Wochenendausflug nach Morelia

02.-06.01.2015
 
Veronica und Sergio, Jorges Eltern, haben uns zu einem Wochenendausflug nach Morelia, circa 300km nord-westlich von D.F. eingeladen. Auch Laura kommt mit und so verbringen wir vier Tage im Bundestaat Michoacan. Die Innenstadt von Morelia beeindruckt mit guterhaltenen Bauten aus der Kolonialzeit. Wir wohnen die Tage in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand. Am Samstag sind wir wieder zu einer Taufe eingeladen, welche dieses Mal in noch größerem Stil gefeiert wird. Die Taufzeremonie in der Kirche haben wir verpasst, da wir uns am Frühstückstisch zu lange mit gegenseitigem Spanisch- und Deutschunterricht aufgehalten haben.
 
Dafür sind wir dann direkt zur anschließenden Party gefahren, die etwas außerhalb der Stadt im Garten eines Eventlokals stattfand. Zu unserer Überraschung ist unter dem großen Partyzelt ist für 200 Personen sehr festlich gedeckt, krasse Fete für eine Taufe. Nebenan stehen zwei (!) Hüpfburgen für die Kinder (kurz vor Einbruch der Dunkelheit muss ich diese dann noch ausprobieren). Als Appetizer gibt es einen Fleischsaft, den ich dankend ablehnen muss. Alternativ gibt es zum Glück noch Schafskäse. Die Hauptspeise ist ein typisch mexikanisches Festtagsessen: Reis, Fleisch, Salsa und dazu werden Tortillas gereicht. Insgeheim freut sich jeder schon auf den „Pastel“ – den Kuchen. Auf den müssen wir noch bis zum Abend warten. In Mexiko verhalten sich Kaffeetrinken und Abendbrot umgekehrt zu deutschen Gewohnheiten: 15 Uhr gab es das Fleisch, um 20Uhr Kaffee und Kuchen. Am frühen Abend rückt eine circa 10-köpfige Band an, die man schon fast Blaskapelle nennen könnte. Blasmusik ist in Mexiko der absolute Hit. So lauschen wir zwei Stunden lang der ohrenbetäubenden Trompetenmusik, bei der man sich kaum mehr unterhalten kann. Da hilft es nicht, dass die Konversationen in Spanisch stattfinden. Wir können schon nach dem zweiten Lied keine „Melodie“ mehr unterscheiden, doch die Mexikaner rocken von Anfang an auf der Tanzfläche ab. Die Tanzfläche ist fast immer voll, auch schon bevor es Tequila gibt, schwer vorstellbar auf deutschen Familienfeiern. Die Mexikaner wissen wie man Feste feiert und so ist hier eine Taufe ein ausgewachsenes Fest, welches manche Hochzeitsfeier bei uns blass erscheinen lassen würde. Nur der Getaufte hat nicht viel davon, er ist so klein dass er noch nicht einmal laufen kann.
 
Am Sonntag fahren wir von Morelia nach Pátzcuaro, einem „Pueblo Magico“. Wer Mexiko besucht, sollte nach diesen „Pueblo Magicos“, was so viel bedeutet wie „magisches Dorf“ Ausschau halten. Diese Dörfer oder Kleinstädte zeichnen sich durch besonders schöne bzw. historisch bedeutungsvolle Gebäude uns Stätten aus. Sie sind im ganzen Land verteilt. Mit einem Boot fahren wir auf dem Lago de Pátzcuaro zur Insel Janitzio. Fischreiher säumen das noch natürliche Ufer, während wir auf die Insel zusteuern. Schon von weitem können wir die Fischerkanus sehen. Als wir näher kommen formieren sich die Fischer mit ihren Booten zu einem Kreis und präsentieren ihre traditionellen schmetterlingsförmigen Netze. Natürlich ist dies abgesprochen und nach der „Show“, der man sich vom Boot aus nicht entziehen kann, kommt einer der Fischer herüber und sammelt Geld ein. Die Schmetterlingsfischer gehören zur mexikanischen Kultur und sind auf der Rückseite des 50 Pesos Schein abgebildet. Heute sieht man sie allerdings nur noch als Touristenattraktion, fischen geht so niemand mehr. Die Insel ist eine Anhöhe in deren Mitte die Staute von José Maria Morelos thront, Denkmal eines Helden der mexikanischen Unabhängigkeit. Wir erklimmen die Statue und blicken auf den See und die Umgebung. Von hier können wir beobachten, wie sich die Fischer für das nächste Touristen-Boot bereit machen. Die Insel wirkt durch die aneinander gereihten Souvenirgeschäfte, mit fragwürdigen Gegenständen wie afrikanischen Masken (?) leider nicht sehr authentisch und wie eigens für den Tourismus erschaffen.
Zum Mittagessen wollen unsere Freunde eine ihrer Leibspeisen zu sich nehmen. Dafür fahren wir ins nahegelegene Quiroga, wo es die angeblich besten „Carnitas“ des Landes gibt. Es handelt sich hierbei um speziell gekochtes Schweinefleisch. Was für mich aussieht wie eine Mischung aus Fett, Haut und matschigem Fleisch, von deren Verzehr sogar Stephan absieht, ist für unsere mexikanischen Freunde ein Hochgenuss.
 
Am Abend machen wir wieder die Innenstadt von Morelia unsicher, schlendern durch die Gassen und essen Eis. Der 6. Januar, der Tag der Heiligen Drei Könige, der in Mexiko von größerer Bedeutung ist, steht vor der Tür. Entsprechend voll sind die Straßen und die Spielzeugwarenstände platzen aus allen Nähten.
 
Wir hatten ein sehr schönes Wochenende mit Sergio, Veronica und Laura. Wir haben viel gelacht und uns gegenseitig spanisch und deutsch beigebracht. Sie planen in zwei Jahren nach Deutschland zu kommen und wir hoffen, dass wir ihnen dann etwas von unserem Land zeigen können.
 


Posted in Mexiko by

Zurück in Mexiko-Stadt

27.12.2014-14.01.2015
 
Was wollen wir noch von Mexiko-Stadt sehen? Ein kurzer Blick ins Internet offenbart uns, das wir bei ausreichend Zeit einen Besuch von Teotihuacan nicht versäumen sollten.
50 km nordöstlich von D.F. liegt eine der bedeutendsten Ruinenstädte Mesoamerikas. Seit 200 v.Chr. wurde dieser Ort ungefähr tausend Jahre lang bewohnt und war mit bis zu 200.000 Einwohnern zu ihrer Glanzzeit ein dominierendes Zentrum und gilt als damals größte Stadt Amerikas. Wer die ursprünglichen Erbauer und Bewohner waren ist bis heute nicht geklärt. Die Azteken fanden die Stadt bereits verlassen vor.
 
Wir schlendern den 2,5km langen und 40m breiten Hauptweg entlang und lauschen dem Gebrüll der Jaguare. Das Fauchen, welches aus diesen Tonfiguren kommt, wenn man hineinbläst, wird zu allgegenwärtigem Geräusch. Jedes zweite Kind hat solch ein Ding. Die Verkäufer sind aufdringlich genug und nerven die Eltern wohl mehr als es die Kinder später mit ihren Jaguarfiguren können. Für uns wird es zum Dauerwitz und Roxana beweist uns das es auch mit den bloßen Händen geht. Da wir nun hier sind, können wir unmöglich nicht die 60m hohe Sonnenpyramide besteigen. Bei gefühlten 40 Grad im Schatten, den es aber hier leider nicht gibt, stellen wir uns an die Schlange, die sich vom Pyramidenboden über mehrere Windungen bis auf die Spitze zieht, an. Nach 45 Minuten haben wir schneller als erwartet (unter Auslassung einer Windung an der man sich theoretisch hätte anstellen müssen), die oberste Plattform erreicht. Nach dem obligatorischem Genuss der fantastischen Aussicht auf die Ruinenstadt und dem Schießen einiger Fotos begeben wir uns auf den 6-minütigen Abstieg.
 
Wieder versuchen wir uns vor dem inneren Auge vorzustellen was sich hier wohl vor 2000 Jahren abgespielt hat. Kurzzeitig gelingt es: Bauern verkaufen ihre Ernte, Töpfer stellen Tongefäße her, Tiere und Menschen laufen im Gedränge umher, bunt geschmückte Herrscher stehen auf den Pyramiden und sehen auf ihr Volk herab, auf den Tempel-Altären liegen die Reste der Blutopfer, … , nein manches will man sich doch nicht vorstellen. Man würde so gerne wissen wie es „wirklich“ ausgesehen hat und wird es doch nie erfahren. Das macht wohl die Faszination an solchen Orten aus. Sie sind da und begehbar, man stellt sich etwas vor, wird es aber nie bestätigt bekommen und so denkt sich der Geist immer neue Szenarien und Möglichkeiten aus. Man schaut sich immer mehr Relikte und Ausgrabungsgegenstände an, liest etwas darüber und fragt sich dann am Ende, warum es einen eigentlich interessiert, was irgendjemand am anderen Ende der Welt vor 2000 Jahren dort gemacht hat. Und trotzdem kann ich es kaum erwarten, später die Ruinen der Maya im Urwald von Guatemala zu sehen oder die der Inka in den Bergen von Peru.
 
Sylvester wird in Mexiko relativ unspektakulär gefeiert. Feuerwerk haben wir so gut wie keines gesehen. Wir verbringen den Abend mit Roxanas Familie, die ein großes Zusammentreffen geplant haben. Es gibt scharf gewürzte Tamales und später Garnelensuppe. Kurz nach 12 Uhr isst jeder seine 12 Weintrauben, von denen jede einen glücksbringenden Monat symbolisiert. Danach gratuliert jeder jedem mit einer Umarmung zum neuen Jahr, was in unserem Fall bei rund 40 Leuten einige Zeit in Anspruch nimmt.
Am das ersten Wochenende des Jahres fahren wir mit der Veronica, Sergio und Laura nach Morelia, doch dazu später mehr in einem anderen Beitrag.
 
Für den Abend des 8. Januar sind wir mit den Organisatoren des Projektes „amigos de los ninos“ verabredet, Venancio und Felipe. Bereits im Vorfeld unserer Reise standen wir mit „Der Stiftung für Helfer“ in Kontakt, die es Reisenden vereinfachen will, unterwegs an sozialen Projekten mitzuwirken beziehungsweise Spendengelder zu übergeben. Die „Amigos de los ninos“ sind eines dieser Projekte der weltweiten Datenbank, welches wir anfahren wollten. Im Verein werden Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützt, damit sie am regulären Schulunterricht teilhaben können. Unsere aus Deutschland gesammelten Spenden investieren wir an diesem Abend in 11 neue Schulrucksäcke. Von dem Rest der 350€ kaufen Venancio und Felipe später Turnschuhe für die Kinder, da wir an diesem Abend die Größen noch nicht kennen. Einen ausführlicheren Bericht dazu gibt es hier.
 

 
Wir haben noch einen Tag, den wir gemeinsam mit Jorge und Roxana in der Stadt verbringen wollen, da wir aus Sightseeing-Sicht noch gar nicht viel von D.F. gesehen haben. Das Nationalmuseum für Anthropologie ist für seine umfangreiche Dauerausstellung über die indigenen Völker Mexikos bekannt und erscheint uns daher als guter Ausgangspunkt. Wir lernen einige erstaunliche Fakten über die Maya und Azteken (welche sich selbst als Mexica bezeichneten). Zuvor hatte ich zumindest noch nicht gewusst, dass die Maya ihre Schädel seit dem frühkindlichen Alter mit Hilfe von Holzklemmen zu einer konischen Form zwangen. Das „Juego de pelota mesoamericano“ war ein viel gespieltes Ballspiel, welches sowohl Sportveranstaltung als auch Ritual war. Nur durch Berührung mit Hüfte oder Oberarm musste versucht werden, einen Ball durch Zielringe oder an Markiersteine zu spielen. Der Ball war sehr schwer und hart, sodass gelegentlich Spieler an einer gebrochenen Hüfte oder anderen Verletzungen gestorben sind. Das Spiel wird auch oft mit Menschenopfern in Verbindung gebracht. Aus verschiedenen Quellen haben wir gehört das Verlierer oder Gewinner geopfert wurden, wobei es im zweiten Fall eine Ehre war. Mehr als 1000 solcher Ballspielplätze wurden bei den alten Ruinenstädten identifiziert. Ebenso sehen wir Opfersteine der Mexica (Azteken), auf denen Kinder im Alter von 6-7 Jahren geopfert wurden, um die Götter um Regen zu bitten. Kinder, die viel weinen, bringen nach der Opferung das Wasser vom Himmel.
 
Hier noch eine kurze Geschichte: Inmitten eines Sees im Tal von Mexiko, sahen die aztekischen Ankömmlinge einen Adler der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verschlingt. Dies sahen die Azteken als göttliches Zeichen und gründeten an dieser Stelle ihre Hauptstadt Tenochtitlán. Die Stadt wurde auf mehreren Inseln dieses Sees mit Dammwegen zum Festland hin erbaut. Heute befindet sich hier Mexiko-Stadt, den See gibt es bis auf kleine Überreste nicht mehr, da er von den Spaniern trocken gelegt wurde. Der Adler und die Schlange auf dem Kaktus bilden heute das Nationalwappen und finden sich auf der mexikanischen Nationalflagge wieder.
Im Anschluss an den Museumsbesuch schlendern wir zum Schloss Chapultepec und weiter durch die Stadt. Das Denkmal El Angel de la Independencia erinnert uns sofort an die Siegessäule in Berlin. Die umliegenden Hochhäuser in ihren Glasfassaden lassen das Stadtzentrum sehr modern erscheinen. Im Restaurantviertel gönnen wir uns einen amerikanischen Burger bevor wir zum Monumento Revolucion Mexicana weiter laufen. Man kann mit einem Fahrstuhl auf die Plattform unter der 67m hohem Kuppel fahren. Im Rundgang haben wir einen Blick nach allen Seiten auf die Stadt. Wir warten hier den Sonnenuntergang ab, auch wenn der kühle Wind uns hier oben zu schaffen macht.
 
Unsere letzenTage in D.F. verbringen wir mit Blog schreiben, Emails beantworten, einigen organisatorischen Dingen, Essen kochen, Motorölwechsel und verlieren uns ab und an im Internet. Das Internet hat natürlich auf solch einer Reise viele Vorteile, doch manchmal denke ich mir, dass ich ja meine Zeit eigentlich mit Reisen und nicht mehr mit dem Computer verschwenden wollte. Ansonsten geben wir bei Jorges Schwester Laura noch einen Vanillekipferl-Backkurs und lernen später im Gegenzug Salsa zu kochen (grüne Salsa besteht aus grünen Tomaten und grünem Chili, rote Salsa aus roten Tomaten und rotem Chili). Außerdem waren wir mit unseren Freunden im Kino, beim Billard spielen, haben Schokoladenfondue gemacht, waren Essen gehen usw., eben ganz normale Dinge, nur im „Mexican Style“. Nicht zu vergessen die abendliche Gesprächsrunde beim Tee, bei denen alle möglichen Gesprächsthemen aufkommen, wie zum Beispiel Bräuche in Deutschland. Besonders amüsant für Jorge und Roxana waren dabei das Maibaum stellen zum 1. Mai, Zuckertüten zum Schulanfang und der Männertag an Christi Himmelfahrt. Zur Geburtstagsfeier von Veronica sehen wir nochmal alle wieder und können mit unserem selbstgebackenen russischen Zupfkuchen eine kleine Freude bereiten.
 
Unsere Zeit in Mexiko-Stadt neigt sich nun dem Ende zu. Die Stadt hat besonders unseren Seh-, Riech- und Hörsinn gefordert, daher folgt hier nur eine kurze Zusammenfassung. Die Stadt ist so vielfältig, das man sie schwer beschreiben kann, am besten man hat sie selbst erlebt. Für das Auge gab es solch eine Vielfalt, das einem schon schlecht werden konnte: Moderne, verglaste Hochhäuser stehen im Kontrast zu heruntergekommenen Slums und Wellblechhütten. Monumente in Form von Statuen und Plattenbauten erinnern mich an Fotos aus der ehemaligen Sowjetunion. Archäologische Ausgrabungsstätten, Kirchen und Kathedralen, hübsche Plazas und Parks (z.B. Coyoacan), Bars, Clubs, Museen und Schlösser sind die Anziehungsmagnete für Touristen. Einzeln aneinandergereihte Geschäfte, kleine Verkaufsstände, Krimskramsläden, unglaublich viele Essbuden und Snack-Kioske aber auch schicke Einkaufsmalls sorgen für belebte Straßen. Werkstätten, einfache Hand-Autowaschanlagen und Bretterbuden aller Art formen ebenfalls das Stadtbild.
 
Sowohl kleine verschlafene Gassen als auch zwölfspurige oder mehr-etagige Straßen bilden das Verkehrsnetz. Ein Metrobus- und U-Bahnnetz sorgt für schnelle und relativ preiswerte Mobilität innerhalb der Stadt. Die Straßen werden befahren von ganz normalen Klein-, Mittel- und Oberklasse- Fahrzeugen, welche auch in Europa oder den USA zu finden sind, einigen Autos die scheinbar dem Schrottplatz entkommen sind, überdurchschnittlich viel gepanzerten Pickups, Taxis, unendlich vielen Bussen verschiedener Größen und vielen Roller- und Motorradfahrern ohne Helm. Straßenhindernisse sind unter anderem ungesicherte Baustellen, fehlende Gullideckel, vereinzelt liegengelassen Fahrzeuge, streunende Hunde, Händler auf Rädern oder einfach nur Stau. Offen herumliegender Müll jeglicher Art, selbstgemalte Werbeschilder, Plakate, Wand- und Bodenmalereien sowie Graffitis, welche die Kritik des Volkes an der Regierung zum Ausdruck bringen, runden das Stadtbild ab. So verschieden wie das äußere der Stadt sind auch die Menschen in dem unendlich großen Gewusel. Frauen tragen ihre Kinder in Decken gewickelt auf dem Arm (man sieht hier kaum Kinderwagen), Schuheputzer , Straßenkünstler an Ampeln, U-Bahnverkäufer (illegal), Geschäftsleute, Schulkinder, Studenten, Bauarbeiter, Bettler, Mariachis, Verkäufer aller Art und meistens ganz normale Leute… .
 
Für die Ohren sind besonders die Autos mit auf dem Dach angebrachten Lautsprechern auffällig, welche mit Melodien und Bandansagen auf ihre Ware (z.B. Wasser, Brot, Gasflaschen) auf sich aufmerksam machen. Wer keinen Lautsprecher hat schreit einfach seine Botschaft in die Gegend.
Die Nase hat mit Smog und Staub zu kämpfen. Aufgrund der Höhenlage von circa 2200m und dem ständigen Smog welcher die Stadt umhüllt, war uns öfter etwas schummrig. Der süße Duft von Churros ist verlockend, Fahrräder mit dampfenden Töpfen (Tamales usw.) fahren an uns vorbei. Die zahlreichen Comedores (Essbuden) verbreiten den Geruch von Fleisch, Tortilla und Salsa. Tote Hunde am Straßenrand, Müllberge und stinkende Gossen sind dann die weniger erfreulichen Geruchsquellen.
Die Liste an Eindrücken ließe sich unendlich fortsetzen und auch die Fotos können diese Welt nicht annähernd wiedergeben. Am besten man erlebt die Stadt selbst mit allen Sinnen.
 
Mit Unterbrechung durch die Ausflüge nach Oaxaca und Morelia, machen wir uns einen Monat nach unserer Ankunft in D.F. auf den Weg zu unserem nächsten Zwischenziel Puebla.
 
Ein großes Dankeschön an Jorge und Roxana und ihre Familien für diese einzigartige Zeit. Es hat uns großen Spaß gemacht mit Euch!
 


Posted in Mexiko by

Weihnachten – Ziegenbraten am Fluss

23.-26.12.2014
 
Nach zwei Nächten in Oaxaca Stadt fahren wir weiter zur Familie von Jorge. In Putla Villa de Guerrero leben zwei Brüder von Veronica (der Mutti von Jorge) mit ihren Familien. Gegen Ende der mehrstündigen Fahrt durch die Berge sind wir „Topeskrank“. Mit Topes, auch schlafende Polizisten genannt, haben wir natürlich vorher schon Bekanntschaft gemacht. Auch mit den Motorrädern sollte man diese zumeist steinernen Geschwindigkeitsbegrenzer nicht mit zu viel Schwung erwischen. Hinten im Auto in Kombination mit kurvenreicher Straße und dem ständigen Abbremsen und Beschleunigen für die Topes kündigt sich uns ein flaues Gefühl im Magen an. Glücklicherweise lenkt uns die immer tropischer anmutende, in Nebelschwaden gehüllte Berglandschaft etwas davon ab.
 
Wir werden von Daniel und seiner Frau sehr freundlich empfangen und kaum dass wir sitzen steht auch schon ein Abendbrot auf dem Tisch. Als Appetizer probieren wir Ameisen. Mit einer Körperlänge von fast 1 cm sind sie etwas dicker als das was wir aus deutschen Wäldern kennen. Sie werden hier einmalig im Jahr gesammelt und werden unter anderem in Tacos gereicht. Ich hätte die Ameise nicht zerkauen sollen, geschmacklich finde ich sie nicht so besonders. Müsste ich mich entscheiden, würde ich die Grashüpfer vorziehen.
Das 2-Etagen Haus der Familie sieht von innen und außen aus wie ein Rohbau in Deutschland. Kein Putz, keine Farbe, die Möbel, soweit vorhanden, stehen vor der nackten Steinwand. Fensterscheiben gibt es keine, und die sind auch nicht nötig. Wahrscheinlich wären geschlossene Fenster in der ganzjährig feuchten Luft hier eher dem Schimmel zuträglich. Die wenigsten Räume haben Türen. Im Vorraum ist eine Hängematte angebracht, sehr sympathisch. Im Hinterhof befindet sich ein wichtiger Teil der Küche: die Feuerecke. Das Badezimmer ist ein circa 2 Quadratmeter großer Raum, in dem es eine Toilette, ein Waschbecken und ein aus der Wand ragendes Wasserrohr als Duschkopf gibt. Aus diesem kommt nur kaltes Wasser. Möchte man warm duschen, wird im Hinterhof über dem Feuer Wasser erhitzt und dieses dann in einem Eimer im Badezimmer zum Schöpfen bereitgestellt. In den Sommermonaten möchte man hier wahrscheinlich ohnehin nur kalt duschen.
 
Am 23.12. sind wir zu einer Taufe in einem Dorf weiter südlich in Oaxaca (San Miguel Tlacamama) eingeladen. Während der dreistündigen Anfahrt über Topes und Bergstraße, hören wir unsere Musik, die wir auf dem Smartphone mitgebracht haben, welche auch Roxana und Jorge gut gefällt.
Für die Feier machen die Dorffrauen vor Ort in Handarbeit Tortillas, eine von den älteren Frauen mit freiem Oberkörper. Der frisch zubereitete Teig wird zunächst in Bällchen geformt, dann in einer Handpresse zwischen Folie zu einem dünnen Fladen geformt welcher dann gekonnt in einer Handbewegung und ohne zu zerreißen auf die Feuerplatte gelegt wird. Der ersten spaßhaften Einladung mitzumachen, lehne ich zunächst ab. Später, entscheide ich mich dazu, es doch mal zu versuchen. So lerne ich Sylvia kennen, scheinbar die Chefin, die mich direkt mit ernster Miene und forschen Anweisungen instruiert. Damit ich den gut eingespielten Ablauf der Tortilla Herstellung nicht unterbreche, hatten sie mir etwas Teig zum Üben übrig gelassen. Mit meiner Lehrlingstunde stehe ich plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der gesamten Partygesellschaft. Natürlich ist es interessant, wie sich Blondie bei der traditionellen Tortilla Herstellung anstellt. Und natürlich bleibt mir der Teigfladen an den Händen kleben, sodass mehrere Einzelstücke auf der Feuerplatte landen. Was soll’s, so ist wenigstens für Unterhaltung gesorgt. Nachdem ich dann einige Tortillas hergestellt habe, darf ich sie in einem Körbchen meinem Mann reichen, welcher sie dann verspeisen „muss“. Nun kann ich mit Sylvia auf ein Bier anstoßen und wir sind nun „beste Freundinnen“.
 
Ein Höhepunkt der Feier wird besonders von den Kindern herbeigesehnt: Piñatas zerschlagen (eine vorweihnachtliche Tradition in Mexiko). Heutzutage sind Piñatas Pappmachefiguren von Comic-helden, die mit Süßigkeiten gefüllt sind. Die Kinder versuchen der Reihe nach, die an einem Seil ausgehangene Figur mit einem Stock zu zerschlagen, sodass alle Süßigkeiten herausfallen. Sobald dies passiert ist, stürzen sich alle Kinder auf den Boden, um so viele Bonbons wie möglich zu ergattern. Ursprünglich hatten die Piñatas die Form einer Kugel mit sieben kegelförmigen Spitzen, welche die sieben Todsünden darstellen sollen. Man wollte sich also symbolisch von den Sünden befreien, indem man sie zerschlägt. Mittlerweile finden selbst die Mexikaner diese Ausweitung der Tradition fragwürdig, da die Kinder auf Figuren schlagen sollen, die sie eigentlich mögen. An diesem Tag jedenfalls werden einige dieser Figuren von den vielen anwesenden Kindern auseinandergenommen.
 
An Heiligabend gehen wir vormittags mit der ganzen Familie im Fluss baden. So sind wir eine Weile mit Springen und Wasserball beschäftigt. Am Flussufer gibt es auch gleich noch Mittagessen: Tortillas mit Käse und Avocados. Nach einigen Spielrunden Loteria im Gras fahren wir zurück zum Haus. Daniel nimmt uns später mit, um die Ziege abzuholen. Diese hatten wir zwei Tage zuvor noch lebend kennengelernt, nun fahren wir los, um sie im Topf wieder nach Hause zu bringen. Freunde von ihm hatten das Garen der Ziege bei ihrem Haus vorgenommen. Dazu wird ein Erdloch mit glühender Kohle ausgelegt und das Ziegenfleisch auf einem Holzgitter darübergelegt. Das ablaufende Fett und die Fleischsäfte bereichern eine Maissuppe, die in Töpfen darunter köchelt. Das Ganze ist mit Bananenblättern abgedeckt unter denen das Fleisch circa 3-4 Stunden gart. Als wir an der Hütte im „Dschungel“ ankommen, ist es noch nicht ganz fertig und wir müssen noch etwa eine Dreiviertelstunde warten. Die alte Frau die uns in Empfang nimmt, ist für mich so etwas wie ein Weihnachtsengel. Sie strahlte eine Freundlichkeit, Zufriedenheit und Glückseligkeit aus, die ich selten bei Menschen gesehen habe. In der ärmlich ausgestatteten Hütte leuchten ein paar Lichterketten und zwei kleinere Mädchen betrachten uns aus einer Distanz die sowohl eine gewisse Neugier als auch Scheu vermuten lässt. Inzwischen ist es dunkel und es hat angefangen stark zu regnen. Dem uns mehrmals angebotenen Dosenbier konnten wir uns schließlich nicht erwehren und so muss ich doch nach einiger Zeit nach der Toilette fragen. Kurzerhand bekomme ich eine Art Grubenlampe umgehangen und soll dem Jungen folgen. Es ist dunkel wie im Bärenarsch, regnet in Strömen und ich krieche durch das Unterholz, um ein ominöses Plumpsklo zu finden. Zum Glück kenne ich das noch vom Hof meiner Urgroßeltern, nur ohne den Teil mit dem Unterholz. Als mich Stephan später fragt wo nun das Klo sei kann ich mir das Lachen kaum verkneifen und schicke ihn in den Busch.
 
Nun ist es soweit und die Ziege wird aus ihrem letzten Loch geholt. Stück für Stück wird sie in einen großen Topf gelegt und neben die Suppe in den Kofferraum gestellt. Auf der holprigen Heimfahrt kriecht uns der Geruch in die Nase. Ich kann es kaum erwarten bis das Abendbrot vorbei ist. Gekochtes Tier esse ich nicht gerne und schon gar nicht Körperteile wie Luftröhre, Blutmagen und andere Innereien, auch wenn ich wenigstens aus Höflichkeit etwas probieren würde. Überwinden kann ich mich dennoch nicht und zum Glück wird man hier nicht gezwungen etwas zu essen was man nicht mag.
Es regnet fast den ganzen Weihnachtsabend lang und so wird die für draußen geplante Feier nach innen verlagert. Wir spielen mehrere Spiele, darunter Steinewandern, ein weiteres Spiel ähnlich wie Activity und später Stuhltanz. Als Mitbringsel hatten wir in D.F. Vanillekipferl nach deutschem Rezept gebacken, die innerhalb kurzer Zeit verschwunden sind. Geschenke werden an Weihnachten nicht ausgetauscht, das erfolgt später am 6. Januar, dem Tag der Heiligen drei Könige.
Am nächsten Tag gehen wir an einem anderen Fluss baden und picknicken, wobei nach der Mandarinenschalenschlacht die Reste der Ziege bis auf die Knochen verspeist werden.
 
Den letzten Abend verbringen wir auf dem Zocalo, dem Platz vor dem Rathaus. Die Mexikaner haben ihre eigene Art mit politischer Unzufriedenheit umzugehen. So sind das Rathaus und der Platz mit Aufschriften wie „Monica la Rata“ verziert. Monica ist der Nachname des Bürgermeisters der der Geldscheffelei (la rata = die Ratte) bezichtigt wird. Er wurde vor einiger Zeit aus der Stadt vertrieben. Die Polizei hat nichts unternommen, da sie es im Prinzip genauso sieht.
Wir schlendern noch ein wenig über die Kirmes, die unseren Volkswiesen in nichts nachsteht: jede Menge Essen, Spielbuden und Fahrgeschäfte. Nur das man bei uns wahrscheinlich nicht im laufendem Betrieb Schweißarbeiten am Gestell durchführen würde und um das kleine Riesenrad eine Sperrzone gezogen hätte, damit niemand von den rotierenden Gondeln am Kopf getroffen wird. Die warmen Churros jedenfalls versüßen uns den Abend nachdem wir an einer Schießbude ein paar Puppen zum Tanzen gebracht haben.
 
Am nächsten Morgen müssen wir mal wieder von lieben Menschen Abschied nehmen. Wir werden dazu eingeladen, wiederzukommen und wissen im gleichen Moment dass es wie so oft ein Abschied für immer sein könnte. Die Rückfahrt nach D.F. zieht sich in die Länge und für das letzte kurze Stück in die Stadt brauchen wir 2 Stunden. Da hilft es dann doch wenn einem die Straßenverkäufer die Süßigkeiten beim Ampelstopp ans Auto bringen. Als Schokoriegelverkäufer an der Dauerstaustrecke an der Leverkusener Brücke auf der A1 wäre es bestimmt einen Versuch wert.
 


Posted in Mexiko by

Oaxaca – Feste und Proteste

20.-26.12.2014
 
Bereits im Vorfeld, als wir Jorge und Roxana nur über Email und Facebook kannten, boten sie uns an uns über Weihnachten mit zu ihrer Familie nach Oaxaca zu nehmen. Das kam für uns etwas überraschend oder könnt ihr euch vorstellen, jemanden aus einem fremden Land, den ihr nicht kennt, über Weihnachten zu Eurer Familie einzuladen?
 
Wir fahren also am 20.12. in zwei Autos mit Jorge, Roxana, Jorges Mutti Veronica und seiner jüngeren Schwester Laura in den Weihnachtsurlaub. Die Bikes haben wir in Mexiko-Stadt bei Jorges Elternhaus unterbringen können. Unser erstes Ziel ist die Hauptstadt Oaxaca des gleichnamigen Bundeslandes. Am Nachmittag kommen wir an und checken in ein Hotel ein.
Wir machen uns auf zur Stadterkundung und stoßen bald an einer Straßenecke auf gepanzerte Landes- und Kommunalpolizei. Jorge zuckt nur mit den Schultern als ich ihn frage wofür sie hier sind. Er vermutet die Gegenwart von wichtigen Regierungsmitgliedern. Wir beschäftigen uns also erstmal auf dem anliegenden Markt mit dem Verspeisen von gerösteten Grashüpfern. Da es unser erstes Insekt ist, was wir gleich zerkauen werden, kostet es schon ein wenig Überwindung es in den Mund zu stecken. Mit dem Chili Gewürz ist es geschmacklich eigentlich in Ordnung, es ist eher der Kopf der sich bei dem Gedanken „Insekt“ querstellt, weil es so ungewohnt ist. In einer lauten, engen und überfüllten Markthalle essen wir zum Abendbrot ein Gericht mit Mole. Mole ist eine mexikanische Soße, die aus ungesüßter Schokolade, Chilis, Nüssen und weiteren Zutaten hergestellt wird und zu herzhaften Gerichten wie Fleisch und Gemüse gereicht wird.
 
Auf der Plaza im Stadtzentrum (dem Zocalo) stehen mehrere Campingzelte. Zuerst dachten wir hier wohnen Obdachlose, doch als wir immer mehr Zelte und dann auch die Plakate sehen wird es uns klar: der Platz ist von Demonstranten belagert, die auf die Ereignisse von Ayotzinapa aufmerksam machen und Handeln sowie Aufklärung seitens der Regierung fordern. Im September 2014 waren in der Kleinstadt im Bundesstaat Guerrero 43 Studenten von den Narcos (Drogenkartell) unter Mitwirkung der Kommunalpolizei entführt worden. Vermutlich sind sie ermordet worden und werden in ein paar Jahren in einem der Massengräber gefunden, die gelegentlich in Mexiko entdeckt werden. Hier in Oaxaca stehen nun Bürger, ausgestattet mit Holzlatten und wollen wissen, wo ihre Studenten, ihre Kinder, ihre Geschwister oder ihre Mitbürger sind. Auf Plakaten steht „Ayotzinapa, Crimen de Estado“ – „Ayotzinapa, Verbrechen des Staates“, an einer Leine hängen Fotos mit Namen und Alter jeder der 43 Studenten „Vivos los Queremos“ – „Wir wollen sie lebend“. Jetzt wissen wir auch warum die Polizei um die Ecke steht. Heute bleibt jedoch alles friedlich. Auf dem Platz tummeln sich Familien mit Kindern, Hochzeitsgesellschaften, Ballonverkäufer und viele andere Menschen.
 
Später am Abend werden wir Zeugen von lokalen Hochzeitsfeier-Traditionen. Nach der Trauung in der Kirche tanzen auf dem Vorplatz große Pappmaché Figuren, welche das Hochzeitspaar symbolisieren, und alle Gäste sowie natürlich die frisch Getrauten tanzen mit. Unter lauter Begleitung von Livemusik einer Kapelle ziehen sie weiter durch die Straßen. Davon sehen wir heute Abend gleich drei Züge. Bei einer der Hochzeiten bekommen wir vor der Kirche Santo Domingo (eine der Hauptattraktionen der Stadt) ein Feuerwerk geliefert, welches ein Ausschnitt von „Rhein in Flammen“ hätte sein können. Immer wieder werden neue Raketen in die Abschussvorrichtung gestopft. Die Abschussvorrichtung steht dabei nur unweit von der Menschenmenge entfernt, was in Deutschland mit Sicherheit so nicht erlaubt wäre. Angeheitert durch die fröhliche Stimmung schlendern wir weiter durch die Straßen Oaxacas, vorbei an Kunstwerkstätten, Tanzveranstaltungen, einem Opernfestival und einem katholischen Menschenzug. Wir sind überrascht von der Vielfältigkeit der Ereignisse die sich hier abspielen.
 
Den Abend lassen wir im Hotel mit einem traditionellen mexikanischen Spiel ausklingen, welches Veronica mitgebracht hat. Es nennt sich „Loteria“, funktioniert ähnlich wie Bingo, nur mit Bildern anstelle von Zahlen und ist somit für uns eine gute Möglichkeit unseren spanischen Wortschatz zu erweitern. Da unsere mexikanischen Freunde auch gerade Deutsch lernen, ist für einen lustigen Abend gesorgt.
Endlich ist es soweit, wir besuchen zum ersten Mal eine der zahlreichen Zonas Arqueológicos, damit werden in Mexiko die Ausgrabungsstätten der Ruinen von Pyramiden oder ganzen Städten aus präkolumbianischer Zeit bezeichnet. Nahe Oaxaca liegt auf einem Berg in 2000m Höhe die alte Zapoteken Hauptstadt Monte Albán, welche religiöses, politisches und wirtschaftliches Zentrum der Zapoteken war. Auf der 200x300m großen, von ihren Erbauern künstlich angelegten Plattform, stehen die fast 2000 Jahre alten Bauten, darunter Pyramiden, Wohnanlagen, Grabkammern, ein Observatorium, Tempel, ein Ballspielplatz und Skulpturen. Wir steigen auf eine der Bauten und haben von oben einen Überblick auf die alte Stadt, in der nach Erkenntnissen der Archäologen während des Höhepunktes der Macht im 5. und 6. Jhd. n.Chr. bis zu 30.000 Menschen lebten. Da wir uns auf einer Bergkuppe befinden, haben wir nicht nur Aussicht auf die Stadt, sondern auch auf die umliegenden Täler, was das Erlebnis für uns noch imposanter macht.
Auffallend ist eine Reihe von Steinen mit eingemeißelten Figuren. Diese Steine heißen Danzantes, was so viel bedeutet wie Tänzer, da man die Figuren anfangs als diese interpretierte. Nach neuer Auffassung stellen die Strukturen jedoch nackte Kriegsgefangene dar, die zum Teil entmannt wurden. Das was als Bewegung im Tanz gedeutet wurde, sind sich vor Schmerz krümmende Häuptlinge anderer Stämme, die hier während diverser Zeremonien gefoltert wurden.
Im angrenzenden Museum kann man Fundstücke von Kunsthandwerk und Gebrauchsgegenständen dieser heutigen Weltkulturerbe-Stätte anschauen. Der Eintritt zur Anlage ist für mexikanische Staatsangehörige frei, Ausländer zahlen 59 Pesos (ca 3,50€).
 
Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, statten wir einem besonderen Baum, dem „El árbol del Tule“ einen Besuch ab. Haben wir im Sequoia NP in Kalifornien schon die größten Bäume der Welt gesehen, stehen wir nun vor einem weiteren der Größten: nämlich dem Dicksten. Die mehr als 2000 Jahre alte Mexikanische Sumpfzypresse misst 11,42 Meter im Durchmesser und hat einen Umfang von 54 Metern. Der Baum ist eingezäunt, kleine Kinder laufen als „Baumguides“ herum und zeigen den Touristen gegen Bezahlung bestimmte Figuren in Rinde und Baumstruktur. Wir lauschen nebenbei mit und bemühen uns den Hirschkopf, die Delfine oder sogar Angelina Jolies Knie zu identifizieren. Die zum Teil weit hergeholten Fantasien, für welche die Leute hier bezahlen, lassen schon fast Geschäftsideen für unsere Zeit nach der Reise aufkommen. Vielleicht können wir ja auch begeisterten Touristen einen Zeh von Madonna oder eine Augenbraue von Theo Waigel im Kreidefelsen auf Rügen zeigen.
 
Am Nachmittag fahren wir weiter nach Hierve el Agua. Dies ist ein Ort, der durch seine Naturschönheit verzaubert: zwei riesige versteinerte Wasserfälle stürzen in ein grünes Tal. Kohlensäure- und mineralhaltiges Wasser, welches mit 24°C aus einer warmen Quelle am Berg entspringt, hat über Jahrtausende diese beindruckenden Strukturen geschaffen, ein Effekt ähnlich dem der Entstehung von Stalaktiten. Oben auf der Plattform hat man etwas nachgeholfen und zwei kleine Schwimmbecken angelegt, die beinahe natürlich aussehen. Darin tummeln sich Liebespaare und Familien mit Kindern. Hinter einem der Planschbeckenränder, geht es steil hinab ins Tal, sodass die Badenden direkt aus dem Wasser einen herrlichen Fernblick haben. Von hier oben sehen wir auch einige Agavenfelder. Aus den Agavenpflanzen wird Mezcal, eine mexikanische hochprozentige Spirituose, zu der auch der in Deutschland beliebte Tequila gehört, hergestellt. Oaxaca ist die Ursprungsregion des Mezcal und seit Beginn der Kolonialzeit Zentrum für dessen Produktion. Während der Fahrt über das Land passieren wir zahlreiche kleine Mezcal Brennereien und Verkaufsläden, die verschiedenste Geschmacksrichtungen wie Kaffee, Ananas, Mango, Tamarinde und vielen weiteren anbieten.


Posted in Mexiko by

Mexiko-Stadt

17.-20.12.2014
 
Was wussten wir schon über Mexiko-Stadt? Vielleicht das es die Hauptstadt Mexikos ist, zu den größten Städten der Welt gehört und in der Nähe des Vulkanes Popocatepetl liegt. Als erstes lernen wir schon lange bevor wir die Stadt erreichen hinzu, dass die Mexikaner ihre Hauptstadt einfach nur „Mexico“ oder D.F. (Distrito Federal) nennen. Aus dem Norden kommend nähern wir uns dem riesigen Moloch in dem 8,8 Millionen Menschen leben, zählt man auch die umliegende Metropolregion hinzu, sind es 20 Millionen.
 
Die Caseta (Kassenhäuschen zum Bezahlen der Cuota = Mautgebühr) ist von halbmaskierten Jugendlichen besetzt. Im ersten Moment denkt man natürlich Schlimmeres, doch wir dürfen einfach ohne zu bezahlen durchfahren. Später erfahren wir, dass solche Aktionen gegen die Regierung gerichtet sind und eine Art Demonstration darstellen. Wir brauchen circa 1,5h durch die Stadt bis zu unseren mexikanischen Freunden. Die Autopista ist wie erwartet voll, dennoch haben wir Glück und können große Teile der Strecke im relativ flüssigen Verkehr fahren. Über uns kreuzen Straßen in bis zu 3 Etagen und von rechts und links fließt ständig neuer Verkehr hinzu. Mein Navigationsgerät ist mittlerweile desorientiert, denn die Autobahn die genau über unserer Fahrspur verläuft, versperrt dem GPS-Signal den Weg. Dazu fällt mir nichts Besseres ein als ruhig zu bleiben und mich daran zu erinnern, dass wir lange auf dieser Straße bleiben sollten und irgendwann mal nach links müssen. Nachdem wir von der Autopista runter sind, geht es auch schon direkt zur Sache. Auf einer dreispurigen Straße sind vier Spuren oder mehr eröffnet, auf denen man sich als Motorradfahrer sein Recht gegenüber den zahlreichen Bussen schon erkämpfen muss. In dem Fall bin ich erstmal froh, dass es nur langsam voran geht, denn dann wird man nicht so schnell über den Haufen gefahren.
 
Kurz vor dem Ziel begehen wir unsere erste bewusste Verkehrswidrigkeit in Mexico: wir nutzen die Spur, die exklusiv für den Metrobus gedacht ist. Wir stecken in einem langen Stau auf der Hauptstraße und müssten eigentlich nach links abbiegen. Doch das ist nirgendwo auf dieser Straße erlaubt, sodass wir uns auf der Suche nach einer Umkehrmöglichkeit immer weiter in die Falsche Richtung durch den Stau quälen. Auf der exklusiven linken Spur rauschen die Metrobusse an uns vorbei. Als nach einiger Zeit ein Motorrad hinterherdüst, entschließe ich mich das selbige zu tun. Wir fahren also auf der Metrobusspur vor bis zur nächsten Kreuzung, machen einen U-Turn auf die Gegenspur des Metrobusses und da wir schon mal auf der „freien“ Spur sind, mogeln wir uns zügig am Stau vorbei. Nur als dann wirklich ein Metrobus angedüst kommt, sind wir froh, als endlich die Ampel grün wird und wir gerade noch zurück auf die „normale“ Spur kommen.
 
Jorge und Roxana wohnen in einem Hochhaus im Norden von Coyoacán in einem 3-Zimmer Apartment. Jorge arbeitet bei einer mexikanischen Zeitung, Roxana ist Kunstlehrerin an einer öffentlichen Schule. Nicht zu vergessen „la Rata“ die alte Meerschweinchendame, welche die beiden vor kurzem adoptiert haben. An unserem ersten Abend in D.F. gehen wir mit Roxana und ihrer besten Freundin Denise im Zentrum von Coyoacan essen. Wir sind überrascht von dem schönen Hauptplatz (in Lateinamerika “Zocalo“ genannt): in der Mitte des schön angelegten und gut gepflegten Parks steht ein hübscher Pavillon, umgeben von vielen Bänken, die zum Sitzen und Verweilen einladen. Auf dem gesamten Platz tummeln sich Menschen: Familien mit Kindern, Liebespaare, Rentner, Jugendliche, Verkäufer von Süßigkeiten und Kleinwaren… Nach dem Essen gehen wir in eine Cocktailbar und machen erste Bekanntschaft mit dem mexikanischen Nationalgetränk: Pulque. Es ist ein durch Bakterien fermentierter Saft aus Agaven und kann zwischen 2 und 6 Vol.-% Alkohol enthalten. Da das Getränk schnell verderblich ist, findet man es kaum außerhalb Mexikos. Wenn mich die Mexikaner fragen, wie mir Pulque schmeckt, sage ich meist „mas o menos“, was so viel bedeutet wie „mehr oder weniger“. Es schmeckt eigentlich gar nicht so übel, nur die leicht schleimige Konsistenz ist mir zuwider. Zum Abschluss gibt es noch Churros: frittierte Teigstangen mit diversen Füllungen wie Karamell, Schokolade, Ananas und vielen anderen Geschmacksrichtungen, die wir noch nicht kennen.
 
Direkt am Folgetag unserer Ankunft hat Stephan einen Zahnarzttermin. Er verspürt seit einiger Zeit Druck auf einen Backenzahn und da wir es nicht auf eine Wurzelbehandlung in Guatemala oder Honduras ankommen lassen wollen, lassen wir es vorsorglich checken. Die mexikanischen Zahnärzte sind sehr gut ausgebildet, meistens haben sie in den USA studiert. Viele Amerikaner reisen für umfangreichere Zahnbehandlungen nach Mexiko, da die Behandlung hier mindestens gleich gut ist, aber nur halb so teuer. Im Behandlungszimmer ist alles vorhanden: Patientenstuhl, Lampe, diverse Bohrer und Schleifer, ein analoges Kleinbildröntgengerät, Mundschutz, Handschuhe, Waschbecken, Watteröllchen… . Dennoch wirkt es im Gesamtbild nicht so modern wie in Deutschland und abseits des Behandlungsstuhles nicht besonders klinisch rein. Daher bezeichnen wir die Ausstattungsvariante als „Basic“. Jorge begleitet uns und so sitzt Stephan im Behandlungsstuhl und wir diskutieren zu viert in dem kleinen Zimmer auf spanisch, englisch und deutsch über seinen Zahn. Die Anfertigung des Röntgenbildes ohne die für uns übliche Strahlenschutzweste kommt uns zunächst komisch vor. Doch nach späterer Recherche stellen wir fest, dass ähnliche Geräte auch in Europa genutzt werden und die Strahlendosis so gering ist, dass das Tragen einer Weste bei diesen Geräten eigentlich nicht nötig ist. Zur besseren Kommunikation und Übersetzung der Fachsprache zieht der Zahnarzt später seine englischsprechende Kollegin hinzu. Es diskutieren nun fünf Leute im Büro des Zahnarztes. Die finale Diagnose: Es ist eine Entzündung des Zahnes wegen zu viel Druckbelastung und sollte daher von allein wieder verschwinden. Es ist also keine Infektion die sich ausbreiten und schlimmer werden könnte. Durch Abschleifen des gegenüberliegenden Zahnes nimmt der Arzt Druck vom belasteten Zahn. Der insgesamt einstündige Zahnarztbesuch inklusive Röntgenbild und Beratung mit zwei Zahnärzten kostet uns 600 Pesos, also circa 35€.
 
Am Freitag hat Jorge frei (dafür arbeitet er sonntags) und so verbringen wir einen Tag mit ihm zum Sightseeing im Zentrum von Mexiko-Stadt. Wir beginnen mit der Plaza de la Constitucion, dem zentralen Platz der Stadt, einem der größten Stadtplätze der Welt. Hier findet sich der Sitz des Präsidenten von Mexiko im Nationalpalast, das Rathaus mit Sitz des Gouverneurs und des Stadtparlamentes von D.F. und die Kathedrale von Mexiko-Stadt, welche die größte Barockkirche der Welt ist. Wie an anderen Orten der Welt, zeigt sich auch hier der überflüssige Reichtum der Kirchen: das Innere der Kathedrale strotzt nur so von Blattgold, prunkvoller Verzierung und aller möglicher Handwerkskunst, sodass man Wochen damit verbringen könnte diese zu studieren. Die Spanier liebten es, als Zeichen ihrer Überlegenheit und zur Verankerung des Katholizismus im neu eroberten Land, ihre Kirchen und Paläste auf den eigens von ihnen zerstörten Städten der alten Hochkulturen aufzubauen. So geschah es auch hier mit der alten aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan, zur Zeit ihrer Entdeckung durch die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert, eine der größten Städte der Welt. Glasfenster im Boden auf dem Vorplatz der Kathedrale mit Blick auf die Ruinenreste des alten Aztekenpalastes erinnern daran.
 
Auf dem Hauptplatz sind im Rahmen der Weihnachtszeit eine große Schlittschuhbahn und eine Eisrutsche aufgebaut, auf der man mit Gummireifen hinunterrutschen kann. Das ist kostenfrei und entsprechend lang ist die Menschenschlange davor. Wir laufen durch Downtown vorbei am Tower Latinoamerika, der eine ganze Zeit lang das höchste Gebäude Lateinamerikas war. Menschen in Kostümen von Comic- und Filmfiguren wie Spiderman und Transformer-Robotern stehen ähnlich wie auf dem Sunset Boulevard in LA herum und verdienen als Fotomotiv ihr Geld. Ansonsten ist das Downtown Viertel genauso spannend wie die Hohe Straße in Köln: ein Geschäft neben dem anderen, ohne besonderen Charme.
 
Vorbei am Palacio de Bellas Artes und dem Tequila Museum, vor dem sich zahlreiche Mariachis (traditionelle Musiker) tummeln und auf Aufträge warten, bewegen wir uns in Richtung des Stadtteiles Tlatelolco. Auf der Plaza de las Tres Culturas wurden hier im Jahre 1968, kurz vor Eröffnung der olympischen Sommerspiele in Mexiko-Stadt, zahlreiche Studenten während einer Demonstration von Polizei und Militär getötet. Die Opferzahl dieses Massakers wurde nie endgültig bestätigt, meistens wird die Zahl 300 genannt. Jorge erzählt uns etwas mehr über das Geschehen. Demnach hätten sich Polizisten unter die friedliche Studentendemonstration gemischt und das Feuer auf die Militärs und Präsidentengarde auf dem Hochhausdach eröffnet. Dabei haben sie als Erkennungszeichen weiße Handschuhe getragen, um nicht selbst erschossen zu werden. Darauf hin wurde zur „Gegenwehr“ von oben gezielt auf die Studenten geschossen. Viele der Anwohner des Hochhauses haben den Studenten Zuflucht in ihrer Wohnung gewährt und wurden somit bei der Razzia im Anschluss selbst Opfer von Verschleppung und Mord. Heute erinnern einige Graffitibilder an dem Hochhaus vor dem Platz szenenhaft an das Geschehen. Im nahegelegenen Museo de Sitio Tlatelolco besuchen wir eine Ausstellung und Gedenkstätte zu Geschehnissen. Schon länger gab es zu jener Zeit Studentenproteste gegen den Terror der Regierung und für bessere Studienbedingungen. Der Präsident Gustavo Díaz Ordaz ordnete den brutalen Niederschlag an, um für Ruhe während der Olympischen Spiele zu sorgen und somit ein friedliches Bild für Mexiko-Stadt nach außen tragen zu können. Dass auch heute noch Regierungen nicht davor zurückschrecken, ihre eigene Bevölkerung zum Wohle von internationalen Großevents zu unterdrücken oder sogar Tote in Kauf nehmen, haben die Olympischen Spiele in China und die FIFA Weltmeisterschaft in Brasilien gezeigt.
 


Posted in Mexiko by

‹ Older Posts Newer Posts ›