Im Land der Maya – Nebaj und Todos Santos

30.03.-09.04. 2015
 
In Coban verbringen wir ein paar Tage und haben Zeit für verschiedenste Wartungs- und Reparaturarbeiten an Motorrad und Ausrüstung. So lassen wir in einer Blechschmiede den Koffer, der beim Sturz etwas verformt wurde, wieder gerade richten. Die beiden Jungs in der einfachen Werkstatt unterbrechen überraschenderweise sofort ihre Arbeit um sich dem Dengeln des Koffers zu widmen. Am Ende wollen sie weniger Geld haben als wir gedacht hätten und nehmen nicht einmal das Trinkgeld an, welches wir zusätzlich geben wollen. Die Bikes bekommen eine Handwäsche um sie von dem Schlamm zu befreien. Daniel und Stephan modifizieren die Position der Handprotektoren an Stephans Bike, um die Lenkerposition ergonomisch anzupassen. Der erste Versuch in Leon scheiterte, da rechte Protektor zu sehr auf die Schraube zum Bremsflüssigkeitsreservoir drückte. Dies hatte den Austritt von Bremsflüssigkeit zur Folge, was wir glücklicherweise recht schnell bemerkt hatten. Des Weiteren nähen wir uns Polstertaschen für die Kameras und erledigen allerlei Krims Krams. In der Zwischenzeit helfen wir Daniel bei den Dreharbeiten zu seinem Trailer für das Motorcycle Film Festival und so kommt es, dass Stephan während der Fahrt verkehrtherum auf meinem Rücksitz sitzt und Daniel beim Fahren von frontal filmt.
 
Hier in Coban haben wir auch das erste Mal auf der Reise Magenprobleme, doch diese sind nach einigen Tagen mit etwas Unterstützung von Pepto Bismol, der rosa-schleimigen Medizin zum Trinken, wieder verschwunden.
Nach den Tagen in der unspektakulären Stadt trennen sich vorerst die Wege von uns und den beiden anderen Motorradreisenden, mit denen wir seit Cancun unterwegs sind. Sie wollen nach Antigua zur Semana Santa fahren (Osterprozessionen) und hatten schon lange im Voraus ihre Unterkunft gebucht. Wir müssen noch etwas Zeit in Guatemala absitzen, damit uns das Paket mit den Umlenkhebeln noch erreicht. Daher fahren wir zunächst in den Nordwesten des Landes. Der Weg führt uns zunächst über eine 30 Kilometer lange Schotterpiste in die Berge und wir durchfahren dabei kleine Dörfer, die primitiver nicht sein könnten. Einfache Hütten, aus Holz und Wellblech gefertigt, stehen am Wegesrand. Der Fußboden in den Hütten ist simpler Erdboden, sodass wir uns ausmalen wie es hier wohl während der Regenzeit aussieht. Wie wir es schon vorher auch in Mexiko gesehen haben, wird die Wäsche zum Trocknen überall hingelegt, auf Dächer, den Boden oder über Stacheldrahtzaun. Hühner, Schweine und Hunde laufen scheinbar herrenlos über die Straße. Toilettenhäuschen bestehen aus Holzgerüsten die mit Folie zum Sichtschutz abgehangen sind. Kinder sitzen auf der Straße und räumen Steine umher. Sie wollen uns anhalten und fragen rufend nach Geld. Doch so Leid uns die Kinder auch tun, ist es besser nicht zu stoppen, da man hier in den abgelegenen Gebieten eben doch nicht weiß, ob noch jemand im Busch lauert. Abgesehen davon wissen wir nicht, ob die Kinder nicht sogar nur zum Zweck des Bettelns von ihren Eltern auf die Straße gesetzt werden. Hier Geld zu geben verschlimmert die Situation der Kinder nur noch.
 
Anschließend rauschen wir über eine überraschend gut asphaltierte und kurvenreiche Straße. Auch hier in der Gegend finden schon die Vorbereitungen für die Ostermessen statt. Auf den Straßen werden bunte Teppiche mit verschiedensten Motiven aus Blumen, gefärbten Sägemehl und Nadelblättern gestreut. Einige Straßen in den Dörfern sind dafür gesperrt, sodass wir immer wieder stecken bleiben und Umwege fahren müssen. Die Überlandstraßen führen immer direkt durch das Zentrum, über den vollen Marktplatz. Das ist zwar einerseits interessant, kann aber auch nervig werden, wenn wir in der Hitze vorankommen wollen.
 
Unsere Reise führt uns so in das Örtchen Nebaj. Von der Stadt sind wir zunächst nicht sonderlich beeindruckt, doch was wir auf dem Hauptplatz vor Kirche sehen, haut uns um. Der ganze Platz ist voll von traditionell gekleideten Mayas, die auf Bänken und Treppen herumsitzen und scheinbar auf etwas warten. Wir beobachten die Vorbereitung eines gigantischen Blumenteppichs, bei denen von jung bis alt alle mitmachen: mit Hilfe von Schablonen werden die bunten Muster ausgestreut.
Nach einiger Zeit findet plötzlich mehr Bewegung auf dem Platz statt: die Prozession geht los. Aus der Kirche kommt nun eine Menschenmasse geströmt. Die ganze Treppe ist plötzlich von Maya-Frauen überlaufen, die traditionellen Kopfschmuck und hübsche Gewänder tragen. In dem Moment haben wir Gänsehaut. Immer mehr Leute kommen aus der Kirche geströmt und wir können uns gar nicht entscheiden ob wir gucken und den Moment genießen, oder fotografieren sollen, um diese Eindrücke für später festzuhalten. Ein Luxusproblem, welches wir nicht zum ersten Mal auf der Reise haben.
 
Weiter unten in der Stadt ist ein Volksfest im Gange. Im Grunde ist es genauso wie auf einer deutschen Kirmes: Fahrgeschäfte, Spielbuden und Imbissstände. Nur hat alles einen etwas anderen Standard. Nachdem wir uns an der Imbissbude mit Pizza versorgt haben, steuern wir auf eines der beiden Riesenräder zu. Die Gondeln sind besetzt mit jugendlichen Mayas, fast alle traditionell gekleidet, ein für uns seltener Anblick. Ein kleiner Motor mit Schaltgetriebe bringt ein Stahlseil in Bewegung, welches sich um das ganze Riesenrad zieht und für die Rotationsbewegung sorgt. Warum fahren wir nicht mal `ne Runde mit? Gemütlich werden wir in unserer Sitzbank, die etwas an alte Skilifte erinnert, nach oben befördert. Von dort haben wir einen unvergesslichen Ausblick auf das Treiben auf der Festwiese, die Stadt und die Berge im Hintergrund, während die Sonne schon tief am Himmel steht. Als wir dann Fotos mit Kamera und Handy machen, geht es plötzlich rund. Wir nehmen Fahrt auf und bald sind wir nur noch darauf konzentriert unseren Kram festzuhalten. Es geht plötzlich so schnell und wir haben das Gefühl gleich zwischen Sitzbank und dem Sperrriegel hindurchzurutschen, wenn nicht vorher schon die gesamte Sitzbank abreißt. Ein Überschlag mit der Gondel scheint auch nicht mehr fern. Stephan krallt in der einen Hand die Kamera und in der anderen den Rucksack fest. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat nicht rauszufliegen. Mit einer Hand konnte ich gerade so mein Smartphone festhalten, da es mir unmöglich war, dieses während der Fahrt wegzustecken und mit der anderen Hand musste ich irgendwie versuchen mich festzuhalten. Dann halten wir an und wir können uns wieder entspannen. Doch das war es noch nicht, wir nehmen wieder Fahrt auf, dieses Mal rückwärts. Als wir das erste Mal den obersten Punkt passieren, steht unsere Sitzbank für einen kurzen Moment fast waagerecht, sodass wir mit dem Gesicht auf den Boden schauen. Wir wissen nicht ob wir schreien oder lachen sollen. Wir überstehen die nächsten Runden und sind doch etwas erleichtert als wir wieder langsamer werden. Mit etwas schlotternden Knien, aber einem fetten Grinsen auf dem Gesicht, verlassen wir dieses rotierende Monster. Eigentlich hat es ja Spaß gemacht, hätten wir nicht das Misstrauen in die guatemaltekische Technik gehabt und hätten wir nicht unsere Sachen festhalten müssen.
 
In Huehuetenango haben wir einen Kontakt von Couchsurfing, der uns ein paar Tage bei sich wohnen lassen würde. Das Einbahnstraßenlabyrinth in der Stadt treibt uns fast zum Wahnsinn. Entweder darf man nicht da abbiegen wo man möchte oder erkennt gar nicht erst, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt, da die Beschilderung fehlt. An einer zunächst normalen Straße mit zwei Fahrrichtungen landen wir fast im Gegenverkehr, da unsere Spur unscheinbar nach rechts abzweigt, was wir verpassen und uns dann plötzlich in einer zweispurigen Einbahnstraße in falscher Richtung bewegen.
Carlos, unser Couchsurfing Gastgeber empfängt uns freundlich und gibt uns unser eigenes Zimmer im Hinterhof. Er ist Bäcker und will demnächst sein eigenes Café im Innenhof aufbauen. Von Huehuetenango aus machen wir einen Ausflug in die Kleinstadt Todos Santos, die in den Cuchumantes Bergen liegt. Todos Santos, eine Stadt die dafür bekannt ist, dass auch die Männer in traditioneller Maya Kleidung unterwegs sind. In den meisten anderen Regionen tragen nur noch die Frauen typische Gewänder. Hier in Todos Santos haben alle Männer längs rot-weiss gestreifte Hosen an, dazu Hemden und Hüte, je nach Familienangehörigkeit mit einem anderen Muster. Für uns sieht das Stadtgeschehen eher wie eine grosse Zirkusvorstellung aus. Das Volk der Maya ist generell sehr fotoscheu. Wir fragen also Leute ob wir ein Portraitfoto machen dürfen, bekommen aber fast immer ein Nein zu hören. Da wir unser Teleobjektiv in Huehuetenango vergessen haben, können wir auch keine Szenen aus der Ferne aufnehmen. Die Stadt ist für guatemaltekische Verhältnisse recht reich, was wir an den üppig ausgebauten mehrgeschossigen Steinhäusern festmachen. Viele der Männer arbeiten in den USA und schicken Geld nach Hause. Nach ein paar Stunden umherlaufen haben wir genug und machen uns auf den Rückweg.
In Huehuetenango besuchen wir den zentralen Friedhof. So wie dieser aussieht, kann man ihn wahrlich als eine Stadt der Toten bezeichen. Es gibt hier keine bepflanzen Erdfleckchen, so wie wir es aus der Heimat kennen. In einer Betonwüste reiht sich Grabhäuschen an Grabhäuschen. In zum Teil mehreren Etagen werden die Särge eingeschoben und dann zugemauert. Jedes Haus sieht anders aus, ist bunt bemalt und oftmals hübsch verziert. In angemauerten Vasen können die Angehörigen frische Blumen einstellen. Einige der Häuschen haben sogar eine Art Vorraum, in dem Fotos und persönliche Gegenstände der Verstorbenen ausgestellt sind. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich nicht nur das Leben in anderen Laendern verläuft, sondern auch die letzte Ruhestätte anders gestaltet ist.
 
Carlos und seine Freunde nehmen uns mit auf den Wochenmarkt. Hier zeigt sich wieder das Chaos von Zentralamerika: Warum findet der Markt dort statt, wo sich alle 5 Minuten große Busse zwischen den Obst- und Gemüseständen durchquetschen müssen? Das Gedränge ist gross genug und hier soll auch noch Platz für diese riesigen Monster gemacht werden, die einfach drauf zuhalten. Wir müssen ständig auf der Hut sein. In dem Getummel ersteht Carlos spontan ein kleines Zicklein, welches wir nach Hause tragen und dort erstmal mit warmer Milch versorgen.
Unser Aufenthalt in Huehuetenango verlängert sich, da wir die Chance haben ein Waisenhaus kennenzulernen und dieses über die Stiftung für Helfer unterstützen möchten. Carlos arbeitet dort als Freiwilliger und so fahren wir mit den Bikes dort hin. Einen Bericht dazu gibt es im nächsten Beitrag.
 
In Chichicastenango treffen wir uns wieder mit Joey und Daniel. In Coban hatten sich ja unsere Wege getrennt, doch da es irgendwie Spass gemacht hat, wollen wir noch eine Zeit lang gemeinsam weiterreisen. Ausserdem muss Daniel noch sein Trailerprojekt fertigstellen, bei dem wir ihm vielleicht etwas helfen können. Chichicastenango ist bekannt für den größten indigenen Kunst- und Handwerkermarkt Zentralamerikas, der immer donnerstags und sonntags stattfindet. Wir fragen uns wer das ganze Zeug kauft. Es gibt tausende Taschen, Textilwaren, Hemden, Armbänder und sonstigen üblichen Souvenirkram der für Touristen bestimmt ist, aber außer uns ist hier kaum jemand. Aufwendig aufgebaute Holzgerüste bilden das Konstrukt für die Stände. Lebendig wird es bei den für die Einheimischen interessanten Ständen mit Lebensmitteln wie Bohnen, Mais, Reis, Obst, Gemüse, Eiern und rohem Fleisch. Auch lebendige Tiere wie Hühner oder Schweine werden gehandelt.
 


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Von Tempeln im Dschungel und Rutschfahrten im Regen

25. – 30. März

Tikal

Nachdem wir die Grenze passiert haben geht es auf direktem Weg nach Tikal. Die letzten Kilometer geht es im Schleichfahrtmodus voran, da laut dem Personal am Eingang die Start- und Ankunftszeit verglichen wird. Und wer schneller als innerhalb einer bestimmten Zeit ankommt, hat zwangsläufig die Höchstgeschwindigkeit überschritten und muss eine Strafe zahlen. Es fällt uns nicht leicht die 40 bzw. 45km/h einzuhalten. Endlich angekommen, ist natürlich niemand mehr da, der die Zeiten überprüft. Hätte man sich fast denken können, da wir immer wieder von Bussen und anderen Fahrzeugen mit deutlich höherem Tempo überholt wurden. Auf dem Campingplatz erwartet uns eine freudige Überraschung, eine weitere XT660Z steht nahe dem Platz, wo wir unser Zelt aufbauen wollen. Es ist Ingos Tenere mit der er schon Australien und viele andere Länder unsicher gemacht hat. Ihn haben wir seit San Diego nicht mehr gesehen. Umso mehr freuen wir uns, dass es hier noch einmal klappt.

Die Tempelanlage der Maya ist eine der schönsten, die wir während unserer Reise zu Gesicht bekommen. Relativ ursprünglich, soweit wir das jedenfalls beurteilen können, stehen die imposanten Pyramiden inmitten des Dschungels und lassen unsere Phantasie wieder einmal verrücktspielen. Die exotischen Geräusche der Dschungeltiere tun ihr übriges diese Vorstellungen zu untermalen. Da wir gegen 16Uhr Tikal erreicht haben, sind unsere Eintrittskarten auch noch für den nächsten Tag gültig, sodass wir uns in aller Frühe aus den Zelten herausquälen, um den Sonnenaufgang über der mystischen Tempelstadt zu sehen. Nach einem kleinen Frühstück auf dem Tempel, schauen wir uns den Rest der Anlage an, den wir gestern nicht mehr gesehen haben. Der Reiz dieser Ruinen liegt im Zusammenspiel mit dem allgegenwärtigen Dschungel, der sich sicherlich im Lauf der Zeit immer mehr Platz zurückerobert hat. Aber genau dies hat Charme und gefällt mir deutlich besser als die fast schon sterilen Tempelanlagen in Mexiko. Während wir noch die Tempel besichtigen, bricht Ingo bereits nach Flores auf, wo er schon einige Tage zuvor war. Dank ihm wissen wir auch gleich noch wo wir eine nette, aber günstige Unterkunft finden, denn auch wir brechen nach der Tempeltour nach Flores auf.

Flores

Nachdem wir in der kleinen Inselstadt angekommen sind und besagtes Hostel gefunden haben, schlagen wir unser Zelt auf dem Dach auf und können den Ausblick genießen. Später treffen wir Ingo wieder und lassen den Abend mit einem leckeren Abendessen und einem Bierchen in einer nahegelegenen Bar ausklingen. Neben einigen organisatorischen Sachen, wie dem Aufstocken der Vorräte und dem Kauf eines Nierengurtes für Ulli, beschäftigen wir uns einen Großteil des Nachmittags damit, unser Zelt sturmsicher zu machen. Da der Wind immer heftiger wird und wir nicht die Möglichkeit haben Heringe als Verankerung zu nutzen, ziehen wir das Zelt mit Leinen fest und drehen es aerodynamisch in den Wind.

Fahrt nach Lanquin

Am nächsten Morgen starten wir mit den ersten Sonnenstrahlen, da wir eine längere Etappe hinter uns bringen wollen und die Straßenbedingungen nicht kennen. Wir fahren nach Lanquin, südöstlich von Flores und sind nun zu fünft unterwegs. Bereits wenige Meter außerhalb der Stadt ändert sich die Fahrbahnbeschaffenheit merklich. Aus der Asphaltstraße wird eine bucklige Dreckspiste. Des Öfteren merke ich, wie ich, mit meiner nun tiefergelegten Tenere, Kontakt zwischen Steinen und dem Motoschutz habe. Auch der Seitenständer hat für meinen Geschmack zu oft Berührungen mit den teilweise großen Steinen. Hier muss endlich was passieren. Ich brauch so schnell wie möglich die originalen Umlenkhebel, um etwas höher zu kommen. So macht das Fahren keinen Spaß.

Nachdem wir hin und wieder ein paar Asphaltabschnitte passiert haben, wechselt der Untergrund relativ überraschend zu groben und zum Teil kindskopfgroßen Steinbrocken. Gerade eben fährt man noch auf einer idyllischen Straße durch die Berge Guatemalas und im nächsten Augenblick muss man sich tunlichst überlegen ob man überhaupt noch einen Blick nach links oder rechts riskiert, um die schöne Landschaft zu genießen. Und so kommt es dann auch wie es kommen musste. Daniel findet nach einer Kurve eine kleine Einfahrt, um sich die Landschaft etwas genauer anzusehen. Joey stoppt, weil sie Daniel am Straßenrand erblickt. Jedoch kommt dieses Stopp-Manöver für Ulli etwas überraschend, da sie sich auf die vor ihr liegende Fahrbahn fokussiert. Zu spät erkennt sie, dass sie Joey ausweichen muss, was bei diesem Untergrund leicht gesagt ist. Ganz zu schweigen, dass es rechts steil bergab geht und somit eine Fehlentscheidung verhängnisvolle Folgen haben kann. Irgendwie schafft Ulli es sich zwischen Joey und dem Abhang durchzumanövrieren. Doch das Überraschungsmoment für dieses Ausweichmanöver ließ eine gut durchdachte Streckenführung nicht mehr zu. In einem wilden Ritt, teilweise fast nur auf dem Hinterrad, zieht Ulli an Joey vorbei. Einige Male sah es so aus als könnte sie die Maschine stabilisieren und ich denke aus der Ferne: „Puh geschafft“, doch einige großen Steinbrocken lagen leider an der falschen Stelle und so kommt Ulli einige Meter hinter Joey auf der Straße zum Fall. Zum Glück nicht in Richtung Abgrund und zum Glück nicht mit hoher Geschwindigkeit, sodass große Schäden ausbleiben. Lediglich die Aufnahme für die Koffer ist um nahezu 90 Grad gedreht und muss gerichtet werden. Ein oder zwei Nieten der Befestigung haben es auch nicht überlebt. So ist der Schreck auch schnell überwunden und die ersten Witze über die gelungene Stunteinlage werden gemacht. Mit großen Steinen rücken Daniel und ich der beschädigten Kofferhalterung zu Leibe. Nach einigen mehr oder weniger gezielten Schlägen mit dem groben Werkzeug, befestigen wir die Box wieder am Motorrad und es kann weiter gehen.

Einige Kilometer später erwischt es Ulli wieder, als sie nach einer Kurve vor einer großen Steigung die Fahrspur wechseln will, rutscht ihr das Bike weg. Dieses Mal ist alles harmloser. Wir haben Glück im Unglück, dass sie mit dem Bike nicht in die tiefe Auswaschung gerutscht ist, dies hätte das Aufrichten deutlich erschwert und hätte uns deutlich mehr zum Schwitzen gebracht. So hängen wir zu viert an der Tenere und versuchen sie von der Auswaschung weg auf die Straße zu ziehen. Unter Zuhilfenahme des Motors im 1. Gang gelingt uns die ganze Prozedur. Trotzdem kommen wir gut ins Schwitzen und den Anwohnern des nahegelegenen Dörfchens haben wir auch gleich noch etwas Gesprächsstoff geliefert. Ingo schien noch Kräfte übrig zu haben oder war einfach nur am falschen Ort und durfte einer alten Frau aus dem Dorf noch einen Sack Reis nach Hause tragen.
Als ob wir nicht schon mit der bescheidenen Pistenbeschaffenheit genug zu tun hätten, fängt es auch noch an zu regnen. Nun wird es noch abenteuerlicher. Steile Passagen befahren wir immer einzeln, sodass falls einer stehen bleibt der Rest nicht stoppen muss oder ins Rutschen gerät. Ich fahre als Letzter und komme an eine Stelle, die durch den Regen so rutschig geworden ist, dass ich kaum Halt bekomme. Ein Meter vor zwei Meter zurück. Absteigen geht auch nicht, zu rutschig ist der Untergrund. Trotz der Tieferlegung bekomme ich kaum Gripp mit den Beinen. Ingo der vor mir gefahren ist, merkt als erste, dass ich nicht mehr weiterkomme. Er stellt seine Tenere ab und kommt zu Fuß zurück, um mich anzuschieben. Aber auch mit vereinten Kräften kommen wir über eine nette Rutschpartie nicht hinaus. Daniel ist auch auf dem Weg zurück. Nun halten beide das Bike und ich steige ab und lasse Daniel mit seinem Größen- und Erfahrungsvorteil ans Werk. Ein wenig stabilisieren wir ihn noch, aber dann hat er die Stelle auch schon gemeistert. Einige hundert Meter weiter treffen wir dann den Rest der Gruppe und machen eine Pause. Da der Regen aber nicht aufhören will geht es bald weiter, weil wir noch einige Kilometer vor uns haben.

Irgendwann ist wird die Straße auch wieder besser und hier nehmen wir Abschied von Ingo, der heute noch nach Cobán will. Unser Weg führt uns weiter nach Lanquin, was für uns auch gleich wieder bedeutet: „Auf Wiedersehen Asphalt“. Zum Glück hat der Regen nachgelassen und die Piste ist relativ gut befahrbar. Zumindest für einige Kilometer. Irgendwann, an einer Weggabelung, winkt uns ein Einheimischer zu sich heran, der noch ein paar Unterkünfte zu vergeben hat und uns auch gleich noch Bescheid gibt, dass die nun folgende Strecke kaum mehr passierbar ist. Wir beraten uns kurz und wollen so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben. Also fahren wir weiter. Fahren trifft es aber bald schon nicht mehr, wir rutschen und driften eher auf dem Schlamm. Nun heißt es „Durchhalten“. Nach einer letzten Rutschpartie bergab auf einer nassen und schlammigen Kopfsteinpflasterstraße, sind wir an unserer Unterkunft angekommen. Hier gibt es zwar leider nur ein 3-Mann-Zimmer für uns vier, aber das ist uns nach diesem Tag egal.
Es ist nun bereits 18.30Uhr und somit dunkel. Nach 11,5 Stunden haben wir eine der anspruchsvollsten Etappen unserer Reise gemeistert. Gut, dass wir so zeitig gestartet sind. Jetzt ist Entspannen und Trocknen angesagt.

Nachdem wir uns von dem anstrengenden Tag bei einem ausgiebigen Frühstück erholt haben, fahren wir, dieses Mal vorzugsweise mit einem 4×4 Pick-up, nach Semuc Champey. 10 Kilometer sind es bis zum heutigen Ziel, diese haben es aber in sich. Teilweise ist der Boden noch schlammig und andererseits beinhaltet die Strecke Steigungen an denen man nicht anhalten möchte. Dies ist aber durch den ständigen Gegenverkehr nicht auszuschließen. Die Trucks und Pick-ups werden für uns auf den Bikes jedenfalls keinen Platz machen. Einige Autos schaffen die Steigungen selbst mit Schwung nicht und rutschen hin und her. Wir sind froh, dass wir uns für die 4×4 Variante entschieden haben und kommen entspannt bei den natürlich-blau-grünen Pools an. Nach einem schweißtreibenden Marsch zu einem Aussichtspunkt sehen wir uns die Pools von oben an. Es ist wieder einmal erstaunlich, was die Natur alles geschaffen hat. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es aber wieder abwärts. Unten angekommen, erkennen wir, dass die gesamten Pools auch noch von einem Fluss unterspült sind, was die „Anlage“ noch interessanter macht. Jetzt ist es aber Zeit für eine Abkühlung und wir gehen in den Pools baden. Auf dem Rückweg merken wir erst, dass der untere Teil der Pools noch schöner und weniger besucht ist, aber nun ist es schon zu spät und wir treten die Rücktour an. In unserer Unterkunft angekommen erblicken wir im Bad eine kleine Überraschung. Ein Skorpion fühlt sich scheinbar im Abflusssystem sehr wohl. Wir sind jedoch nicht so erpicht auf diesen Gast und versuchen ihr einzufangen. Dies gelingt uns aber nicht, sodass er wieder in die Öffnung des Waschbeckens verschwindet. Wir hoffen, dass wir von ihm in der Nacht in Ruhe gelassen werden und auch nicht aus Versehen auf ihn drauf treten.

Ohne weitere Skorpionvorkommnisse starten wir am Montag nach Coban. Wir hoffen, dass die Piste etwas abgetrocknet ist, aber leider ist das nicht der Fall. So schlittern wie abermals diese Straße entlang. An einer Kurve am Hang stoppen wir, da der Verkehr von unten Schwung und Platz braucht, um die Kurve zu bekommen. Fahrerisch trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Einige der Fahrer wissen nicht einmal, dass sie Allrad haben oder wie dieser zu aktivieren ist. Andere sind so cool und filmen die Fahrt mit dem Handy in der linken Hand und rutschen dabei geradewegs von der Piste in den Graben. So haben sie wenigsten eine nette Erinnerung. Das diese Aktion alle anderen Fahrer wieder Zeit kostet, ist hier glaube ich nicht sonderlich relevant. Obwohl es immer wieder ein paar gibt, die es besonders eilig haben und an den bereits stehenden Autos vorbeiziehen obwohl der Gegenverkehr schon in Sicht ist und es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt. Irgendwie geht es dann aber doch. Wir schlittern vorsichtig die Straße herunter und sind nach einigen Kilometern aus dem Gröbsten raus. Aber zu früh gefreut nun fängt es wieder an zu regnen und wir fahren den restlichen Weg mit viel Nebel und Regen nach Coban. Hier ist es gleich wieder so warm, dass man in den Regensachen förmlich gekocht wird. Zum Glück hat uns Ingo einen Tipp für eine gute Unterkunft geschickt, sodass wir wenigstens nicht allzu lange suchen müssen.


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Belize

22. – 24. März

Heute wartet wieder ein Grenzübertritt auf uns, es ist das vierte Mal, dass wir auf dieser Reise eine Grenze mit den Motorrädern passieren. Um dies bestmöglich zu gewährleisten, stehen wir alle ziemlich zeitig auf, damit man, sollte es zu Komplikationen kommen, einen großen Zeitpuffer hat. Die Grenze von Mexiko lässt sich reicht einfach passieren. Zum Glück haben wir alle benötigten Dokumente dabei. Einige Tage zuvor machte sich deswegen bei uns ein wenig Hektik breit, da eine Rechnung, der bei der Einreise nach Mexiko bezahlten Gebühren nicht mehr aufzufinden war. Diese ist aber notwendig, wenn man die Gebühr bei der Ausreise nicht noch ein zweites Mal bezahlen will. Zum Glück hat Ulli dies einige Tage vorher festgestellt, sodass wir genug Zeit hatten alles auf den Kopf zu stellen und letztendlich auch den Beleg gefunden haben. In unseren Augen ist die völlige Abzocke, da alle anderen Unterlagen belegen, dass man den Grenzübergang ordnungsgemäß passiert hat und demzufolge auch die fälligen Gebühren bezahlt hat. Joey und Daniel hatten diesen Beleg leider nicht mehr und mussten somit mit einer modifizierten Kopie unserer Belege vorliebnehmen, was an der Grenze ohne nennenswerte Probleme funktionierte.

In Belize entscheiden wir uns für ein Transitvisum, welches nur 4-5 Tage gültig ist. Dies bedeutet für uns weniger Papier und da Belize nicht all zu groß ist, sollte dies auf jeden Fall reichen. Bevor wir aber die Grenze passieren, werden unsere Bikes desinfiziert und wir müssen auch noch eine sonderbare Gebühr bezahlen, die uns, wie gerade eben ausgedacht, vorkommt. Diese Gebühr gibt es angeblich erst seit einigen Monaten. Ingo der bereits einige Tage vor uns die Grenze überquert hat, hat uns vor dieser Gebühr bereits gewarnt, aber es nutzt alles nichts, wir kommen nicht drum herum.

Nachdem wir einige Kilometer hinter uns gebracht haben, ist es auch bald schon wieder Zeit einen Schlafplatz zu suchen. In der Nähe des Zoos werden wir fündig und kommen alle vier zum Preis von einem unter. Die einzige Bedingung ist ein früher Start, den wir bei dem Angebot aber gern in Kauf nehmen. Angeblich sollen hier auch Jaguare erscheinen, aber anstatt der reflektierenden Augen der Raubkatzen schauen uns im Licht der Taschenlampen von der Wiese aus tausende anderer Augenpaare an. Mit etwas weniger Abstand zu den funkelnden Augen, stellt sich schnell heraus, dass hier sehr viele kleine und mittlere Spinnen auf der Nahrungssuche sind. Dann hoffen wir mal, dass es hier kaum noch Mücken gibt, wenn hier so viele Spinnen rumkriechen.

Trotz eines ausgiebigen Frühstücks mit Rührei schaffen wir es 9.00 Uhr auf der Straße zu sein und fahren weiter nach Süden auf der Suche nach der Hummingbird Guest Lodge. Dort angekommen dauert es eine Weile bis wir den besten Standort für unsere Zelte identifizieren. Wir entscheiden uns trotz vieler Insekten für einen idyllischen Platz unter einem großen Baum in der Nähe des Flusses und hoffen von hier aus auch einen Jaguar zu sehen. Hätten wir gewusst wie mies die Fliegen und Mücken hier sind, hätten wir mit Sicherheit einen anderen Platz gewählt. Die Bisse der kleinen Biester merkt man so gut wie gar nicht, aber nach einigen Minuten beginnt es zu jucken…

Da wir relativ zeitig unsere Unterkunft gefunden haben, ist noch genügend Zeit die Gegend unsicher zu machen. Dabei stoßen wir auf eine kleine Bäckerei, welche von Beachy (einer Gruppe der Amish Mennoniten deren Ursprung in Deutschland liegt) betrieben wird. Die Zimtschnecken die wir dort kaufen und essen, sind verdammt lecker. Schon lange nicht mehr wurde unseren Geschmacksnerven so viel Gutes getan.

Danach geht es zum Blue Hole National Park, wo wir uns im kühlen Nass erfrischen und die gelegentlich vorbeischwirrenden Kolibris beobachten. Dann wird es auch schon Zeit zurückzukehren, da auf uns bereits ein Abendessen wartet. Das dachten wir zumindest, aber als wir ankommen, wird das Feuer gerade erst vorbereitet. Es soll Wildschwein geben, aber bis es soweit ist vergehen noch fast zwei Stunden und wir machen es uns unten am Fluss gemütlich und hoffen eine der seltenen Raubkatzen zu sehen. Statt der großen Katzen sehen wir, aber nur viele Glühwürmchen die uns mit ihrer Lightshow die Zeit vertreiben. Dann ist es endlich so weit, das Essen ist angerichtet. Aber was ist das? Die relativ überschaubare Portion hätte auch unseren Campingkochern entsprungen sein können. Das Fleisch, wenn man es so nennen kann ist kaum vorhanden und nur schwerlich von den Knochen zu lösen. Das ist eine Klassische Fehlinvestition!

Da uns die Zimtschnecken so gut geschmeckt haben, gibt es zum Frühstück neue und zusätzlich Bananenbrot. Gestärkt geht es im Anschluss in den Dschungel, um einen Wasserfall zu besichtigen. Der Weg ist nahezu kaum beschildert und manchmal auch kaum noch als Weg zu erkennen, dennoch finden wir mit der Handskizze das Ziel und genießen nach der anstrengenden Wanderung die Szenerie. Ein Kolibrinest ist ein kleines Highlight der Örtlichkeit. Zurück bei den Zelten machen Joey, Ulli und ich uns auf zu einem Ausflug nach Dangriga an der Küste. Dort wollen wir gleich noch den Einkauf erledigen und ich mich einiger Zentimeter meiner Haare entledigen. Hier in den wärmeren Regionen habe ich mich entschieden meine Haare öfters zu schneiden, da es mir sonst zu schnell zu warm unter dem Helm wird. Auf dem Rückweg halten wir an einer Grapefruit-Plantage und suchen nach einigen der übriggebliebenen Früchte. Hier scheint gerade Grapefruit-Hochsession zu sein. Ein vollbeladener Laster nach dem anderen begegnet uns auf der Straße. Normalerweise würden wir diese so schnell wie möglich überholen, aber der Geruch der Grapefruits lädt zum Verweilen ein. Aber auch die dschungelähnliche Landschaft sowie die Karstberge verleiten eher zum entspannten Dahingleiten, als zum Rasen.

Am Mittwoch heißt es dann schon wieder von Belize Abschied zu nehmen. Nachdem alles auf den Bikes verstaut ist, geht es zum ersten Boxenstopp – wie sollte es anders sein – zur Bäckerei. Ein letztes Mal verwöhnen wir unsere Gaumen mit den leckeren Zimtschnecken. Kurze Zeit später stehen wir zum fünften Mal vor einer Grenze zu einem neuen Land. Guatemala wir kommen


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Südmexiko – Mayadorf und Umlenkhebel

13.-21.03. 2015
 
Am Abend möchte uns Vera noch etwas zeigen. Zum einen die Ruinen von Aké und ein Mayadorf. Viel interessanter als die Ruinen war jedoch eine Spinnfabrik direkt daneben. Leider konnten wir ohne eine circa 10€ teure „Fotoerlaubnis“ keine Fotos machen, doch einen Blick durften wir riskieren. Ich fühlte mich wie ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Auf der einen Seite im Gebäude liegt der Rohstoff: Fasern der Sisal-Agave, die hier in der Gegend auf Feldern angebaut wird (aus Agaven wird auch Tequila hergestellt). Am anderen Ende wird das Endprodukt, ein mitteldicker Strick auf große Rollen gewickelt. Dazwischen befinden sich zahlreiche Maschinen, welche Fasern und Fäden in einer Geschwindigkeit verarbeiten, dass man kaum erkennen kann was da genau passiert. Die ganze Anlage sieht jedenfalls aus wie ein Museumsstück, welches aus den alten Zeiten der Industrialisierung in Europa stammt. Nur, das es hier noch läuft, rotiert und klappert. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, dass wir nicht einfach die Erlaubnis gekauft haben. Es wären sicherlich einige sehr interessante Fotos und Filmchen dabei herausgekommen.
 
Zum Schluss bleibt noch das Maya-Dorf San José Oriente, welches uns Vera zeigen will. Es ist früher Abend und scheinbar alle Dorfbewohner sind auf der Straße. Die Frauen tragen alle traditionelle Kleidung. Einige schauen uns skeptisch an, andere lächeln freundlich. Am Hauptplatz sitzen und stehen sowohl alte als auch junge Männer gesellig beisammen. Als wir mit unseren drei Bikes dort ankommen, sind wir natürlich das Zentrum der Aufmerksamkeit. Das heißt nicht, dass alle gleich auf uns zustürmen, aber aus sicherer Entfernung wird geschaut und getuschelt. So, was machen wir nun hier? Wir fühlen uns etwas unbeholfen und wissen nicht so richtig wie wir auf sie zugehen sollen, erscheint es uns doch komisch einfach zu fragen, „na, wie geht’s so?“. Vera kennt einige der Leute, da er auch hier regelmäßig seine Backwaren vertreibt. Auf seinen Vorschlag hin fahren wir eine kleine Runde durchs Dorf. Da es schon halb dunkel ist lohnt es sich nicht mehr die Kamera auszupacken und wir überlegen uns, am nächsten Tag wiederzukommen. So tauchen wir am Folgetag nochmals in San José Oriente auf, diesmal ohne unseren „Guide“, was uns die Kontaktaufnahme nicht gerade erleichtert. Wir wollten gerne ein paar indigene Mayas fotografieren. Vielleicht ist das auch ein fragwürdiges Anliegen, wenn man es aus der Perspektive der Dorfbewohner betrachtet. Sie wohnen dort ihr Leben lang und plötzlich kommen Fremde mit ihren Kameras. Wie würde sich ein Deutscher fühlen, wenn ein Fremder über die Gartenhecke schaut und fragt ob er ein Foto machen dürfe? So kommen wir uns auch etwas komisch vor und wissen nicht so recht ob wir nun jemanden fragen sollen oder nicht. Die Mayas sind zudem sehr schüchtern, besonders was Fotos angeht.
 
Die typischen Häuser hier sind einfache Lehmbauten mit ovalem Grundriss und einer Öffnung jeweils auf den langen Seiten. Man kann also quer hindurchschauen und in der Mitte sehen wir häufig jemanden in der Hängematte liegen. Die Dächer sind aus Wellblech oder getrockneten Blättern errichtet, der Boden ist einfache Erde. Ab und an gibt es aber auch Massivhäuser aus Stein. Auf den Straßen laufen Schweine, Hunde, Truthähne und Hühner umher. Kinder erspähen uns und verstecken sich kichernd wieder, manche winken. Ein paar Kinder spielen auf der Straße und als sie uns erblicken werden sie neugierig. Ein kleiner Junge fragt uns ob wir ein Foto von ihm machen wollen, er hat uns wohl unser Anliegen von den Augen gelesen. Erfreut über das Angebot machen wir einige Fotos von ihm und seinem kleinen Cousin und bald sind auch die anderen Kinder dabei. So kommen wir etwas ins Gespräch und bekommen auch noch eine tropische Frucht angeboten, welche die Kinder gerade vom Baum geschlagen haben.
 
Eigentlich sollte die weitere Route nach Tulum, zu den Maya Ruinen am Meer gehen, denn zur Touristenhochburg Cancun wollten wir gar nicht erst in den Norden fahren. Allerdings sind die beiden anderen Motorradreisenden Joey (Josephine) und Daniel gerade in Cancun. Die beiden wollten wir gerne wiedertreffen und da unser Kontakt in Tulum auch noch abgesagt hatte, haben wir die Route kurzerhand umgelegt. Es gibt natürlich viel zu erzählen, haben wir doch während unseren Reisen jeweils viel erlebt. Uns gefällt jedenfalls die neue Gesellschaft und es ist schön sich mit Gleichgesinnten auf Deutsch zu unterhalten. Zudem haben wir einen ähnlichen Humor und daher gibt es immer etwas zu lachen.
 
Das Lachen vergeht uns jedoch kurzzeitig, als wir feststellen, dass beim tiefergelegten Bike der Ausgleichsbehälter des neuen Öhlins Federbein offensichtlich auf die Schwinge durchgeschlagen ist. Was nun? So darf es nicht bleiben, ist doch die Gefahr zu groß, dass der Ausgleichgehälter, in dem sich das Gas unter Hochdruck befindet, beschädigt wird. Sch…ße, denken wir uns, gerade 6 Wochen festgehangen und nun schon wieder so ein Problem mit der Federung. Eine Möglichkeit wäre massiv Gepäck loszuwerden. Ein bis zwei Kilo sind vielleicht drin, doch für wesentlich mehr Gewichtseinsparung müssten wir Campingausrüstung und Werkzeuge abwerfen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Federbeine der beiden Motorräder zu tauschen, da in dem anderen das Original Federbein sitzt und der Behälter etwas kleiner ausfällt. Die langwierige Prozedur haben wir ja erst durch… . Eine andere Idee ist, das Bike wieder auf seine ursprüngliche Höhe zu legen, nur fehlen uns dazu die Originalen Umlenkhebel, die natürlich zu Hause in einer Kiste liegen. Die rettende Idee ist nun, die Umlenkhebel der beiden Maschinen temporär zu tauschen, bis wir die Originalteile haben. Gesagt getan, auf dem Zeltplatz errichten wir mithilfe von Holz- und Steinblöcken unsere eigenen Motorradheber, da wir bei beiden Maschinen gleichzeitig die Hebel für den Kreuztausch ausbauen müssen und dummerweise der Hauptständer zur Entnahme der Bolzen im Weg ist. Ab und an kommt uns ein Leguan besuchen und schaut uns neugierig bei der Arbeit zu. Nun muss sich Stephan mit einer tiefergelegten Maschine vergnügen, während ich feststelle, dass es sich mit der Originalhöhe eigentlich viel besser fährt, abgesehen von den Situationen, in denen ich mit den Füßen den Boden berühren muss, um zu rangieren. Parallel dazu sind zu Hause die originalen Umlenkhebel schnell gefunden und werden im Paket nach Guatemala vorausgeschickt.
 
Von Cancun selbst haben wir gar nicht so viel gesehen, worüber wir aber auch nicht böse sind. Naja Stephan vielleicht ein wenig, da wir gar nichts von den Spring Break Ritualen mitbekommen haben, welche hier gerade von den US-Teenies gefeiert werden.
An den Höhlen von Loltun hatten wir auch die beiden jungen Deutschen Patrick und Matthias kennengelernt, welche eine dreiwöchige Rundreise über die Halbinsel gemacht haben. Wir haben uns recht gut verstanden, es gab viel zu besprechen und so kommt es, dass wir uns mit den beiden nochmal in Cancun wiedertreffen. Sie erklären sich auch bereit mein Objektiv mit nach Deutschland zurück zunehmen, welches kürzlich seinen Geist aufgegeben hat. Das 70-200mm Teleobjektiv macht nur noch matschige und detaillose Fotos, womit es nur noch unnötiger Ballast geworden ist. Wahrscheinlich hat sich während der ganzen Motorradfahrten etwas losgerappelt, obwohl wir es extra gepolstert hatten. Schade, es war mein Lieblingsobjektiv und nun muss ich erstmal auf lange Brennweiten verzichten.
 
Beim Playa de Akumal sind Joey und Daniel zu einer Party eingeladen, zu der wir auch mitkommen dürfen und es stellt sich heraus, dass es die Abschiedsfeier von einem mexikanischen Pärchen ist, welches sich auch mit dem Motorrad auf eine lange Reise begibt. So treffen wir viele andere Motorradreisende, darunter auch Simon und Lisa, die beiden Engländer, die seit 11 Jahren mit ihren beiden BMWs durch die Welt fahren. Sie haben ihre Reise schon halb zum Beruf gemacht und verdienen mit Texten, Präsentationen und dem Verkauf von Fotos und Merchandise-Produkten Geld für ihre Reisekasse. Das hört sich vielleicht erstmal interessant an, doch muss man auch dafür bereit sein, seine eigene Reise entsprechend zu vermarkten. Dementsprechend wäre man wohl immer auf der Suche nach „den“ Stories, die sich meistens aber nicht ergeben indem man sie gezielt sucht.
 
Bevor wir uns nach 3,5 Monaten endgültig von Mexiko verabschieden, vertreiben wir uns noch ein wenig die Zeit an der Laguna de Bacalar mit Paddelborad fahren und entsprechenden Wasserschlachten.
Unsere Zeit in Mexiko war sehr erlebnisreich und wir haben viele Menschen hier sehr lieb gewonnen. Wie oft haben wir in den USA gehört „isn’t it dangerous down there?“. Mexiko hat uns gelehrt, dass die ganze Angstmacherei unsinnig ist, vor allem wenn sie von Leuten betrieben wird, die noch nie dort gewesen sind oder von Regierungen, die wirtschaftliches Interesse daran haben, andere Länder in Armut zu halten. Leider mussten wir in den USA auch von schießgeilen texanischen Rentnern erfahren, welche private „Grenzpatrouillen“ fahren und denken, sie dürfen über Leben und Tod illegaler mexikanischer Einwanderer entscheiden. Solche Dinge machen uns nun noch trauriger, da wir die andere Seite nun kennen. Läge nicht das Mittelmeer als natürliche Grenze zwischen Europa und Afrika, hätte die EU sicherlich auch mehr Stacheldrahtzäune und Munition bereit liegen.
Ja, es gibt den Drogenkrieg, Korruption und viel Armut in Mexiko und man darf dies keinesfalls herunterspielen. Doch das heißt andererseits auch nicht, dass an jeder Straßenecke jemand lauert und einen umbringen will. Das alltägliche Leben findet hier ganz normal statt. Ich spaziere auch nicht gerne nachts allein in Frankfurt am Hauptbahnhof, in der Münchener U-Bahn, in Köln-Chorweiler oder in Berlin-Neukölln herum. So gibt es auch in Mexiko Gebiete die man meiden sollte. Viele Geschichten von ausgeraubten Touristen enttarnen sich bei näherem Hinsehen als Geschichten von Leuten die nachts allein oder betrunken zum Hotel zurück laufen und damit leichte Opfer sind. Wenn man sich vorher informiert wo die Brennpunkte sind und ansonsten gesunden Menschenverstand walten lässt, kann man Mexiko sehr gut bereisen und wird von seiner Vielfalt und den herzlichen Menschen begeistert sein. Wir hatten geplant das Land in 2 Wochen zu durchfahren, geworden sind es 16.
 
Wir wurden doch tatsächlich von einer Mexikanerin gefragt, ob es in Deutschland nicht gefährlich sei, sich als Ausländer aufzuhalten. Sie hatte ernsthafte Bedenken bezüglich ihrer zukünftigen Reise in unser Heimatland. In einer Dokumentation hatte sie gesehen, welche Verbrechen Rechtsradikale in unserem Land an Ausländern verüben. Als Deutsche können wir uns dafür nur schämen und sind betrübt über dieses Bild, welches in der Außenwelt kursiert. Genauso betrübt sind die Mexikaner, wenn sie erfahren, wie sie von der westlichen Welt gesehen werden. Liest man die Sicherheitsinformationen zu Mexiko auf der Seite des ausländischen Amtes, würde man wahrscheinlich ebenso von einer Reise in das Land absehen. Woher sollte man es auch besser wissen? Wir sind angewiesen auf die Informationen, die uns andere bereitstellen. Doch es gibt scheinbar immer mehrere Wahrheiten und die Negativberichte der Medien sind vielleicht eine davon. Ein weiterer Grund für diese Reise: es gibt uns die Gelegenheit das, was uns die Medien weismachen wollen, mit dem zu vergleichen was in der Realität passiert.
 


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Südmexiko – Öl, Ruinen, Cenoten und Brot

01.-13.03. 2015
 
In Puebla haben wir über die Dauer von 6 Wochen das Alltagsleben in einer mexikanischen Großstadt kennengelernt und verschiedenste kulturelle Ereignisse miterlebt. Auch wenn wir uns bei Rosy und Tony sehr wohl gefühlt haben, kam nach einiger Zeit der Wunsch auf, weiter zu reisen, wenngleich wir uns kaum mehr vorstellen können, wie es ist, wieder jeden Tag unterwegs zu sein. Der Abschied viel dann doch schwer, vor allem da wir nicht wissen, ob es ein Wiedersehen geben wird. Als sich dann die Familie links und rechts vor der Ausfahrt aufreiht und jeder mit einem weißen Tuch winkt, als wir hinausfahren, wird es nicht leichter. Im Rückspiegel sehen wir sie zum letzten Mal.
 
Der Süden Mexikos bietet uns genau die Abwechslung, die wir uns nach so langem Aufenthalt in ein und derselben Stadt gewünscht haben. In einem Tagesritt düsen wir nach Coatzacoalcaos, einer Stadt an der Ostküste im Bundesstaat Veracruz, in der uns Tonys Schwester einen Kontakt vermittelt hat. Nachdem wir am Pico de Orizaba vorbeigerauscht sind und von 2000 Meter Höhe ins Tal hinab fahren, wechselt das trockene und staubige Wüstenklima schnell in schwülwarme Subtropen.
 
Wir befinden uns nun am Golf von Mexiko, an dem das schwarze Gold gewonnen wird: PEMEX ist der staatliche Mineralölkonzern Mexikos und besitzt ein Monopol für den Verkauf von Diesel und Benzin im ganzen Lande. Auch wir haben ausschließlich bei PEMEX unsere Tanks gefüllt, weil es keinen einzigen Mitbewerber in Mexiko für den Verkauf von Treibstoff gibt. Wenn Wikipedia Recht hat, dann wird die Staatskasse Mexikos zu einem Drittel durch die Gewinne des Ölkonzerns gefüllt. Der Konzern hat in Coatzacoalcos zahlreiche Bohrinseln, Raffinerien, Industrieanlagen und einen großen Hafen für den Öltransport. Zu uns sagte mal ein Mexikaner: „Mexiko hat viele schöne aber auch viele hässliche Orte“. Die Raffinerien an denen wir vorbeifahren gehören zumindest nicht zu den schönen Orten.
 
Der Vater der Familie, die uns sehr herzlich aufgenommen hat, arbeitet seit Jahren bei PEMEX und trägt auch noch beim Abendessen ein Hemd mit dem Emblem seines Brötchengebers. Alfred, der Neffe, studiert Chemie und macht in einer der Anlagen in der Umgebung ein Praktikum. Gemeinsam fahren wir zum Ufer am Stadtrand, wo vor 20 Jahren richtiger Strand mit Sand und Palmen war. Heute steht hier eine lange Mauer und von weitem sehen wir die Lichter der Erdölanlagen. Im Vergleich zu anderen Jobs in Mexiko verdienen die Menschen hier relativ gut. Die Familie beklagt allerdings das Fehlen von kulturellen Einrichtungen wie Kinos oder Theater beziehungsweise anderen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Die Stadt sei aufgrund des Ölbooms schnell gewachsen, doch seien kaum Möglichkeiten hinzugekommen, das Geld für Freizeitaktivitäten auszugeben. Unsere Gastgeber waren so freundlich zu uns, dass wir einerseits gerne noch einen weiteren Tag geblieben wären, doch aufgrund der langen Pause wollten wir andererseits weiter.
 
In Chiapas de Corzo besuchen wir den Biker Eduardo. In einer großen Halle hat er drei Motorräder zu stehen, darunter auch eine ältere BMW GS 1200. Zugleich sind auch die beiden Mexikaner „Ghost“ und seine Freundin Mayra Gast, die mit ihrer Harley bei einem Biker Treffen in Belize City waren und nun auf der Rückreise nach Mexiko Stadt sind. Ghost versorgt uns mit Kontakten in Campeche und Yucatan, bei denen wir später tatsächlich vorbeifahren. Mit den beiden machen wir am nächsten Tag eine Tour mit einem der Boote von Eduardos Touristikunternehmen. So bekommen wir ein wenig Rabatt auf den Ausflug. Auf dem Rio Grijalva fahren wir zwischen den steilen, bis zu 1000m hohen Felswänden des Canyon del Sumidero entlang. Dabei bekommen wir am Flussufer sogar einige Krokodile zu Gesicht und in den Bäumen tummeln sich Affen.
 
Stephan hat abends leichtes Fieber und Husten. Da macht sich leichte innere Panik breit: nicht schon wieder, wir haben genug von Krankheiten… . Vorsichtshalber gehen wir gleich zu einer Arztpraxis. Doch wie vermutet will uns die Ärztin direkt ein Antibiotikum verschreiben. Wir kaufen es gar nicht erst, es gab schon genug Antibiotikum für uns in der letzten Zeit. Die Symptome sind zum Glück später von allein wieder verschwunden.
 
Die nächste Tagesetappe führt uns über kurvige Bergstraßen vorbei an Palmen und Nadelbäumen, die oftmals direkt nebeneinander stehen. Eine solche Kombination von Vegetation war mir bisher unbekannt. Direkt vor dem Nationalpark von Palenque finden wir dank einem Tipp von Joey und Daniel, den beiden anderen Motorradreisenden die wir in San Diego getroffen hatten, eine günstige Unterkunft in einem Bungalow-Dorf im Dschungel. Allerdings macht uns der bauliche Zustand dieser Doppelstockhäuschen nachdenklich, als wir in unserem Zimmer die Schwingungen spüren, sobald jemand die Wendeltreppe hinaufkommt. Wir nehmen uns einen Tag Zeit um die Maya Ruinen von Palenque zu besichtigen. Diese im Dschungel liegende alte Stadt lädt sowohl zu Entdeckungstouren in den weiter abseits im Wald gelegenen Anlagen als auch zum Herumklettern auf den größeren Ruinen von Palast und Tempeln ein. Im Gegensatz zu anderen Ruinenstädten ist das hier noch erlaubt. Vom Kreuztempel aus haben wir einen Blick über die ganze Ruinenstadt und weit bis zum Horizont des Dschungeltieflandes.
 
Unsere Route führt uns weiter nach Campeche, wo wir den Biker Ambrosio besuchen. Er wohnt in einer hübschen Gartenanlage, die er gelegentlich für Events wie Hochzeitsfeiern vermietet. Wir dürfen unter dem Carport unser Zelt aufschlagen und auch den großen Pool jederzeit benutzen. Zum Mittagessen werden wir von Ambrosio und seinen Freunden zu Fischtacos eingeladen. Der Fisch kommt direkt vom Grill und die frische Salsa trägt das Übrige zu diesem leckeren Geschmackserlebnis bei. Ambrosio ist Mitglied im Bikerclub „Piratas Campeche“ und ist mit einer Harley Davidson und entsprechenden Aufnähern für seine Bikerklamotten ausgerüstet. Auf einer abendlichen Rundfahrt zeigt er uns die Stadt Campeche, mit ihrer alten Stadtmauer und den zwei Forts, welche der Verteidigung gegen Piraten dienten. Am Sonntag geht’s auf zur gemeinsamen Ausfahrt mit dem Bikerclub. Mit sieben Motorrädern fahren wir nach Hopelchén, wo uns einer der Biker zum Grillen bei seiner Familie einlädt. Auf dem Weg machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Edzna, einer der zahlreichen archäologischen Stätten der Halbinsel Yucatan.
 
Zu Gunsten der Grutas von Loltun, einem Höhlensystem, verzichten wir auf einen Besuch der bekannten Ruinen von Uxmal. Die Yucatan Halbinsel ist von einem Netz aus Höhlen und unterirdischen Süßwasserläufen durchzogen. Daraus ergeben sich viele kleine und große Highlights, die man bei einem Besuch der Region nicht verpassen sollte: Cenoten. Cenoten sind Wasserlöcher, die durch den Einsturz der Kalksteinhöhlen entstanden sind. Sie können oben komplett offen sein oder nur ein kleine Öffnung in der Decke haben, durch das die Sonnenstrahlen scheinen. Die üppige Vegetation ringsherum und das meist sehr klare Wasser lassen diese Orte wie kleine Paradiese erscheinen. Voll touristisch erschlossenen und mit Mauern umbaut, bis hin zu im Dschungel versteckten oder sogar noch unentdeckten Cenoten findet sich auf der Halbinsel alles. Für die Maya sind die Cenoten heilig, sie sind der Eingang zur Unterwelt der Toten, aber auch wichtige Süßwasserquelle. Mit circa 6000 Cenoten befindet sich auf der Halbinsel das vermutlich größte Unterwasserhöhlensystem der Erde. Die Höhlen der Grutas von Loltun sind ein System aus ehemaligen Cenoten und Unterwasserhöhlen, die aufgrund einer natürlichen Senkung des Wasserspiegels aber heute trocken und damit begehbar sind. In jeder der Haupthöhlen begegnen uns andere Kalksteinformationen wie Stalagniten und Stalaktiten und wir fühlen uns mal wieder wie in einer anderen Welt.
 
Bis zu unserem Ziel nach Tahmek ist es nicht mehr weit und so machen wir nach dem Besuch der Höhlen noch halt bei einer unbekannteren alten Mayastadt: Mayapan. Sie ist nicht ganz so groß wie die Berühmtheiten von Chichen Itza oder Uxmal, dafür ist hier kaum ein Mensch und wir haben die ganze Anlage für uns allein. Wir müssen sie lediglich mit den vielen Leguanen teilen, die hier ein scheinbar entspanntes Leben führen. Von der Spitze der sehr Steilen Pyramide in der Platzmitte können wir kilometerweit in alle Himmelrichtungen das flache Yucatan überblicken.
 
In Tahmek, einer kleinen Stadt irgendwo zwischen Merida und Valladolid, sind wir mit dem Bäcker Vera verabredet. Wir wissen nur den Namen der Straße in der er wohnen soll, Straßennamen und Hausnummern sind hier Fehlanzeige. Ein Betrunkener auf dem Marktplatz weist uns wohl eher zufällig in die richtige Richtung und so sehen wir Vera, wie er uns vor seinem Haus sitzend zuwinkt. Direkt vor dem Backraum dürfen wir unser Zelt aufschlagen. Vera bäckt Brot, Pizza und süße Teilchen und liefert diese an alle mögliche Läden und auch Schulen in der Umgebung, einen eigenen Verkaufsraum hat er nicht. In der Bäckerei zeigt uns Vera die alten Knetmaschinen, Teigwalzen und den Ofen. Das Brot wird auf einem langen Holztisch geformt. Es wäre interessant wie das deutsche Gesundheitsamt auf diese Backstube reagiert hätte. Was hier in Mexiko völlig normal ist, wäre in Deutschland ein Skandal. Die ganze Familie ist in den Backbetrieb einbezogen. Die Söhne und der Partner der schwangeren 16-jährigen Tochter helfen beim Backen und beim Ausliefern mit dem Motorrad oder Auto. Vera erzählt uns das er so circa 80 Pesos am Tag verdient, was ungefähr 5€ entspricht.
 
Einige Male im Jahr verdient er sich jedoch an der Küste etwas dazu: mit Seegurken kochen. Im Norden von Yucatan ist das Meer reich an Seegurken, welche im asiatischen Raum stark als Potenz- und Heilmittel nachgefragt sind. In China werden zum Teil mehrere Hundert Euro für bestimmte Seegurkenarten bezahlt. Wir hatten uns damals schon in Chinatown in San Francisco über die Preise einiger Seegurken gewundert: $500 pro Pfund waren keine Seltenheit. Das Kochen der Seegurken wird jedenfalls gut bezahlt, da es anstrengende Arbeit verbunden mit Hitze und Gestank ist. Vera erzählt uns auch von den „Seegurken-Baronen“, einige wenige Männer, die die Lizenz zum Seegurkenhandel haben und angeblich Millionen von Dollar damit verdienen. Man könnte auch von einer Art Seegurken-Mafia sprechen, die niemanden von außen ins Geschäft lässt.
 
Die mexikanischen Bundestaaten auf der Yucatanhalbinsel heißen Quintana Roo, Campeche und Yucatan. Diese Regionen sind vom mexikanischen Drogenkrieg, der sich zwischen den Kartellen, Polizei und Militär abspielt nicht betroffen. Laut der Aussage von Vera, liegt es daran, dass dort die Drogenbosse ihre Häuser haben, in denen ihre Frauen und Kinder leben.
 
Vera fährt jedenfalls auch Motorrad und daher machen wir eine gemeinsame Tour in die Umgebung und besuchen einige Cenoten. Manche der Eingänge sind nur ein unscheinbares Loch in der Erde. Umso überraschter sind wir, als wir diese bildschönen Unterwelten zu Gesicht bekommen. Gleichzeitig sind wir froh, die Motorradkluft gegen Badesachen einzutauschen und ins kühle Nass zu springen, denn die Hitze draußen ist unerträglich. Allerdings ist es schon fast ein wenig gruselig unterirdisch in dem eigentlich klaren Wasser zu schwimmen. Da zum Teil kein Sonnenlicht auf das Wasser trifft, sieht man nur schwarz wenn man unter sich blickt und man muss aufpassen dass man sich nicht an Felsen und Steinen stößt, oder war es doch ein noch unentdecktes Höhlenmonster?
 
Auf dem Weg zur dritten Cenote werden wir durch den starken Regen fast völlig durchnässt. Kurz nach uns kommen an der Cenote zwei Argentinier mit einem Guide an, denen wir uns kurzerhand anschließen und so in den Genuss einer kostenfreien Führung kommen. Man hätte uns ja vorher sagen können, dass wir für die Begehung lieber direkt Badesachen anziehen sollten. Nachdem wir den glitschigen Abstieg hinunter sind, waten wir bald bis auf Brusthöhe durch das Wasser. Dann, als die Höhle zu Ende sein scheint, macht uns der Guide auf einen kleinen handbreiten Spalt aufmerksam. Das wäre die Stelle, wo wir nun tauchen müssten. Ach so, na gut, dann legen wir eben die Kamera weiter vorne ab, durchnässt waren wir ja eh schon. Mit etwas Überwindung und im Licht der drei Taschenlampen tauchen wir hindurch und finden uns dann in einer Art Tropfsteinhöhle wieder, an deren Decke duzende Fledermäuse hängen. Solche spontanen Erlebnisse sind nicht immer komfortabel, machen aber irgendwie glücklich. Bis auf die Unterwäsche nass, fahren wir erstmal zurück zur Bäckerei, um uns wieder aufzuwärmen.
 


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