von 2000 Meter Höhe ins Tal hinab fahren, wechselt das trockene und staubige Wüstenklima schnell in schwülwarme Subtropen.
 
Wir befinden uns nun am Golf von Mexiko, an dem das schwarze Gold gewonnen wird: PEMEX ist der staatliche Mineralölkonzern Mexikos und besitzt ein Monopol für den Verkauf von Diesel und Benzin im ganzen Lande. Auch wir haben ausschließlich bei PEMEX unsere Tanks gefüllt, weil es keinen einzigen Mitbewerber in Mexiko für den Verkauf von Treibstoff gibt. Wenn Wikipedia Recht hat, dann wird die Staatskasse Mexikos zu einem Drittel durch die Gewinne des Ölkonzerns gefüllt. Der Konzern hat in Coatzacoalcos zahlreiche Bohrinseln, Raffinerien, Industrieanlagen und einen großen Hafen für den Öltransport. Zu uns sagte mal ein Mexikaner: „Mexiko hat viele schöne aber auch viele hässliche Orte“. Die Raffinerien an denen wir vorbeifahren gehören zumindest nicht zu den schönen Orten.
 
Der Vater der Familie, die uns sehr herzlich aufgenommen hat, arbeitet seit Jahren bei PEMEX und trägt auch noch beim Abendessen ein Hemd mit dem Emblem seines Brötchengebers. Alfred, der Neffe, studiert Chemie und macht in einer der Anlagen in der Umgebung ein Praktikum. Gemeinsam fahren wir zum Ufer am Stadtrand, wo vor 20 Jahren richtiger Strand mit Sand und Palmen war. Heute steht hier eine lange Mauer und von weitem sehen wir die Lichter der Erdölanlagen. Im Vergleich zu anderen Jobs in Mexiko verdienen die Menschen hier relativ gut. Die Familie beklagt allerdings das Fehlen von kulturellen Einrichtungen wie Kinos oder Theater beziehungsweise anderen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Die Stadt sei aufgrund des Ölbooms schnell gewachsen, doch seien kaum Möglichkeiten hinzugekommen, das Geld für Freizeitaktivitäten auszugeben. Unsere Gastgeber waren so freundlich zu uns, dass wir einerseits gerne noch einen weiteren Tag geblieben wären, doch aufgrund der langen Pause wollten wir andererseits weiter.
 
In Chiapas de Corzo besuchen wir den Biker Eduardo. In einer großen Halle hat er drei Motorräder zu stehen, darunter auch eine ältere BMW GS 1200. Zugleich sind auch die beiden Mexikaner „Ghost“ und seine Freundin Mayra Gast, die mit ihrer Harley bei einem Biker Treffen in Belize City waren und nun auf der Rückreise nach Mexiko Stadt sind. Ghost versorgt uns mit Kontakten in Campeche und Yucatan, bei denen wir später tatsächlich vorbeifahren. Mit den beiden machen wir am nächsten Tag eine Tour mit einem der Boote von Eduardos Touristikunternehmen. So bekommen wir ein wenig Rabatt auf den Ausflug. Auf dem Rio Grijalva fahren wir zwischen den steilen, bis zu 1000m hohen Felswänden des Canyon del Sumidero entlang. Dabei bekommen wir am Flussufer sogar einige Krokodile zu Gesicht und in den Bäumen tummeln sich Affen.
 
Stephan hat abends leichtes Fieber und Husten. Da macht sich leichte innere Panik breit: nicht schon wieder, wir haben genug von Krankheiten… . Vorsichtshalber gehen wir gleich zu einer Arztpraxis. Doch wie vermutet will uns die Ärztin direkt ein Antibiotikum verschreiben. Wir kaufen es gar nicht erst, es gab schon genug Antibiotikum für uns in der letzten Zeit. Die Symptome sind zum Glück später von allein wieder verschwunden.
 
Die nächste Tagesetappe führt uns über kurvige Bergstraßen vorbei an Palmen und Nadelbäumen, die oftmals direkt nebeneinander stehen. Eine solche Kombination von Vegetation war mir bisher unbekannt. Direkt vor dem Nationalpark von Palenque finden wir dank einem Tipp von Joey und Daniel, den beiden anderen Motorradreisenden die wir in San Diego getroffen hatten, eine günstige Unterkunft in einem Bungalow-Dorf im Dschungel. Allerdings macht uns der bauliche Zustand dieser Doppelstockhäuschen nachdenklich, als wir in unserem Zimmer die Schwingungen spüren, sobald jemand die Wendeltreppe hinaufkommt. Wir nehmen uns einen Tag Zeit um die Maya Ruinen von Palenque zu besichtigen. Diese im Dschungel liegende alte Stadt lädt sowohl zu Entdeckungstouren in den weiter abseits im Wald gelegenen Anlagen als auch zum Herumklettern auf den größeren Ruinen von Palast und Tempeln ein. Im Gegensatz zu anderen Ruinenstädten ist das hier noch erlaubt. Vom Kreuztempel aus haben wir einen Blick über die ganze Ruinenstadt und weit bis zum Horizont des Dschungeltieflandes.
 
Unsere Route führt uns weiter nach Campeche, wo wir den Biker Ambrosio besuchen. Er wohnt in einer hübschen Gartenanlage, die er gelegentlich für Events wie Hochzeitsfeiern vermietet. Wir dürfen unter dem Carport unser Zelt aufschlagen und auch den großen Pool jederzeit benutzen. Zum Mittagessen werden wir von Ambrosio und seinen Freunden zu Fischtacos eingeladen. Der Fisch kommt direkt vom Grill und die frische Salsa trägt das Übrige zu diesem leckeren Geschmackserlebnis bei. Ambrosio ist Mitglied im Bikerclub „Piratas Campeche“ und ist mit einer Harley Davidson und entsprechenden Aufnähern für seine Bikerklamotten ausgerüstet. Auf einer abendlichen Rundfahrt zeigt er uns die Stadt Campeche, mit ihrer alten Stadtmauer und den zwei Forts, welche der Verteidigung gegen Piraten dienten. Am Sonntag geht’s auf zur gemeinsamen Ausfahrt mit dem Bikerclub. Mit sieben Motorrädern fahren wir nach Hopelchén, wo uns einer der Biker zum Grillen bei seiner Familie einlädt. Auf dem Weg machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Edzna, einer der zahlreichen archäologischen Stätten der Halbinsel Yucatan.
 
Zu Gunsten der Grutas von Loltun, einem Höhlensystem, verzichten wir auf einen Besuch der bekannten Ruinen von Uxmal. Die Yucatan Halbinsel ist von einem Netz aus Höhlen und unterirdischen Süßwasserläufen durchzogen. Daraus ergeben sich viele kleine und große Highlights, die man bei einem Besuch der Region nicht verpassen sollte: Cenoten. Cenoten sind Wasserlöcher, die durch den Einsturz der Kalksteinhöhlen entstanden sind. Sie können oben komplett offen sein oder nur ein kleine Öffnung in der Decke haben, durch das die Sonnenstrahlen scheinen. Die üppige Vegetation ringsherum und das meist sehr klare Wasser lassen diese Orte wie kleine Paradiese erscheinen. Voll touristisch erschlossenen und mit Mauern umbaut, bis hin zu im Dschungel versteckten oder sogar noch unentdeckten Cenoten findet sich auf der Halbinsel alles. Für die Maya sind die Cenoten heilig, sie sind der Eingang zur Unterwelt der Toten, aber auch wichtige Süßwasserquelle. Mit circa 6000 Cenoten befindet sich auf der Halbinsel das vermutlich größte Unterwasserhöhlensystem der Erde. Die Höhlen der Grutas von Loltun sind ein System aus ehemaligen Cenoten und Unterwasserhöhlen, die aufgrund einer natürlichen Senkung des Wasserspiegels aber heute trocken und damit begehbar sind. In jeder der Haupthöhlen begegnen uns andere Kalksteinformationen wie Stalagniten und Stalaktiten und wir fühlen uns mal wieder wie in einer anderen Welt.
 
Bis zu unserem Ziel nach Tahmek ist es nicht mehr weit und so machen wir nach dem Besuch der Höhlen noch halt bei einer unbekannteren alten Mayastadt: Mayapan. Sie ist nicht ganz so groß wie die Berühmtheiten von Chichen Itza oder Uxmal, dafür ist hier kaum ein Mensch und wir haben die ganze Anlage für uns allein. Wir müssen sie lediglich mit den vielen Leguanen teilen, die hier ein scheinbar entspanntes Leben führen. Von der Spitze der sehr Steilen Pyramide in der Platzmitte können wir kilometerweit in alle Himmelrichtungen das flache Yucatan überblicken.
 
In Tahmek, einer kleinen Stadt irgendwo zwischen Merida und Valladolid, sind wir mit dem Bäcker Vera verabredet. Wir wissen nur den Namen der Straße in der er wohnen soll, Straßennamen und Hausnummern sind hier Fehlanzeige. Ein Betrunkener auf dem Marktplatz weist uns wohl eher zufällig in die richtige Richtung und so sehen wir Vera, wie er uns vor seinem Haus sitzend zuwinkt. Direkt vor dem Backraum dürfen wir unser Zelt aufschlagen. Vera bäckt Brot, Pizza und süße Teilchen und liefert diese an alle mögliche Läden und auch Schulen in der Umgebung, einen eigenen Verkaufsraum hat er nicht. In der Bäckerei zeigt uns Vera die alten Knetmaschinen, Teigwalzen und den Ofen. Das Brot wird auf einem langen Holztisch geformt. Es wäre interessant wie das deutsche Gesundheitsamt auf diese Backstube reagiert hätte. Was hier in Mexiko völlig normal ist, wäre in Deutschland ein Skandal. Die ganze Familie ist in den Backbetrieb einbezogen. Die Söhne und der Partner der schwangeren 16-jährigen Tochter helfen beim Backen und beim Ausliefern mit dem Motorrad oder Auto. Vera erzählt uns das er so circa 80 Pesos am Tag verdient, was ungefähr 5€ entspricht.
 
Einige Male im Jahr verdient er sich jedoch an der Küste etwas dazu: mit Seegurken kochen. Im Norden von Yucatan ist das Meer reich an Seegurken, welche im asiatischen Raum stark als Potenz- und Heilmittel nachgefragt sind. In China werden zum Teil mehrere Hundert Euro für bestimmte Seegurkenarten bezahlt. Wir hatten uns damals schon in Chinatown in San Francisco über die Preise einiger Seegurken gewundert: $500 pro Pfund waren keine Seltenheit. Das Kochen der Seegurken wird jedenfalls gut bezahlt, da es anstrengende Arbeit verbunden mit Hitze und Gestank ist. Vera erzählt uns auch von den „Seegurken-Baronen“, einige wenige Männer, die die Lizenz zum Seegurkenhandel haben und angeblich Millionen von Dollar damit verdienen. Man könnte auch von einer Art Seegurken-Mafia sprechen, die niemanden von außen ins Geschäft lässt.
 
Die mexikanischen Bundestaaten auf der Yucatanhalbinsel heißen Quintana Roo, Campeche und Yucatan. Diese Regionen sind vom mexikanischen Drogenkrieg, der sich zwischen den Kartellen, Polizei und Militär abspielt nicht betroffen. Laut der Aussage von Vera, liegt es daran, dass dort die Drogenbosse ihre Häuser haben, in denen ihre Frauen und Kinder leben.
 
Vera fährt jedenfalls auch Motorrad und daher machen wir eine gemeinsame Tour in die Umgebung und besuchen einige Cenoten. Manche der Eingänge sind nur ein unscheinbares Loch in der Erde. Umso überraschter sind wir, als wir diese bildschönen Unterwelten zu Gesicht bekommen. Gleichzeitig sind wir froh, die Motorradkluft gegen Badesachen einzutauschen und ins kühle Nass zu springen, denn die Hitze draußen ist unerträglich. Allerdings ist es schon fast ein wenig gruselig unterirdisch in dem eigentlich klaren Wasser zu schwimmen. Da zum Teil kein Sonnenlicht auf das Wasser trifft, sieht man nur schwarz wenn man unter sich blickt und man muss aufpassen dass man sich nicht an Felsen und Steinen stößt, oder war es doch ein noch unentdecktes Höhlenmonster?
 
Auf dem Weg zur dritten Cenote werden wir durch den starken Regen fast völlig durchnässt. Kurz nach uns kommen an der Cenote zwei Argentinier mit einem Guide an, denen wir uns kurzerhand anschließen und so in den Genuss einer kostenfreien Führung kommen. Man hätte uns ja vorher sagen können, dass wir für die Begehung lieber direkt Badesachen anziehen sollten. Nachdem wir den glitschigen Abstieg hinunter sind, waten wir bald bis auf Brusthöhe durch das Wasser. Dann, als die Höhle zu Ende sein scheint, macht uns der Guide auf einen kleinen handbreiten Spalt aufmerksam. Das wäre die Stelle, wo wir nun tauchen müssten. Ach so, na gut, dann legen wir eben die Kamera weiter vorne ab, durchnässt waren wir ja eh schon. Mit etwas Überwindung und im Licht der drei Taschenlampen tauchen wir hindurch und finden uns dann in einer Art Tropfsteinhöhle wieder, an deren Decke duzende Fledermäuse hängen. Solche spontanen Erlebnisse sind nicht immer komfortabel, machen aber irgendwie glücklich. Bis auf die Unterwäsche nass, fahren wir erstmal zurück zur Bäckerei, um uns wieder aufzuwärmen.
 


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Zwangspause: Ein Ende ist in Sicht

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Am Samstag, den 7. Februar ist es dann endlich so weit, unser Paket ist zur Abholung bereit. Schnell machen wir uns auf den Weg zur Post und holen das Paket ab. Zum Einbau kommen wir aber an diesem Wochenende nicht mehr, da wir am Sonntag wieder zu einem Ausflug mit Eladio und Mirella verabredet sind. Dieses Mal geht es zum Pico de Orizaba in dessen Nähe auch eines der größten Teleskope seiner Art steht. Dieses wurde in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Universität Mainz entwickelt. Bevor es aber zum höchsten Berg Mexikos geht treffen wir noch, Arely und Cristobal, Freunde von Mirela und Eladio. Gemeinsam fahren wir auf der Ladefläche eines Pickups zu einer nahegelegenen „trockenen Lagune“, welche an einen Krater von einem Meteoreinschlag erinnert. Die Entstehung dieser Krater ist aber bisher noch unklar. Bei sengender Hitze steigen wir in den Krater hinab und nachdem wir uns etwas umgesehen haben wieder hinauf. Zum Abschied bekommen wir noch ein Dominospiel aus Onyx und Ulli, den zum Sonnenschutz getragenen Strohhut geschenkt. Dann geht es aber in einer abenteuerlichen Fahrt der Spitze des Orizabas entgegen. Diese liegt in einer Höhe von 5636m. So hoch kommen wir natürlich nicht und für einen kompletten Aufstieg fehlt uns sowohl die Zeit als auch das Equipment, sodass wir auf halber Höhe ein wenig herumwandern und wenig später die Heimreise antreten. In Puebla angekommen, werden wir zum Abendessen bei Freunden eingeladen und schauen uns noch ein Feuerwerk an, welches nicht mit den europäischen Höhenfeuerwerken verglichen werden kann. An einem großen Drahtgestell befestigte Feuerwerkskörper erzeugen beim Verbrennen die unterschiedlichsten Formen und kreischen beziehungsweise heulen dabei so laut, dass das Ansehen fast schon keine Freude mehr bereitet. Besonders Ulli kann den letzten Stunden kaum noch etwas abgewinnen. Schmerzen und Müdigkeit plagen sie zunehmend. Das sieht ganz nach dem Anfang einer Grippe aus. Mir hingegen geht es langsam wieder besser und der Husten ist deutlich zurückgegangen.

Am Montag wechseln wir dann das Federbein an Ullis Tenere. Was leider sehr viel Arbeit bedeutet und deutlich leichter hätte sein könnte. Um an die obere Schraube des Dämpfers zu gelangen muss quasi das halbe Heck zerlegt werden, damit man das Endschaldämpfer entsprechend entfernen kann. Theoretisch wäre die ganze Prozedur auch in rund 10 Minuten möglich, wenn man besagte Schraube von der anderen Seite erreichen würde. Hier ist aber die Airbox. Einige Bastler haben deshalb in die Airbox ein Loch gebohrt, um an die Schraube zu gelangen. Auch wir haben diese Bearbeitung in Betracht gezogen, wollten aber kein Risiko eingehen, dass die Airbox dabei undicht wird. So heißt es auch beim nächsten Mal alles abzubauen. Nachdem der Tausch geglückt war, geht es für Ulli wieder zurück ins Bett. Erschöpfung und Schmerzen sind ihr stark anzusehen. So habe ich sie noch nie erlebt.

Das zweite Federbein ist nun auch endlich eingetroffen und ich mache mich an diesem Dienstag gleich auf es abzuholen. Im Anschluss fahre ich mit Ulli zum Doc, da sie 38°C Fieber hat und dementsprechend aussieht. Die Diagnose lautet: Entzündung des Rachens. So gibt es auch für Ulli eine Packung Antibiotika. Am Mittwoch tauschen wir dann auch den Stoßdämpfer meiner Tenere in rund 2,5 Stunden. Nachdem sich Ullis Befinden immer mehr verschlechtert und das Fieber steigt, fahren wir am Abend zu einem zweiten Doktor. Dieser ändert die Medikamente uns spritzt ein stärkeres Antibiotika, aber das hilft auch nicht. Das Fieber steigt am Donnerstag sogar bis auf 40°C an. Sodass wir erneut einen Doktor aufsuchen. Dieses Mal ist es ein Freund der Familie dessen „Praxisgebühr“ im Verhältnis zu den beiden anderen deutlich höher ist. Nachdem er die verordneten Medikamente sieht, schüttelt er nur mit dem Kopf und klärt uns über die hiesigen Praktiken der Ärzte auf, die meistens Hand in Hand mit den Apotheken oder Pharmakonzernen arbeiten. Ullis Dosis an Antibiotika wird noch einmal aufgestockt und die restlichen Medikamente ausgetauscht. Nachdem mein Husten in den letzten Tagen wieder zugenommen hat, lasse ich mich auch gleich noch mal durchchecken und bekomme, wie sollte es auch anders sein noch mal Antibiotika. So können wir uns die nächsten Tage die Spritzen gegenseitig hin die Hintern jagen. Obwohl unsere Bikes nun wieder funktionstüchtig sind, wollen und können wir unsere Reise so noch nicht fortsetzen. Die nächsten Tage verbringen wir also im Bett und kurieren uns aus. Tag für Tag geht es uns besser. Ullis Temperatur nähert sich nach einigen Tagen wieder der Normaltemperatur an, dennoch brauchen wir beide noch ein paar Tage, um den Husten wirklich los zu werden. Genug Zeit also um ein Paket für die Heimat fertig zu machen, in welchem wir die zahlreichen Geschenke, die uns bisher in Mexiko gemachten, wurden sowie eine Datensicherung unserer Fotos nach Hause schicken können.

Leider blieb der Tot von Rossis Oma nicht der einzige Schicksalsschlag in diesen Tagen. Rossis Neffe Fernando verbrannte sich bei einem Unfall auf Arbeit so schwer, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. Trotz anfänglicher Hoffnung erlag er seinen Verletzungen nach einigen Tagen. Aus diesem Grund stellte Rossi nach hiesigem Brauch neun Tage lang ein Kreuz und ein Foto von Fernando, umgeben von vier Kerzen, im Wohnzimmer auf. In den nächsten neun Tagen kommen Verwandte und Bekannte um von ihm Abschied zu nehmen. Am neunten Tag wird das Kreuz in einer feierlichen Zeremonie vom Boden aufgehoben und zum Friedhof gebracht.

Nun sind wir bereits so lange in Mexiko, dass uns Rajiv, der Fahrradfahrer, den wir in Kanada kennengelernt haben, hier wieder eingeholt hat. Mit ihm treffen wir uns dann auch in der Stadt und lassen unsere Erlebnisse auf der Strecke Revue passieren. Mal sehen wann wir uns wiedersehen.

So langsam fühlen wir uns wieder so gut, dass wir an die Weiterreise denken. Bevor es aber so weit ist, schaue ich mir mit Toni noch den Karneval an. Die bunten Umzüge sind mit denen in Deutschland kaum zu vergleichen. Vor allem das Schießen mit den Pulverbüchsen ist nett anzusehen, macht aber auch ein wenig Angst. Die Dinger sind richtig laut und mit Sicherheit auf kurze Distanzen nicht gerade ungefährlich. Wenn es dann noch zu einer Schießpulverexplosion kommt, geht es erst richtig rund. Am Wochenende sind wir alle zum 15. Geburtstag von Tonis Cousine eingeladen. Und eh man sich versieht, ist noch eine Woche rum. Eigentlich wollten wir in den nächsten Tagen wieder die Straßen unsicher, aber es kommt anders. Ulli entdeckt auf ihren Mandeln einen weißen Belag, der nichts Gutes vermuten lässt. Sicher ist sicher und da Ulli schon mal Pfeiffersches Drüsenfieber hatte, gehen wir noch mal zu Arturo, den zuletzt besuchten Arzt. Er diagnostiziert eine erneute Rachenentzündung (Pharyngitis), da wir aber endlich weiter wollen und es Ulli deutlich besser geht, lässt sich Ulli dieses Mal Antibiotika verschreiben, die man nicht spritzen muss, sodass wir auch unterwegs die regelmäßige Einnahme gewährleisten können. Nach drei Tagen sehen die Mandeln schon deutlich besser aus und eine letzte Untersuchung bei Arturo am Montagmorgen gibt uns grünes Licht für eine Weiterfahrt. Nachdem wir nun alle Wehwehchen auskuriert und unsere Bikes wieder in Schuss gebracht haben, soll es nun endlich weiter gehen.
Aus 2 Übernachtungen wurden 6 Wochen. Diese waren dank Toni, Rossi und ihren Familien keinesfalls langweilig. Im Gegenteil, quasi als Teil der Familie haben wir sehr viele private Dinge (Hochzeit, Geburtstag, Taufe und Beerdigung) erlebt, die wir als normale Reisende so nie kennengelernt hätten.

Für all das Erlebte und die grenzenlose Gastfreundschaft möchten wir uns hiermit nochmals bedanken. Es ist alles andere als normal 2 wildfremde Menschen 6 Wochen zu beherbergen.

 


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Zwangspause: Geburtstag oder Hochzeit

Bereits seit Mexiko Stadt plagt mich eine Erkältung, diese hält uns aber nicht davon ab am Donnerstag mit Pepe, den wir bei dem Barbecue mit Tonis Familie kennengelernt haben, Fußball zu spielen. Er ist der Ehemann von Tonis Schwester und arbeitet bei Stanley Black & Decker, einem US-amerikanischen Werkzeughersteller. Auf dem Betriebsgelände spielen wir ein wenig mit der Werks(hobby)mannschaft.

Dann ist es auch schon wieder Wochenende und die zweite Woche in Puebla ist wieder wie im Flug vergangen. Am Samstag helfen wir Antonio und Rossi und fotografieren bei einem 15. Geburtstag gemeinsam mit Rossi, während Toni auf einer anderen Veranstaltung fotografiert. Der 15. Geburtstag (Quinceanos) ist in Mexiko etwas ganz besonderes und wird wie eine Hochzeit, inklusive Kirchenzeremonie, gefeiert. 100 bis 200 Gäste sind keine Seltenheit und das Kleid des Geburtstagskindes erinnert an ein Hochzeitskleid oder manchmal auch an das einer Prinzessin. Eine mehrstöckige Torte darf natürlich nicht fehlen. Für diesen Geburtstag spart die gesamte Familie. Und um eines vorweg zu nehmen: Für Jungs wird dieser Geburtstag nicht annähernd so aufwendig gefeiert. Hier liegt die Vermutung nahe, dass man mit dieser Feier die junge Frau an den Mann bringen will. Alles was die Familienplanung angeht, beginnt in Mexiko schon deutlich eher. Mädchen die mit 14 Jahren ihr erstes Kind haben, sind hier keine Ausnahme. Auch Rossis Oma wurde bereits mit 13 Jahren verheiratet und hatte mit 14 ihr erstes Kind. Das ist zwar schon eine ganze Weile her, aber unüblich ist es dennoch nicht. In Deutschland liegt das Durschnittalter für das erste Kind bei rund 30 Jahren. Für Mexikanerinnen ist es in diesem Alter schwer überhaupt noch ein Kind zu bekommen, hier tickt die biologische Uhr deutlich eher. Ob es deswegen richtig ist mit 14 Jahren ein Kind zu bekommen sei mal dahingestellt. An diesem Beispiel sieht man wie unterschiedlich das Leben der Menschen auf der Welt sein kann.

Aber zurück zu dem Geburtstag, auch hier darf eine große Musikanlage nicht fehlen. Mindestens eine Stunde dauerte es bis alle Boxen auf die Bühne gebracht und angeschlossen werden. Kurz danach kommt unser heiß geliebter Gehörschutz wieder zum Einsatz. Wir machen Fotos mit den Gästen, den Geschenkübergaben und natürlich auch dem Geburtstagskind, welches „Dulce“ heißt, was übersetzt „Süße“ bedeutet. Nach einigen Stunden kommt es dann zum Stromausfall und es ist herrlich ruhig. So wie es aussieht, ist nicht nur das Gebäude betroffen, sondern der gesamte Wohnblock ist dunkel. Die Vermutung, dass die Anlage einfach zu viel Strom verbraucht liegt nahe, da man nachdem der Strom nach zirka einer Stunde wieder fließt, nur noch die Hälfte der Boxen benutzt, was immer noch laut genug ist.

Am Sonntag sind wir mit Tonis Schwester Mirella, ihrem Ehemann Eladio und den Söhnen David und Erik verabredet. Zu sechst fahren wir in einem VW Jetta nach Cuetzalan zu den Pyramiden von Yohulichan. Bei dieser Beladung wird jeder Topes zu einer echten Herausforderung und jedes Mal wenn der Asphalt am Unterboden des Autos kratzt, läuft mir ein kalter Schauer den Rücken herunter und ich wünsche mir, dass wir doch besser mit den Motorrädern hinterher gefahren wären. Aber mit den vielen Mautstellen auf der Straße wäre dies auch teuer geworden und so haben wir wenigstens die Möglichkeit uns etwas besser kennenzulernen. Nach dem Besuch der Pyramiden schauen wir uns noch das Pueblo Magico Cuetzatlan an. Dort sehen wir wieder einmal die fliegenden Musiker (Voladores), die kopfüber an Seilen hängend und rotierend musizieren. Wenig später essen wir leckere Forellen, was wir hier so nicht erwartet haben. Am Montag ist hier Feiertag und wir treffen uns noch einmal mit Eladio, Mirela und Erik. Gemeinsam schauen wir uns Cholula etwas genauer an und besuchen unter anderem das Kloster San Gabriel, das Museum del Sitio sowie einige andere Kirchen, wie die von Tonantzintla, deren Innenraum so reich verziert ist, dass man bald kein freies Stück Wand mehr sieht. Wenig später laufen wir auch noch durch die Tunnel der Pyramide von Cholula, welche sich unter der Kirche Santa Maria de los Remedios befindet. Zum Abschluss des Tages geht es noch mal weit aus der Stadt hinaus und wir essen wieder Forelle. Dieses Mal in einer leckeren Senfsoße.
Obwohl die Tage alle samt sehr schön waren, hatten sie auch etwas Störendes. Ein ständiger Husten begleitet mich immer und überall. Aus diesem Grund entscheide ich mich am Dienstag dann endlich mal einen Arzt aufzusuchen. Dieser diagnostiziert eine Bronchitis und spritzt mir die erste Spritze des Antibiotikums vor Ort in den Hintern. Leider bleibt es nicht bei der einen Spritze, sodass ich in den nächsten Tagen wiederkommen muss. In den folgenden Tagen kümmern wir uns um unsere Bikes. Wir verstärken die Aufnahme der Gepäckboxen (was vermutlich nicht zwingend notwendig ist, aber uns dennoch ein wenig beruhigt, wenn es mal wieder ins grobe Gelände geht) des Weiteren verlegen wir meine GPS-Halterung etwas höher, damit wird das Ablesen des GPS deutlich erleichtert. In dieser Zeit erscheint auch ein Artikel in der Zeitschrift „metro“ über unsere Reise den unser Freund Jorge aus Mexiko Stadt geschrieben hat.

 


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Zwangspause: Wie alles begann

15. Januar – 2. März

Zwischen Mexiko Stadt und Puebla liegen eigentlich nur rund 140km also quasi eine kurze Tagesetappe. Und eigentlich haben wir vor, nachdem wir bereits circa einen Monat in der Hauptstadt verbracht hatten, nun etwas Strecke zu machen, weshalb wir ursprünglich auch nur zwei Übernachtungen in Puebla einplanen. Aber hier kommt alles anders. Aus zwei Übernachtungen werden sechs Wochen.

Nachdem wir es irgendwie durch den Verkehr geschafft und Puebla erreicht haben, werden wir auch schon von Antonio, Rosy und ihren 3 Hunden in ihrem Haus empfangen. Rosy hat ihren Frisörsalon und Antonio sein Fotostudio direkt am Haus. Das nenne ich mal Optimierung des Arbeitsweges. Nach dem Kennenlernen, was bei den beiden ausschließlich auf Spanisch möglich ist, geht es auch schon in die Stadt zu einer kleinen Sightseeingtour. Im Zentrum der Stadt sieht es noch sehr weihnachtlich aus, obwohl es schon Mitte Januar ist.

Am nächsten Morgen bringen wir die Vorderräder der Bikes zum Zentrieren, da sich meine Felge auf der Baja eine ordentliche Delle eingefangen hat und die Speichen bei Ullis Vorderrad alles andere als harmonisch klingen. Danach widmen wir uns der Pflege der Bikes und versehen sie mit den in Mexiko Stadt angefertigten Aufklebern. Uns wurde bereits oft nahe gelegt, dass es besser ist sich als Deutscher (oder auch Nicht-Amerikaner) erkennen zu geben, da Menschen in vielen Teilen der nun folgenden Länder uns für Gringos, also US-Amerikaner, halten werden, was hier nicht wirklich von Vorteil ist. Aus diesem Grund versehen wir unsere Bikes und die Koffer mit der Deutschlandflagge.
Eigentlich sollen die Räder nach einigen Stunden fertig sein, aber das sind sie nicht und wir werden auf Morgen vertröstet. Am Abend haben wir noch genug Zeit um noch einmal mit Antonio und Rosy die Stadt unsicher zu machen. Neben der interessanten Altstadt sehen wir uns auch ein imposantes Lichtspiel an, welches die Geschichte der Stadt in den nächtlichen Himmel projiziert.

Die Vorderräder sind am Folgetag bereit zum Abholen, aber was ist das – plötzlich will man 820 (rund 48 Euro) statt der ausgemachten 700 Peso (rund 41 Euro). Nicht mit uns! Bereits die 700 Peso sind für mexikanische Verhältnisse ein stolzer Preis und so lässt Ulli den Mexikaner mit seiner Idee gnadenlos abblitzen. Bereits im Vorfeld wurden wir mehrmals darauf hingewiesen Preise im Voraus auszumachen, damit es dann nicht zu Überraschungen kommt. Allzu gern versucht man auf diesem Weg den vermeintlich reichen Touristen so das Geld abzunehmen. Und wenn man im Voraus nichts ausgemacht hat, hat man dann schlechte Karten. Trotz allem oder vielleicht auch gerade deswegen will man uns auch bei einem anderen Problem behilflich sein und vermutlich dort mit einem entsprechenden Preisaufschlag die entgangenen Peso kompensieren. Da bereits seit etlichen Kilometern das Federbein von Ullis Tenere zu soft ist und in einer Gefahrensituation nicht mehr die notwendigen Reserven bietet, wollten wir versuchen dem altersschwachen Federbein etwas Druck zu machen und fragen nach, ob die Mechaniker den Druck des Federbeins auf 12 bar erhöhen können. Auch nach mehrmaligem Nachfragen, ob sie fähig sind einen solchen Druck zu liefern, antworteten sie uns mit „Ja“. Wir freuen uns bereits eine sogar preiswerte, wenn auch vorrübergehende Lösung für dieses Problem gefunden zu haben, da man für diesen Service nur 150 Peso pro Bike veranschlagte. Wir also mit den Vorderrädern schnell zurück zu Antonio und bauen diese ein, um dann wieder schnell bei dem besagten Suzuki Händler zu sein. Gemeinsam mit zwei Mechanikern gehen wir also zu einem nahegelegenen Reifenhändler bei dem der eine Mechaniker diese Prozedur bereits das ein oder andere Mal durchgeführt haben will. Nach längerer Suche und Fragerei in verschiedenen anderen Werkstätten hat er dann auch einen passenden Adapter für das Ventil gefunden und versuch den Stickstoff in den Stoßdämpfer zu füllen. Als wir dem anderen Mitarbeiter noch einmal bestätigen, dass er an der Maschine 12 bar einstellen soll, was er uns kaum glauben kann, geht es dann endlich los. Allzeit den Daumen nach oben lächelt uns der Mechaniker an und meint es funktioniert, bis er dann irgendwann feststellt, dass er wohl Stickstoff abgepumpt hat statt es einzufüllen. Nun ja, ist ja auch ganz schön schwer zwischen rein und raus zu unterscheiden, vor allem wenn man dies schon mehrfach gemacht hat. Guten Gewissens versichert er uns, dass es nun aber geht und der Druck langsam aufgebaut wird und erklärt uns, dass dies ein sehr hoher Druck ist. Es sind mittlerweile 2-3 Stunden vergangen, in denen zwei Personen versuchen einen Stoßdämpfer mit Stickstoff zu befüllen und wir spendieren den Beiden eine Dose Cola, da sie sich schon echt bemühen. Aber irgendwann wird es uns auch zu bunt und wir testen den Stoßdämpfer nachdem die beiden uns versichert haben, dass es schon deutlich besser ist als vorher. Pustekuchen, wie eine Luftpumpe lässt sich das Heck der Tenere auf und nieder bewegen und als sich Ulli dann auch noch drauf setzt, federt es fast bis zum Anschlag ein. So können wir kaum weiterfahren und schon gar nicht mit all unserem Gepäck. Extrem enttäuscht treten wir den Heimweg an. Zum Glück mussten wir für die Prozedur nichts bezahlen. Zum Glück für die Beiden…

Am nächsten Tag machen wir uns auf die Suche nach dem Yamaha-Händler. Dieser kann auf die Schnelle auch nicht helfen, würde uns aber den Dämpfer „kostengünstig“ tauschen, wenn wir einen neuen haben. Leider ist die Tenere hier nicht so verbreitet wie erhofft, sodass die Beschaffung eines Stoßdämpfers auch mehrere Wochen dauern kann.

Nach langem hin und her überlegen entschieden wir uns nun neue Stoßdämpfer in Deutschland zu bestellen. Dies war eigentlich erst für Guatemala geplant, um einen gewissen Vorlauf bei der Paketzustellung zu haben, aber nun mussten wir in den sauren Apfel beißen und hier auf die Teile warten. Toni und Rosy sagten uns gleich, dass es für sie kein Problem ist, wenn wir so lange bei ihnen bleiben, auch auf die Gefahr hin, dass es einige Wochen sind.

Jetzt heißt es abwarten und Tee trinken.


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